Archiv


Leicht und locker, aber stabil

Materialforschung. – Metallschäume können die Festigkeit und Tragkraft von massiven Metallschäumen besitzen, aber nur einen Bruchteil ihres Gewichts. Kein Wunder, dass sich unter anderem die Raumfahrt für sie derart interessiert, dass das europäische Weltraumtechnikzentrum Estec im niederländischen Noordwijk jetzt einen Kongress zu den luftigen Substanzen beherbergte.

Von Dirk Lorenzen |
    Für Physiker ist Schaum einfach Gas in einer Flüssigkeit. Im Alltag haben wir es mit Schäumen beim Baden, Abwaschen oder Biertrinken zu tun. Doch Francisco Garcia-Moreno vom Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie in Berlin arbeitet mit Schaum aus einem zunächst überraschend erscheinenden Material – aus Metall.

    "Wir leiten einfach sprudelndes Gas in eine Metallschmelze ein und lassen das Ganze später fest werden. Oder wir stellen ein Metallpulver her, dem wir ein Treibmittel beimischen, ähnlich dem Backpulver beim Kuchenbacken. Wenn man diese Mischung erhitzt, schmilzt das Metallpulver und das Treibmittel setzt Gasblasen frei, die größer und größer werden und schließlich den Schaum bilden."

    Meist dauert es nur wenige Minuten, bis Francisco Garcia-Moreno und sein Team einen Schaum fertig gebacken haben. Allerdings feilen die Forscher noch an der richtigen Rezeptur – denn was genau in Metallschäumen passiert, ist bis heute weitgehend unverstanden. Garcia-Moreno:

    "Sehr wichtig ist die Stabilisierung der Blasengröße. Der Schaum darf nicht zu grobporig werden. In wässrigen Schäumen wird so etwas seit 50 Jahren genau untersucht. Aber in Metallschäumen ist das immer noch ziemlich mysteriös. Da lässt sich in der flüssigen Phase nicht exakt vorhersagen, wie sich die entstehenden Blasen verhalten. Das müssen wir aber gut verstehen, um einen Schaum aus möglichst gleichmäßigen runden Blasen zu bekommen."

    Das Berliner Team hat ein spezielles Röntgenverfahren entwickelt, um dem Schaum beim Entstehen zuzusehen. Doch manche Phänomene sind auf der Erde nicht gut zu beobachten, weil die Schwerkraft die Bildung des Schaums stört: Die Flüssigkeit läuft entlang der Schaumwände nach unten, die Schaumbläschen platzen oder verschmelzen miteinander, so wie man es auch beim Badeschaum beobachtet. Garcia-Moreno:

    "In Metallschäumen ist dieser Effekt noch viel stärker als in wässrigen Schäumen, weil Metalle so schwer sind. Um dieses Absinken der Flüssigkeit zu verhindern und um andere Effekte gezielt zu untersuchen, müssen wir die Schwerkraft ausschalten: Das geht bei Parabelflügen, wie wir sie Ende letzten Jahres gemacht haben. Vor wenigen Wochen haben wir zudem eine Höhenforschungsrakete genutzt. Da hatten wir während des Fluges sechs Minuten Schwerelosigkeit, um die Experimente automatisch durchzuführen."

    Allmählich verstehen Francisco Garcia-Moreno und sein Team immer besser, wie Metallschäume entstehen und welche Faktoren später die Eigenschaften bestimmen. Geschäumtes Metall ist für industrielle Anwendungen oftmals viel besser geeignet als massive Metallplatten. Garcia-Moreno:

    "Metallschäume lassen sich aufgrund der guten Eigenschaften an vielen Stellen nutzen. In einigen Autos stecken solche Teile bereits zum Dämpfen der Aufprallenergie bei einem Unfall. Der Schaum macht das Auto also sicherer. Es gibt auch schon einen Prototypen für die Spitze einer Ariane-Rakete. Der Metallschaum ist leicht, er hält hohe Temperaturen aus, isoliert gleichzeitig und dämpft zudem die Vibrationen bei Start und Flug. Bald dürften auch Satelliten mit Metallschäumen gebaut werden. Heute sind die meisten Satellitenteile aus Aluminium in Bienenwabenform. Aber diese Waben kann man nur flach bauen, nicht gekrümmt. Aus Metallschaum kann man dagegen auch gebogene Bauteile herstellen."

    So ist es kein Wunder, dass die Schaumtagung am Esa-Weltraumtechnikzentrum in Noordwijk stattgefunden hat. Noch, so beklagen Insider, sind die Metallschäume meist nur Insidern bekannt. Zugleich betonen die Experten, dass der leichte und dennoch so stabile Metallschaum einer der ganz wichtigen Werkstoffe der Zukunft sein wird.