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Leipziger Karl-Marx-Relief demontiert

Mehr als 30 Jahre lang hatte das bronzene Karl-Marx-Relief "Der Aufbruch" seinen Platz an der Hauswand des Alma Mater- Hauptgebäudes der Leipziger Uni. Jetzt wurde es abmontiert – und keiner weiß so richtig wohin damit. Während die Zukunft des Monuments den Leipziger Studenten relativ gleichgültig ist, möchte der Schriftsteller und Ehrenbürger Erich Loest es am liebsten auf die Trümmer der Paulinerkirche am Stadtrand verbannen.

Von Christian Werner | 21.08.2006
    Universität Leipzig heute Morgen: Zwei riesige Kräne bauen sich vor dem Hauptgebäude der Alma Mater am Augustusplatz auf. Dort hängt seit 32 Jahren, seit 1974 das Relief "Der Aufbruch", besser bekannt als Karl-Marx-Relief. Jetzt hat für das pathetische Heroenmonument das letzte Stündlein geschlagen. Die Kräne heben die 33 Tonnen in Bronze gegossene DDR Geschichte von der Hauswand. Beaufsichtigt von Experten der Gießerei, in der das Relief vor über 30 Jahren gegossen wurde.

    Alles im Nieselregen unter den Augen zahlreicher Kamerateams, Fotografen und Reporter. Denn das Medieninteresse ist bei weitem größer als das der Studierenden. Katrin Holdefehr vom Uniradio Mephisto ist die einzige Studentin vor Ort und auch nur, weil sie einen Bericht produzieren muss. Sie selbst kann den Medienrummel um das Relief nicht verstehen.

    "Ich war relativ überrascht, dass es da im Vorfeld so einen Wind drum gab, weil mir ist es relativ egal, weil Karl Marx hat mit der Uni nicht mehr wirklich was zu tun, die Uni heißt nicht mehr so. Also ich denke, es ist ganz gut, dass es weg kommt."

    Damit steht sie vermutlich nicht alleine. Hannes Delto, Sprecher des Stura der Universität Leipzig, weiß, dass vielen Studierenden das Marx Relief völlig gleichgültig ist.

    "Es gibt halt Studierende, die halt überhaupt nichts mit dem Hauptgebäude beziehungsweise mit dem Hauptcampus zu tun haben. Die werden sich eher neutral gegenüber der ganzen Sache verhalten… also es muss nicht wieder aufgestellt werden, es ist mir relativ egal, ich interessiere mich nicht dafür. Es gibt aber auch Studierende, die sagen bzw. die schon davon ausgehen, dass es schon sehr wichtig ist, dass der Teil der Geschichte, der Universitätsgeschichte in irgendeiner Art und Weise in den Universitätskomplex Augustusplatz integriert wird."

    Auf größeres Interesse stößt der Abbau des Reliefs dann schon bei den älteren Leipzigern. Einige haben sich vor der Uni versammelt. Vielen Leipzigern war das Marx Monument ein Dorn im Auge. In den vergangenen 15 Jahren wurde immer wieder gefordert, das Relief abzubauen. Andere wiederum betrachten es heute als ein Stück Stadtgeschichte, welches in irgendeiner Form bewahrt werden sollte. Während die Kräne das Relief anheben, gehen die Meinungen über den Abbau auseinander.

    "Es geht ja nicht um die Person Karl Marx, es geht um die Ideologie, die dahinter steht. Der Marxismus Leninismus war halt mal die … auf der Verliererstrecke, nun wird es Zeit, dass das Monument verschwindet."

    "Es war ja praktisch ein Stück Leipzig. Die Zeit ist vorbei, aber trotzdem, wir haben uns ja so dran gewöhnt gehabt und es ist jetzt schwierig, also ein bisschen Wehmut ist schon mit dabei."

    "Also ich finde es eher schwierig, dass man noch nicht weiß, was daraus entstehen wird oder was damit passieren wird, dass es nur zwischen gelagert wird und mich beschäftigt jetzt mehr die Frage, wohin kommt es?"

    Genau um diese Frage wird in Leipzig zur Zeit auch heftig gestritten. Der Schriftsteller und Ehrenbürger der Stadt, Erich Loest, möchte es auf die Trümmer der Paulinerkirche am Stadtrand verbannt wissen. Ein Vorschlag der chancenlos scheint. Denn die Universität will mit dem Abbau die DDR-Vergangenheit nicht einfach entsorgen. Vielmehr wird das Relief vorläufig eingelagert, bis der neue Campus gebaut ist. Dann soll das Bronzemonument einen neuen Platz in Leipzig finden, so Rudolf Hiller von Gertringen, Kustus der Kunstsammlung der Universität.

    "Ich glaube die Position der Universität ist insgesamt so zusammenzufassen, dass es hier fußläufig in Innenstadtnähe aufgestellt werden soll. Das heißt also eine Absage an periphere Standorte. Wir sehen es als zeitgeschichtliches Dokument und sind eben der Ansicht, dass es dazu führt, sich mit der Zeit damals und den Realitäten auseinander zu setzen."

    Ob das wirklich geschehen wird, steht in den Sternen. Fachleute werden das Relief in den nächsten Tag in vier Teile zerlegen. Ende der Woche wird es erst einmal eingemottet in einem Lager - auf unbestimmte Zeit.