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Leichtathletik-Weltverband drückt sich vor Löschung von Dopingrekorden

Der Deutsche Leichtathletik-Verband hat sich seit Jahren mit einem Makel arrangiert: In seiner Rekordliste führt der DLV zahlreiche dopingverseuchte Bestmarken, und nur in zwei Fällen ist das dokumentiert.

Von Grit Hartmann | 21.03.2010
    So kommt der 4x400-Meter-Rekord der DDR-Frauen-Staffel mit drei Namen aus, seit Gesine Walther, heute Tettenborn, im Januar ein Doping-Geständnis ablegte. International wird über die Gültigkeit dieser Zeit weiter gestritten.

    Die PR-Abteilung des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF gilt als eine der eifrigsten im internationalen Sport. Der Ausstoß an Jubelbotschaften ist enorm; mehr als zwei Dutzend wurden anlässlich der Hallen-Weltmeisterschaft in Doha am vergangenen Wochenende verbreitet. Schon vorab annoncierte der Verband die Veranstaltung als rekordträchtiges Spektakel – am Ende erfüllte der Franzose Teddy Tamgho mit seinem Dreisprung-Weltrekord die Prognose doch noch. Sein Super-Satz über 17 Meter 90 war auch gleich für drei Meldungen gut.

    Derlei Jubelarien lassen am angeblich fulminanten Anti-Doping-Kampf der Leichtathletik-Funktionäre regelmäßig Zweifel aufkommen. Dazu passte, dass sich die IAAF-Exekutive bei ihrer Tagung in Doha vor der Entscheidung über einen historischen Rekord drückte.

    Kurzfristig von der Agenda genommen wurde die deutsche Bestmarke über 4x400 Meter der DDR-Frauenstaffel von 1984. Die Fabelzeit von 3 Minuten 15, 92 Sekunden rangiert auf der Allzeit-Bestenliste des Weltverbandes noch immer auf Platz drei.

    Ob es dabei bleibt, ist umstritten, seit Gesine Walther im Januar ein Doping-Geständnis ablegte, also über ihre Einbindung in den Staatsplan 14.25 Auskunft gab. Seither debattiert die IAAF die Frage, ob sie die skurrile Minimallösung des deutschen Verbandes für die sportlichen DDR-Hinterlassenschaften mitgeht. Der DLV löschte nur Walthers Namen aus dem Quartett und etablierte einen Staffel-Rekord mit Dreien, gehalten von Sabine Busch, Dagmar Rübsam und der ewigen Weltrekordlerin Marita Koch.

    Noch sei die Causa offen, teilt IAAF-Sprecher Nick Davies auf Deutschlandfunk-Anfrage mit. Einerseits signalisiert das: Man tut sich schwer mit der kuriosen deutschen Dreier-Variante. Andererseits kündigt Davies eine Prozedere an, das Argwohn weckt: Die juristische Kommission prüfe "eine Lösung für sämtliche Dopingfälle, die derart weit in der Vergangenheit liegen". Diese müsse "rechtlich haltbar" sein.
    Damit ist der Weltverband bei der Debatte angekommen, die DLV-Funktionäre vor Jahren folgenlos bereinigten. Über juristische Winkelzüge schraubten sie das Systemproblem mit ihren pharmaverseuchten Rekord-Maßstäben für aktive Athleten schon 2006 herunter. Auch damals wurde nur der Name der Kurzsprinterin Ines Geipel gestrichen, nicht aber der Doping-Rekord der Club-Staffel des SC Motor Jena. Die Sache sei verjährt, hieß es. Tatsächlich aber fürchtete man die angedrohten Klagen von Altstars wie Marita Koch.

    Seither ignoriert die DLV-Spitze hartnäckig ein Gutachten der Stuttgarter Sportrechtskanzlei Wüterich & Breucker. Die wies nach, warum das Verbandsrecht die Annullierung solcher Rekorde durchaus hergibt.

    Bahnt sich nun die internationale Wiederholung dieser Posse an? Dafür spricht: Zur Problemlösung setzt der Weltverband laut Davies auf das deutsche Mitglied seiner Juristischen Kommission. Gemeint ist DLV-Justiziarin Anne Jakob. Ihr Interesse an einer Löschung der Walther-Staffelzeit dürfte bei Null liegen – wären doch damit die deutschen Dreier-Rekorde fällig, und womöglich weitere Bestmarken, die dank staatlicher Ermittlungen als Dopingrekorde entlarvt sind. Gegen Wiederholung spricht nur eins: dass der Weltverband überhaupt noch Diskussionsbedarf sieht.