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Leidenschaftlicher Schreiber

Mit seinen Kinder- und Jugendbüchern hat der 1926 geborene James Krüss ganze Generationen von Kindern verzaubert. Rund 160 Romane, Erzählungen, Gedicht- und Bilderbücher sind seiner Feder entsprungen, darunter "Mein Urgroßvater und ich” und "Timm Thaler oder das verkaufte Lachen”. Am 2. August 1997 ist er auf Gran Canaria gestorben.

Von Birgit Fleischmann | 02.08.2007
    "Er heißt James Jakob Hinrich Krüss. Er wurde geboren am 31. Mai 1926 und er ist ein sehr berühmter Mann. Er ist Dichter und hat Bücher geschrieben."

    Die Schülerinnen der Klasse 5a der James-Krüss-Grundschule in Berlin-Tiergarten sind über den Namensgeber ihrer Einrichtung gut informiert. Die Berliner Schule war 1967 die erste von inzwischen acht deutschen Schulen, die sich nach James Krüss benannt haben.

    "Sobald ich lesen und schreiben konnte, und das ging sehr schnell, habe ich gelesen, und las, was mir unter die Finger kam. Ich kann mich erinnern, ich las mal so eine Broschüre oder ein Heft, das hieß 'Die große Liebe’. Und als meine Eltern das in die Finger bekamen, sagten sie: 'Um Gottes Willen, so ein Zeug.’ Aber ich las einfach, um zu lesen."

    Und so beschloss der junge Helgoländer, Dichter zu werden. Zunächst ging er, der älteste Sohn eines Elektrikers, jedoch an die Lehrerbildungsanstalt in Hamburg. Von dort meldete er sich im Spätsommer 1944 freiwillig zur Wehrmacht und war in den letzten Kriegsmonaten Soldat. Nach dem Krieg beendete er seine Ausbildung, aber der Lehrerberuf lag ihm nicht. Stattdessen schrieb er. Als James Krüss 20 Jahre alt war, erschien sein erstes Buch mit Gedichten und Legenden für Erwachsene. Doch schon bald konzentrierte sich der junge Mann ganz auf Kinder und Jugendliche als Lesepublikum. Bestärkt wurde er darin von Erich Kästner, seinem Freund und Vorbild. Krüss sah im Schreiben für Kinder eine Aufgabe, er glaubte daran, dass man Kindern menschliche Toleranz und ein moralisches Gewissen vermitteln kann:

    ""Wer für Kinder schreibt, der schreibt für das offenste, weiteste, neugierigste und undoktrinärste Publikum der Welt. Aber er schreibt auch – und das ist ein ganz besonderer Reiz – für die Erwachsenen von morgen. Er kann Einfluss nehmen. Er soll Künstler sein. Aber er darf auch Didaktiker sein.”"

    In den ersten zwei Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg änderte sich allmählich das gesellschaftliche Klima gegenüber Kindern und Jugendlichen. Es wurde ihnen mehr Freiheit und Selbstverantwortung zugestanden. Das zeigte sich auch in der Kinderliteratur. James Krüss war der bedeutendste Protagonist dieser Haltung. 1953 erschien sein erstes Bilderbuch "Hanselmann reist um die Welt”. Drei Jahre später "Der Leuchtturm auf den Hummerklippen” und 1960 "Mein Urgroßvater und ich”, für das er den Deutschen Jugendbuchpreis erhielt. In diesen Büchern, die auf Helgoland spielen, schuf Krüss eine bunte Gesellschaft von Geschichten erzählenden Charakteren: Der Urgroßvater, der ungezogene Wassermann Markus Marre, der Poltergeist "Hans im Netz” und die kluge Möwe Alexandra zogen in Tausende von Kinderzimmern ein.

    ""Mir hat mal ein kleines Mädchen geschrieben: 'In deinen Büchern kann man wohnen‘. Und das fand ich ein ungeheures Lob und daraus schließe ich, dass ich Bücher schreibe, in denen man sich behaglich einrichten kann.”"

    Rund 160 Romane, Erzählungen, Gedicht- und Bilderbücher sowie Hörspiele entstanden nach und nach. Krüss, der viel für den Rundfunk arbeitete, kam Mitte der 60er Jahre auch ins Fernsehen. Durch die Serie "James‘ Tierleben” wurde er einem größeren Publikum bekannt. In diesen Tier-Gedichten zeigte sich der virtuose Sprachkünstler.

    ""Die Biene Liane

    Die Biene Liane
    Fiel – plumps – in die Sahne
    Und strimpelt und strampelt
    Und himpelt und hampelt
    Und zappelt gar sehr
    In der Sahne umher."
    "

    In seinem Buch "Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen” griff der Autor ein ernstes Thema auf: Der Waisenjunge Timm schließt einen Pakt mit dem Teufel. Das Buch ist Krüss‘ bekanntestes; auch weil es als Spielfilm und Zeichentrickserie für das Fernsehen verfilmt wurde. 1968 erhielt James Krüss für sein Gesamtwerk die Hans-Christian-Andersen-Medaille, die höchste internationale Auszeichnung für Kinderliteratur. Als er 40 wurde, verließ der erfolgreiche Dichter Deutschland und zog zusammen mit seinem Lebenspartner wieder auf eine Insel – Gran Canaria. Dort starb der Sprachzauberer und Geschichtenerzähler James Krüss am 2. August 1997 im Alter von 71 Jahren.