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Leichter Einstieg ins kreative Chaos

Der Nachwuchs bereitet auch dem Chaos Computer Club Sorgen, denn vielen interessierten Junghackern fehlt es an Know-How in der Computertechnik. Und das ist noch immer die notwendige Basis für eine fundierte und kritische Diskussion über Datenschutz und Datensicherheit. Deshalb bringt der Club Jugendliche mit speziellen Angeboten näher an die Materie.

Von Christian Fischer | 05.11.2005
    Die Clubräume des Chaos Computer Club Cologne sind ein einziges, großes Wirrwarr. Strom-, Netzwerk- und sonstige Verbindungskabel schlängeln sich die Wände entlang - an jeder erdenklichen Stelle baumelt ein Mehrfachstecker von der Decke. Dazwischen blinken Lichterketten, stapeln sich Computerzeitschriften. Eigentlich treffen sich in diesen Räumen nur die Mitglieder des Vereins, doch an diesem Abend haben über 50 Teilnehmer des U23-Projekts hier Platz genommen. U23, das ist ein Workshop für höchstens 23 Jahre alte, angehende Hackerinnen und Hacker. Laut Initiator cefalon, alias Uwe Roller, kam die Idee zu U23 mit der Frage:

    "Wie wir hier in unserem Club neue Leute ansprechen können, ohne dass wir jetzt groß Plakate hängen und sagen: Wir suchen Mitglieder. Weil wir wollen ja auch Leute haben, die so ein bisschen die ganze Idee gut finden, die ein bisschen harmonieren in dieser Hackfamilie. Und da haben wir gesagt: Was machen wir? Ein Casting? Das hört sich irgendwie komisch an. Und dann haben wir im Jahr 2001 mit einem kleinen Roboterprojekt das erste U23 gestartet. "

    Nicht jeder Teilnehmer wird am Ende auch Mitglied im Chaos Computer Club. Schließlich gilt es, nicht nur technik- und computerbegeistert zu sein, sondern auch – zumindest grundsätzlich – im Geiste des Clubs zu denken. Fd0, alias Alexander Neumann, ist der diesjährige Projektleiter und erklärt den Teilnehmern gerade einige Besonderheiten des Netzwerkzugangs:

    "Bitte seid euch bewusst, dass dieses Netzwerk so erstmal nicht verschlüsselt ist und seid euch bewusst, wenn ihr mit Pop3 eure Mails abholt, dass das Passwort durch die Luft fliegt und seid nicht böse, wenn lustige Leute lustige Dinge damit tun. "

    Darin versteckt sich einer der Grundgedanken des Chaos Computer Clubs, kurz CCC. Zwar sollten, so fordert der Club, alle Netze offen und für jedermann frei zugänglich sein – doch machen die Mitglieder auch darauf aufmerksam, dass der Schutz der Privatsphäre oberstes Gebot sein muss. So setzt sich der CCC beispielsweise dafür ein, den vielbeschworenen gläsernen Bürger zu verhindern. Pylon, oder auch Lars Weiler, der schon viele Jahre lang Mitglied ist, umreißt die Geschichte des Vereins so:

    "CCC wurde vor mittlerweile 24 Jahren gegründet, um sich mit dem neuen Medium Computer auseinanderzusetzen. Es geht dabei um Software, um Kryptographie, Datenbanken, Netzwerke generell, aber auch darum, die Leute miteinander zu verbinden. Auf der anderen Seite ist der CCC mittlerweile auch eine Bürgerrechtsorganisation und wir setzen uns für Bürgerrechte ein. "

    Trotz der gemeinsamen Ziele möchten sich die einzelnen Mitglieder nicht in eine Schublade stecken lassen. Der Club lebt von der Pluralität der Meinungen. Tatsächlich stehen auch heute einige Mitglieder angeregt diskutierend in der Clubküche. Nebenan läuft derweil das U23-Projekt weiter:

    "Ok. Mein Name ist Shorty, oder auch Michael mit real-name, ich werde euch ein bisschen was über Elektronik-Grundlagen erzählen, auch mit Schaltungsbeispielen aus den Sachen, die wir hier im Fnordlicht verwenden."

    An insgesamt sechs Abenden trifft sich die Gruppe. Die Aufgabe in diesem Jahr: Bau eines so genannten Fnordlichtes. Das ist eine Lampe, die mit Hilfe von 27 roten, gelben und blauen Leuchtdioden, drei Platinen und vielen anderen Elektronik-Bauteilen jede erdenkliche Farbe darstellen kann. Als Gehäuse dient ein Blumentopf. Projektleiter Alexander Neumann:

    "Wir machen das Ganze in zwei Phasen, diese erste Phase ist das eigentliche Aufbauen und Verstehen, wie diese Lampe funktioniert, und der zweite Teil ist die Ansteuerung. Und die Lampen sollen nachher so intelligent sein, dass sie auch miteinander kommunizieren. "

    Jeder hat für seine Teilnahmegebühr von 42 Euro einen kompletten Bausatz bekommen und am Ende hoffentlich auch ein eigenes Fnordlicht in der Hand. Die Motivation jedenfalls stimmt:

    "Die Atmosphäre ist sehr locker, es ist halt ein bisschen familiärer als wenn man in so einer großen Berufsschule ist, wo das halt nicht so persönlich ist. In der Hinsicht ist der Lerneffekt glaube ich ein bisschen größer. "

    "Ich habe von dem ganzen Zeug eigentlich überhaupt keine Ahnung, aber es macht eigentlich Spaß, bis jetzt ist es sehr informativ, obwohl ich Physik in der Schule eigentlich immer gehasst hab. "

    Nicht alle werden nach dem Projekt noch einmal wiederkommen. Einige müssen für ihr anstehendes Studium die Stadt wechseln, anderen ist es hier vielleicht ein wenig zu chaotisch. Ein paar Teilnehmer werden sich allerdings auch nach dem Bau ihres Fnordlichts noch regelmäßig in das Kabeldickicht begeben, an den Meilensteinen der Computergeschichte schrauben und in der Küche über Kryptographie und den gläsernen Bürger fabulieren – als neue, vollwertige Mitglieder der Hackerfamilie.