Archiv


Leidenschaftliche Debatte um Katalonien

Als nach dem Tod Francos vor 30 Jahren die spanischen Parteien um eine neue Verfassung rangen, saß ein Gespenst mit am Tisch: Die Gefahr, der spanische Staat könne unter dem wachsenden Einfluss der damals so genannten Zentrifugalkräfte in den nach mehr Eigenständigkeit ringenden Regionen zerbrechen, Katalonien, das Baskenland und auch Galicien in die Unabhängigkeit streben. Übrig bliebe ein Andalusisch-Katalanisches Spanien. Diese Angst hat sich bis heute als unbegründet heraus gestellt. Spanien ist nicht zerbrochen, und dies obwohl zeitweise gleich mehrere Terrorgruppen gegen den ihn verhassten Staat Bomben legten. Trotzdem ist auch heute noch von Gefahren für die Einheit Spaniens die Rede, etwa wenn in diesen Tagen das spanische Parlament um eine Reform des katalanischen Autonomiestatuts debattiert. Das katalanische Parlament hatte die Reform im Spätsommer mit großer Mehrheit verabschiedet und nach Madrid geschickt. Ein Beitrag von Hans-Günter Kellner.

    Auch an diesem Wochenende kam es wieder zu einer Demonstration gegen eine Reform des katalanischen Autonomiestatuts und für die Einheit Spaniens, diesmal demonstrierte die "Spanische Alternative", eine rechts der Konservativen stehende neue Gruppierung. Im Parlament geht es ähnlich leidenschaftlich zu. Auch hier ist von der Einheit des Vaterlandes die Rede, von Verrat, von Untreue. Die Debatte um ein neues Autonomiestatut hatten vor allem die katalanischen Nationalisten initiiert, wie etwa die Republikanische Katalanische Linke. Deren Sprecher Joan Puigcercós sagt zum Reformentwurf:

    " Der Wunsch nach einer Reform des Statuts ist irgendeiner Laune der Nationalisten entsprungen, er ist begründet. Wir brauchen mehr Verwaltungs-Kompetenzen und wir brauchen eine bessere Finanzierung unserer Region. Wir haben ein großes steuerliches Defizit, wir zahlen mehr an Madrid, als wir zurückbekommen. Eine Reform des Statuts könnte einige unserer Probleme lösen. Wir wissen, dass wir hier verhandeln müssen. Aber das darf nicht dazu führen, dass der Text vollkommen verwässert wird. "

    Die Nationalisten warnen, sollte das neue Autonomiestatut scheitern, würde auch Regierungschef José Louis Rodríguez Zapatero ihre Unterstützung verlieren. Die Debatte wird recht ruppig geführt. Die konservative Volkspartei ist die schärfste Kritikerin. Deren Generalsekretär Angel Acebes sagte, die Terroristen der ETA seien die Taufpaten der katalanischen Reform, woraufhin die Regierung eine Entschuldigung beim katalanischen Volk forderte. Jorge Fernández Díaz aus Barcelona ist Abgeordnete der Volkspartei. Er meint:

    " Diese Initiativen sind eben nicht verfassungskonform. Wir werden hier durch die Hintertür zu einer Verfassungsreform gezwungen. Als wir nach Francos Tod unsere Verfassung ausarbeiteten, waren wir alle einverstanden, wir wussten, wohin wir gehen wollten. Die Spanier hatten zuvor per Referendum ihre Absicht zu diesen Reformen bekräftigt. Heute gibt es kein Mandat für eine Verfassungsreform. Regierungschef Rodríguez Zapatero hat sich mit den Nationalisten auf diesen Weg begeben, und wir wissen nicht, wohin er geht. Ehrlich gesagt, wir glauben, er weiß selbst nicht, wohin er damit möchte. "

    Das katalanische Parlament schlägt vor, die Steuereinnahmen künftig selbst zu verwalten, und nach einem regelmäßig zu erneuernden Abkommen einen Teil davon zu behalten, und den Rest an die spanische Regierung und eine Art regionalen Finanzausgleich zu überweisen. Doch schon an den ersten Worten des Reformentwurfs entzündet sich Streit. "Katalonien ist eine Nation", heißt es dort. Auch der sozialistische Abgeordnete Ramón Jáuregui ist gegen diese Definition:

    " Für die meisten Spanier gibt es eben nur eine Nation, und das ist Spanien. Das ist ein vielschichtiger Begriff, er hat auch eine juristische Bedeutung. Die Verfassung sieht den Terminus Nation nur für Spanien vor. Für mich ist Katalonien eine kulturelle Nation, mit einer eigenen Sprache, Kultur und Geschichte. Aber nach unserer Verfassung gibt es nur die spanische Nation, die aus mehreren Nationalitäten und Regionen besteht. Wir sollten kein Gerangel um diese Begriffe veranstalten. "

    Als Felipe González zu Beginn der neunziger Jahre seine absolute Mehrheit verlor, gewährte er den Regionen 15 Prozent der Einnahmen aus der Einkommenssteuer, um die Stimmen der katalanischen Nationalisten zu erhalten. José María Aznar erhöhte aus dem gleichen Grund diesen Prozentsatz in seiner ersten Amtszeit 1996 auf 35 Prozent. Mehr Autonomie fordern nicht nur Nationalisten in Katalonien, sondern auch die im Baskenland und Galicien. Doch nie wird dabei über das gesamte spanische Staatsgefüge debattiert, es geht immer nur um einzelne Regionen. Jáuregui sagt dazu:

    " Die Nationalisten haben tatsächlich diese Tendenz, sich kaum für den Staat als Ganzes zu interessieren. Ein Grund ist, dass wir keine Kammer haben, in der die Autonomen Regionen an den Gesetzgebungsverfahren, an den politischen Prozessen im Land beteiligt werden. Wir haben zwar eine föderale Struktur, aber diese Kammer fehlt. Deutschland mit seinem Bundesrat könnte hier ein gutes Beispiel für eine Reform unseres Senats sein. Wir wissen, es gilt Fehler zu vermeiden. So hat der übertriebene Einfluss der Bundesländer in den letzten Jahren dazu geführt, dass der Staat kaum regiert werden konnte. Eine Verfassungsreform bräuchte aber die Stimmen der Volkspartei. Und ihr sind derzeit überhaupt keine Gespräche, geschweige den Abkommen über solch grundsätzliche Fragen möglich. "