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Leipzig 2012 – Spuren einer Bewerbung

Was wäre, wenn...? Ein beliebtes Spiel, das dieser Tage besonders in Mitteldeutschland einige Anhänger hat: Was wäre, wenn Leipzig tatsächlich den Zuschlag für die Olympia 2012 erhalten hätte? Dann würden Robert Harting und Co. jetzt nicht in London um Medaillen kämpfen, sondern in Sachsen. Die Pläne von Olympia verschwanden aber genauso schnell in der Schublade, wie sie entstanden waren. Ist dennoch etwas geblieben von Leipzigs Olympiatraum?

Von Maximilian Kuball | 04.08.2012
    Die Pumpen springen an, innerhalb kürzester Zeit fluten tausende Liter Wasser ein Betonbecken. Das Wasser schießt in den Wildwasser-Kanal des Kanuparks Markkleeberg, erzeugt Strudel und Wellen. Ein Mädchen von etwa 15 Jahren setzt sich in sein Kajak, macht vorne und hinten die Dichtungen fest und stürzt sich in den Slalom-Parcours. Der Nachwuchs des Deutschen Kanu-
    Verbands nutzt die Sommerferien zum Trainieren.

    "Der Wettkampfkanal, den wir jetzt gerade geflutet haben, [...] hat eine Länge von 270 Metern und entspricht damit eigentlich den olympischen Richtlinien für die Sportart Kanuslalom."

    Christoph Kirsten ist Manager des Kanuparks Markkleeberg vor den Toren Leipzigs. Seine Sportanlage ist eine der wenigen, die von Leipzigs Olympia-Traum übrigblieb. Sie wurde gebaut, obwohl die Spiele nicht nach Sachsen kamen. Heute wird die Bahn überwiegend von Touristen für Wildwasser- Rafting genutzt, ab und an kommen Kanuten zum Trainieren oder für
    Wettkämpfe hierher.

    Im Zentrum der Stadt findet sich ein weiteres Überbleibsel: In einer neuen Halle trainieren die Sportler der Bundesstützpunkte Judo und Leichtathletik. Ansonsten geht am Leipziger Sportforum alles wieder seinen ruhigen Gang, sagt Winfried Nowack vom örtlichen Olympiastützpunkt:

    "Meine eigentliche Tätigkeit hier als Leiter war vor der Bewerbung fast die gleiche wie danach: Wir betreuen die Athleten, die in Leipzig sich auf die Wettkampfhöhepunkte – nicht nur die Olympischen Spiele – vorbereiten. [...] Während der Bewerbung war natürlich die Arbeit allein emotional viel lichter, es war getragen von der Euphorie. Danach wurden Mittel zusammengestrichen, die während der Bewerbung schneller freigegeben wurden. Das ist dann schwerer geworden."

    Nach dem Aus im Mai 2004 verlor der Sport an Stellenwert, stattdessen eroberte die Kultur als Aushängeschild der Stadt verlorenes Terrain zurück.

    "Ich betrachte es immer wie so eine Sinuskurve: Erst kommt der Hype und danach fällt man in ein gewisses Loch. Und es sind sehr viele von dieser euphorischen Welle wieder abgesprungen, die eigentlich mit dem Sport nicht so viel zu tun haben und die Haltung zum Sport, auch zum Leistungssport, kehrte sich dann ins Negative um."

    Auch wenn sich Euphorie und Tatendrang der Bewerbungsjahre nicht dauerhaft konservieren ließen: Für Wolfgang Tiefensee, zur Zeit der Bewerbung Leipzigs Oberbürgermeister, ist das positive Vermächtnis der Olympia-Kampagne...

    "...die Erkenntnis, dass die Leipzigerinnen und Leipziger [...] zu Höchstleistungen, zu enormen Anstrengungen, zu einer unglaublichen Kreativität in der Lage sind, wenn es ein mittelfristiges, ein erreichbares Ziel gibt. Und diese Kraft, die ist bestimmt erhalten geblieben. Die schlummert
    vielleicht ein wenig jetzt, aber an die kann man anknüpfen."

    Zudem hat Leipzigs Infrastruktur enorm profitiert: Mit dem Geld des "Olympia-Sofortprogramms" vom Bund und vom Land wurden Straßen ausgebessert, Wohnungen saniert oder Straßenbahn-Gleise erneuert; insgesamt über 100 Millionen Euro wurden verbaut – Projekte, die man eh gemacht hätte und so vorziehen konnte, sagt die Stadt. So betonen sowohl Tiefensee als auch Winfried Nowack vom Olympiastützpunkt:Die Bewerbung um die Spiele hat sich gelohnt – zumal auch
    Leipzigs Bekanntheit gesteigert wurde:

    "Das ist immer schön, wenn man an internationalen Wettbewerben teilnimmt; dass die Welt weiß, Leipzig gibt es noch. Vor diesem Hintergrund hat es sich schon gelohnt, ohne dass man sagen kann, es sind hier in Leipzig außer den beiden Anlagen größere Marken hinterlassen
    worden. Das ist das Bedauerliche, aber [...] die Zeit war zu gering oder die Absage kam zu schnell, als das noch mehr hier entstehen konnte."