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Leipzigs "Coffee Baum"
Das Mekka der Kaffeesachsen

Kaffee gilt als das beliebteste Heißgetränk der Deutschen. Besonders bei den Sachsen. Friedrich der Große, so heißt es, verpasste ihnen im siebenjährigen Krieg den Spitznamen "Kaffeesachsen". Kein Wunder also, dass das zweitälteste Kaffeehaus Europas in Leipzig zu finden ist. Sein Name: "Zum Arabischen Coffe Baum". Bach war einst Stammgast, später kam auch Goethe gern.

Von Gisela Jaschik | 05.05.2016
    Eine Schaufel steckt in einem Kaffeesack.
    Kaffee wird im "Coffee Baum" nicht bloß getrunken, sondern zelebriert und gelebt. (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Goldumrandeter Hingucker in der Kleinen Fleischergasse in Leipzig ist eine barocke Plastik über dem Portal: Ein orientalischer Mann mit Turban ruht vor einem Kaffeestrauch und reicht einem engelsgleichen Knaben ein Schälchen Kaffee. Die Inschrift darüber lautet: "Zum Arabischen Coffe Baum". Der markante Hausname gilt als Kulturgeschenk des islamischen Orients an das christliche Abendland. Durch den schlauchartigen Flur zieht Kaffeeduft: Türschilder links und rechts: Schumannzimmer, Lehmannsche Stube, Kaisersaal. Gäste strömen herein, andere gehen. Im Weg steht, wer nicht spontan weiß, wohin. Kein Problem, sagt Beatrice Pohle. Gelassen balanciert die Kellnerin ein Tablett mit dampfenden Kaffeetassen über die Köpfe hinweg. Gedrängel ist hier normal:
    "Ja, stoßen aber nie zusammen."
    Allerdings:
    "Manchmal drehen wir wirklich am Rad. Aber das behalten wir dann für uns, in unserer kleinen Küche, und dann ist gut, sind wir dann irgendwann geübt. Gut, ich muss zum Gast."
    Johann Sebastian Bach war Stammgast
    In der Lehmannschen Stube sind dunkle Stühle um runde Tische gruppiert. Benannt ist die Kaffeestube im Erdgeschoss nach dem kurfürstlich-sächsischen und königlich-polnischen Hofchocolatier Johann Lehmann. Er ließ das schlichte viergeschossige Haus 1717 umbauen. Hinter dem Tresen hantiert Chefin Bettina Steffen geschickt mit mehreren Geräten zugleich, wie es scheint:
    "Das wird Mozart-Kaffee, ist mit Nougat-Likör, Espresso, Sahne und Mandeln. Ja, schmeckt sehr gut. Wir machen das schon 17 Jahre, wir sind da routiniert. Ist ja auch nicht jeden Tag so verrückt. Wo so viel zu tun ist, da muss man schon die Ruhe bisschen bewahren. Weil der Gast will ja ordentlich bedient werden. Nä, der lässt ja sein Geld hier."
    Wie schon vor Jahrhunderten. Johann Sebastian Bach war Stammgast, Robert Schumann traf sich hier mit Musikern zum Stammtisch. Felix Mendelssohn-Bartholdy, Richard Wagner, Lessing und Klopstock: unzählige Kultur- und Kunstschaffende kehrten ein. Kontakte wurden geknüpft, Neuigkeiten erfuhr man im Coffe Baum. Oder wie spricht man es eigentlich richtig aus? Ein vorbeieilender Kellner gibt freundlich Auskunft:
    "Coffebaum - ja ..."
    Durch das Hinterhaus windet sich eine uralte hölzerne Treppe nach oben. Vor 200 Jahren hatten Studentenverbindungen das erste Obergeschoss gemietet. "Gemütvolle Quetsche" steht im Zwischengeschoss über dem Türrahmen. Ein kleiner Tagungsraum. Bürgerlich gehobene Küche bietet das Restaurant Lusatia. Verwinkelte Räume, holzvertäfelte Wände, hölzerne Sprossenfenster. Café Francais und Wiener Café gehen ineinander über. Die Kellner haben alle Hände voll zu tun. Zwischen Touristengruppen aus Japan und den USA hat ein Ehepaar aus Leipzig Plätze ergattert:
    "War ja Goethe schon hier drin. Also hohe Tradition. Wir trinken immer Standard-Kaffee, also ganz normal. Oder Espresso. Toll, ich find das gerade für Leipzig eben schön – so den Kaffeekult und die Kaffeetassen und alles sowas. Und das Café find ich schön, das Wiener Café find ich auch sehr hübsch. Man muss auch schnell Plätze wechseln. Da sitzt keiner so ewig lange. Das geht eigentlich wirklich ganz gut. Auch diese Gasse hier, dieser kleine Treppenaufgang ist eben schön. Auch alles so krumm und schief, so richtig gemütlich eben. Passt zum Cafe."
    Längst vorbei allerdings die Zeiten, als illustre Stammgäste im Coffe Baum stundenlang philosophierten und politisch diskutierten. Ab 1742 übrigens auch beim frisch gezapftem Bier. Heute ist der Coffe Baum vor allem ein Touristenmagnet mit dem gewissen Etwas. Exotischer Blickfang ist das Arabische Cafe: liebevoll ausstaffiert mit bunten Decken und Kissen auf einem Diwan, messing-verzierten Tischen und Spiegeln. Vorbei an der winzigen Kaffeeküche des Dreiländer-Cafés führen knarrende schmale Stiegen beinahe geheimnisvoll nach ganz oben - in die Museums-Etage: Teil des stadtgeschichtlichen Museums Leipzig. Der Eintritt ist frei. Auf eigene Faust spazieren Besucher von Raum zu Raum. Hinter Vitrinen ist Vieles über die sächsische Kaffeekultur vergangener Jahrhunderte zu entdecken.
    "Ah, hier kommt noch mehr."
    Ausgestellt sind in insgesamt 15 Zimmern mehr als 500 Exponate: Von orientalischem Kaffeezubehör, bis zu kleinen Handröstern und Meissner Blümchenkaffee-Schalen. Besucher aus Wiesbaden sind mit Freunden hier:
    "Also, der Kaffee ist wirklich sehr lecker. Das ist super. Und wir wollen immer gern was Typisches probieren. Hier gibt's ja diese Lerche – haben wir probiert. Und die Schokolade. Und das Gebäude ist sehr schön. Die Geschichte hat uns interessiert. Das passt alles."
    Gäste begeistert das historische Ambiente des Hauses. Und wir machen das gern Beste draus, sagt Bettina Steffen, während sie weitere raffinierte Kaffee-Varianten des Coffe Baums zubereitet: "August der Starke" mit Sahnehäubchen und die Cafe-Symphonie im Glas:
    "Ja, das ist bisschen eng bei uns. Wir haben noch 'ne Terrasse, und wenn die Leute dann hier ihren Kuchen aussuchen.Und die Küche ist hinten, wir müssen dann immer durch. Die Arbeitsbedingungen sind nicht ideal."
    Aber dafür einmalig. Beinahe wie vor rund 300 Jahren also, als der Coffe Baum sich allmählich zum Künstler- und Kulturtreff entwickelte?
    "So ungefähr. Bloß, wir haben uns gut gehalten, nä?"
    Und: unbedingt erwähnenswert:
    "Wir sind ein weltoffenes Haus, nä?! Genau!"