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Leicht und sportlich

Automobiltechnik. - Ein Weg, bei einem Automobil den Verbrauch aber nicht den Fahrspaß zu senken, ist die Leichtbauweise. Neben Leichtmetallen kommen dafür Polyurethan-Schäume in Frage. Auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt sind Lösungen zu besichtigen.

Von Maximilian Schönherr |
    Über Schönheit kann man streiten. Klaus Dieter Frers jedenfalls hält seine selbstgebauten Autos für so schön, dass er sie auf der Internationalen Automobilausstellung umzäunt hat, damit nicht jeder sie begrapschen kann. Es sind Sportwagen mit Sechszylindermotoren, die er in seinem Betrieb in Delbrück in Kleinststückzahlen herstellt. Artega heißt das Auto, und seine Besonderheit ist ein Weltrekord: Der Artega wiegt fast nichts, na ja…

    "Das Trockengewicht beträgt nur 1116 Kilo."

    Wie schwer ist ein vergleichbarer Porsche?

    "Der dürfte 300-400 kg schwerer sein."

    Der Artega ist ein Beispiel des Siegeszugs von Polyurethan, einem schon 1937 entdeckten Kunststoff. Polyurethane sind variantenreich herstellbar, zum Beispiel bestehen heute praktisch alle Lenkradverkleidungen und die Unterfütterung von Armaturenbrettern aus diesem Werkstoff. Hier jedoch steht ein Auto auf der Messe, dessen ganze Karosserie aus Polyurethan besteht. Frers:

    "Wir reden von Leichtbauweise, also von Gewichtseinsparung, und das erreicht man eben, indem man gerade das nicht macht, was bei solchen Kleinserienfahrzeugen üblich ist, nämlich glasfaserverstärkte Kunststoffe zu nehmen. Das hat den Nachteil, dass es schwer ist, dass man die Kanten besäumen, also Handarbeit machen muss, und sie sind von der Toleranz nicht so besonders gut. Hier bei Polyurethan ist dagegen alles werkzeugfein, das heißt, es gibt Schäumwerkzeuge, wo innerhalb von 1,5 Minuten ein solcher Kotflügel herauskommt. Und wenn Sie den in die Hand nehmen, dann können Sie ihn mit dem kleinen Finger hochheben. Außerdem bewirkt das eine tolle Straßenlage, weil das Gewicht – der Schwerpunkt – sehr weit unten ist, weil Sie ja eine sehr leichte Karosserie oben drauf gesetzt haben."

    Die meisten seiner Polyurethan-Bauteile bezieht Klaus Dieter Frers vom Marktführer für diesen Werkstoff, der BASF-Tochter Elastogran. Dort arbeitet Stefan Haupt als Entwicklungsingenieur. Er ist begeistert vom Artega mit seinen nur 1,1 Tonnen Gewicht. Aber ihn reizt es vor allem, bei Serienfahrzeugen immer neue Stellen zu finden, wo er den Naturkautschuk, also den Gummi, durch Polyurethan ersetzt. Das weiße oder gelbe Polyurethan ist in kleinen Mengen wesentlich wirkungsvoller als Gummi, und es lässt sich viel leichter als Gummi in sehr kleine Formen bringen.

    "Es ist ja so, dass die Kräfte im Automobil immer größer werden, die Räder größer, die Wege aber immer beschränkter. Insofern muss auch das, was früher ein einfacher Anschlagpuffer war, heute viel mehr Funktionen übernehmen, Energie absorbieren."

    Mehr als früher? Der VW Käfer aus den 60er Jahren hatte noch größere Wege?

    "Definitiv! Der hatte auch ein wesentlich geringeres Gewicht: 800 bis 900 Kilo. Heute wiegen manche Fahrzeuge über zwei Tonnen. Man muss die Energie, die hier eingetragen wird, irgendwie vernichten."


    Zum Beispiel die Energie, welche die Federungen und die Stoßdämpfer im neuen 4-Sitzer Porsche Panamera auffangen müssen. Fingerdicke, also relativ schlanke und leichte Polyurethan-Elemente sitzen am Anschlag des Stoßdämpfers und an den Federn. Dort geht im Auto alles sehr eng zu. Gummi hätte, schon allein deswegen, weil er breiter wird, wenn man ihn zusammendrückt, hier keinen Platz. Außerdem ist der Kunststoff ‚amplitudenselektiv‘, das heißt er schluckt lautlos fast alles, wenn die Federn des Fahrwerks nervös zittert – und das tun sie beim schnellen Fahren immer. Haupt:

    "Die entwickeln ein Eigenleben. Die fangen an, im Resonanzfall richtig herumzuflippen. Und um das zu bedämpfen, können wir diese Stahlfeder entkoppeln. Das sind kleine Ringe, die für den Komfort unheimlich wichtig sind."

    Die neuesten Anwendungen für Polyurethan sind Stabilisatoren der Hinterachse; dabei handelt es sich nicht mehr um sozusagen einfache Puffer, sondern um richtige Gelenke, wo an Gummi nie zu denken war, schon wegen seines starken Abriebs. Wo dagegen Polyurethane scheitern, sind die Motorlagerungen. Hier geht es mit 130, 140 Grad so heiß zu, dass sie sich von einem Zusammendrücken nicht mehr erholen. Gummi dagegen schon. Aber, so Stefan Haupt, die organische Chemie ist kreativ, und…

    "…der Kunststoff ist definitiv auf dem Vormarsch."