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Leiharbeiter müssen warten

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit war noch bis vor kurzem das Credo von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Noch in dieser Legislaturperiode wollte sie eine Regelung für Zeitarbeiter treffen, damit diese genau so bezahlt werden wie die Stammbelegschaft. Nun hat sie anders entschieden.

Von Andreas Baum |
    Bis zum Herbst wird das Gesetzesprojekt erst einmal auf Eis gelegt. Eigentlich hatte die Bundesregierung versprochen, ein Gesetz zu schaffen, dass Leiharbeit gleichstellt gegenüber ihren fest angestellten Kollegen. Dieses Gesetz ist seit Jahren und Jahrzehnten eine Forderung der Gewerkschaften, weil dies die Ungerechtigkeit in vielen Betrieben beenden würde, in denen Zeitarbeiter direkt neben festangestellten tätig sind, die gleiche Arbeit verrichten, aber weniger Rechte und eine schlechtere Entlohnung bekommen.

    Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ist aber – wie die meisten Fachpolitiker in der Union – der Ansicht, dass Gesetze die Regelungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern nicht unterlaufen dürfen: Die Tarifautonomie ist CDU und CSU heilig. Ursula von der Leyen hat sich Anfang der Woche mit den Tarifparteien getroffen, mit Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und dem Chef des deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer. Das Fazit des Gespräches unter sechs Augen: Es sind inzwischen Regelungen getroffen worden in den Branchen Stahl, Chemie und Elektro, die – so sieht es die Ministerin, und so erklärt es auch ihre Sprecherin, Christina Wendt - ein Gesetz zur Gleichstellung von Leiharbeitern erst einmal unnötig werden lassen.

    ""Es gibt für die Zeitarbeiter Regelungen, die zum Vorteil der Zeitarbeiter sind. Es gibt andere Branchen, wo es Handlungsbedarf gibt. Man hat sich verständigt, die Monate bis November zu nutzen, im November wird entschieden, ob es Handlungsbedarf gibt oder nicht."

    Die Ministerin habe großen Respekt davor, was die Tarifparteien der Zeitarbeit vereinbart haben. Beispielsweise sollen die Löhne von Leiharbeitern stufenweise mit der Dauer des Einsatzes steigen, bei langen Einsätzen erreichen sie fast das Niveau der regulären Löhne, und diese Regelungen hätten, weil frei vereinbart, jetzt Vorfahrt. Das bedeutet aber nicht, dass das Gesetz damit vom Tisch wäre – es ist nur Zeit gewonnen für die anderen Branchen, in denen noch keine Regelungen getroffen wurden, dies nachzuholen.

    "Wenn Sozialpartner nicht in der Lage sind, eine Einigung herbeizuführen, muss es eine gesetzliche Regelung geben. Im Moment ist die Ministerin aber optimistisch, dass es in den anderen Branchen noch Regeln geben wird, Branchen, die mit gutem Vorbild vorangehen."

    Im Herbst soll ein Monitoring Klarheit schaffen: Die Frage ist, ob sich die Einigungen bewährt haben und ob auch diejenigen Arbeitgeber nachgezogen sind, die sich nicht an Tarifverträge gebunden haben. Ursula von der Leyen wird von der Opposition heftig für diese Entscheidung kritisiert. So wirft die Linkspartei ihr vor, sie stehle sich aus der politischen Verantwortung gegenüber den Leiharbeitern. Ihre wahre Absicht sei, den Grundsatz, dass alle in einem Betrieb gleich und fair entlohnt werden, zu verschleppen. Die getroffenen Einigungen in der Metall-, Chemie- und Elektro-Industrie würden als Feigenblatt benutzt. In anderen Branchen blieben so weiterhin unhaltbare Zustände für die Leiharbeit an der Tagesordnung.