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Leibniz und die philosophierenden Schüler

Am 1. Juli 1646 wurde der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz geboren. In Erinnerung daran stand in Hannover am 1. Juli 2007 ein Leibniztag statt, an dem sich Schüler von verschiedenen Schulen der Stadt beteiligt haben.

Von Michael Niehaus |
    Schon zu Beginn des kleinen Theaterstücks der Hannoverschen Wilhelm-Raabe-Schule wird Leibniz erschossen. Eine klare Absage an eine Rechtfertigung des Leidens.

    " Die Wilhelm-Raabe-Schule hat da ein tolles Stück vorbereitet. Die Rechtfertigung Göttes angesichts der Übel der Welt. Das ist ja eine Frage, die man sich unentwegt stellt. Die Vorstellung, die Leibniz da entwickelt, fern von unserem Alltagsdenken, ist aber, wenn man ein bisschen zurücktritt, angesichts des Spektakels in der Welt, eine großartige Veranstaltung: Gott hat nicht alles durchgeplant, aber er hat den großen gigantischen Entwurf gemacht. Warum ist überhaupt etwas und nicht Nichts? .Das, glaube ich, ist die Rechfertigung. Gerechtfertigt ist nicht, was wir Menschen alles tun. "

    Dr. Gerhard Stamer, Leiter des Instituts für Praktische Philosophie, hat den Leibniztag unter das Motto "Abenteuer des Denkens" gestellt. Und so plakativ das Stück der Wilhelm-Raabe- Schule beginnt und auch endet, der gedankliche Weg dorthin ist äußerst differenziert.

    Die Schülerinnen und Schüler konfrontieren Leibniz mit den Ansichten Georg Büchners - Friede den Hütten, Krieg den Palästen - und der Theorie des Absurden von Albert Camus, wie er sie in seinem Roman "Die Pest" literarisch dargestellt hat.

    "Diese Ratte war ein erstes Anzeichen. Doch wenige Tage später, sind die ersten Menschen gestorben. Und wissen Sie, woran diese Menschen gestorben sind? Die Pest hat diese Stadt heimgesucht. - Nun ja, Gott wird sicher seine Gründe gehabt haben, dieser Stadt den schwarzen Tod zu schicken. Aufgrund des ewigen Fortschritts der Welt, führt auch das Schlechte immer zum Guten."

    Am Ende sind es jedoch nicht die Theorien, die zur Absage an die Theodicee von Leibniz führen, sondern das reale Leiden, in Gestalt einer Frau, deren Mann bei einem Unfall ums Leben gekommen ist und die ihr Kind verloren hat.

    " "Wer das bittere nicht kostet, der verdienst das Süße einfach nicht. Nein! Du redest so eine Scheiße. Du weißt überhaupt nicht, wovon du sprichst. Das Bittere soll Leid sein. Leid - das ist vielmehr als das. "

    " Wir hatten uns ja vorher damit beschäftigt, wie wir Leibniz darstellen. Der Angriff auf Leibniz stellt unsere Gruppenmeinung dar. Das geht bei mir auch schon in die Richtung, dass Leibniz einfach sagt, dass dieses Leid in Ordnung ist, weil es zu Gutem führt. "

    " Ich sage, Leid ist nicht zu erklären. Leid muss bekämpft werden. "

    " Ich habe ja jemanden dargestellt, der am Leid zerbrochen ist, und wir eigentlich zeigen wollten, dass man individuelles Leid nicht rechtfertigen kann, dass das individuelle Leid sehr scher zu ertragen ist, "

    " Es gibt mehrere Möglichkeiten mit Leid umzugehen, meine Möglichkeit bestand ja darin, Leid zu bestehen. Ich gab ja gegen die Pest gekämpft und hab dieses Leid bestanden. Wir haben ja geklärt, dass man Leid nicht erklären kann, nicht wirklich fechtfertigen kann, wie Leibniz das versucht hat. "

    Der Universalgelehrte Leibniz in der Sicht von Schülerinnen und Schülern: Da ging es um Leibniz und die Sprache, Leibniz und Newton, Leibniz als Erfinder, Leibniz als Präsident der Akademie der Wissenschaften, um nur einige weitere Beispiele zu nennen.

    Eine Königin - Sophie Charlotte - und ein Bürgerlicher - Gottfried Wilhelm Leibniz -: für das späte 17. und frühe 18. Jahrhundert ist das noch skandalträchtig.

    Hatten sie ein Verhältnis, eine Affäre? Zumindest hatten sie ein intellektuelles Verhältnis, daran erinnert eine szenische Lesung der Hannoverschen Sophienschule und der Leibnizschule.

    Sehr ironisch wird hier klar gemacht, wie stark Sophie Charlotte und Leibniz vom höfischen Zeremoniell eingeengt wurden. Gerade will Leibniz der Königin seine Theorie der "besten aller möglichen Welten" erklären, melden sich - heute würde man sagen - die Protokollchefinnen:

    Kreative Auseinandersetzung und Aneignung von Philosophie - hier am Beispiel Leibniz - ist möglich und nötig, so Gerhard Stamer

    " Die Lehrer haben das zustande gebracht, ihre Schüler zu motivieren, außer halb des regulären Unterrichts, und das ist etwas, das viel tiefer geht und es macht Spaß, und mit Spaß lernt man besser und deshalb heißt das Ganze ja auch "Abenteuer des Denkens "

    Es bleibt aber auch die Einsicht, dass es schwierig ist, solche Projekte im Schulalltag zu verwirklichen ist.

    " Die wenigen Stunden, die man in der Woche hat, lässt es in der Regel nicht zu. Toll wäre es, wenn man es organisieren könnte, dass so etwas immer mal wieder möglich ist, aber eher als Ausnahme. "

    Und doch - bei aller Begrenztheit der Möglichkeiten - möchte Heribert Hunecke-Weigelin, Philosophielehrer an der Wilhelm-Raabe-Schule in Hannover, Anregungen, die ihm der Leibniztag gebracht hat, mit in seinen Unterricht nehmen.

    " Ich habe für mich daraus die Konsequenz gezogen, dass ich zumindest Elemente noch stärker im Unterricht einsetze. Ich versuche das immer schon durch kreative Verfahren, in dem man fiktive Briefe schreiben lässt an Philosophen und so weiter und so weiter, oder dass ich Philosophen miteinander streiten lasse, das sich Kant mit Hume auseinandersetzt - die treten dann auch auf im Unterricht - aber das würde ich gerne ausbauen, der heutige Tag hat mich darin bestärkt. "