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Leipzigs umstrittener Twitter-Prof.
Wie wird man einen Professor los?

Mit rassistischen Äußerungen und Tweets hat Thomas Rauscher, Professor an der Universität Leipzig, für Wirbel gesorgt. Ein Boykott seiner Vorlesungen war die Folge. Für die Hochschule sei es gar nicht so einfach, das Verhalten des Professors disziplinarrechtlich zu ahnden, sagt Wolfgang Löwer, Wissenschaftsrechtler an der Uni Bonn.

Wolfgang Löwer im Gespräch mit Manfred Götzke |
    Studierende der Universität Leipzig protestieren auf dem Campus der Universität in Leipzig gegen Rassismus, Sexismus, Islamophobie und Homophobie.
    Studierende der Universität Leipzig protestieren auf dem Campus der Universität in Leipzig gegen Rassismus, Sexismus, Islamophobie und Homophobie. Anlass: Thomas Rauscher (Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa)
    Manfred Götzke: Ein weißes Europa brüderlicher Nation: für mich ein wunderbares Ziel! – Das ist jetzt nicht meine Meinung, sondern die des Leipziger Juraprofessors Thomas Rauscher bei Twitter. Da war unter anderem auch zu lesen: Es gibt keinen friedlichen Islam, Dschihad ist der Auftrag dieser Leute. – Seit letzter Woche sorgt der Professor mit solchen rassistischen Äußerungen und Tweets für Wirbel und für Protest, mal wieder, muss man sagen, denn solche Äußerungen Thomas Rauschers sind nicht ganz neu. Letzte Woche wurde eine seiner Lehrveranstaltungen boykottiert und heute lief in Leipzig eine Demonstration gegen den Professor.
    Dieses Verfahren, diese dienstrechtlichen Konsequenzen, die überprüft werden, das alles kann sich noch hinziehen, das kann dauern. Aber wie eng wird es für Thomas Rauscher? Beurteilen kann das sehr gut Wolfgang Löwer, er ist Wissenschaftsrechtler an der Universität Bonn. Herr Löwer, ist ein Juraprofessor, der sich in dieser Weise äußert, für eine Universität noch tragbar?
    Wolfgang Löwer: Sie können die Frage anders formulieren: Könnte sich eine Universität von ihm lösen? Denn wenn sie sich nicht von ihm lösen kann, muss sie ihn tragen. "Tragbar" ist eine Vokabel mit einer moralischen Wertung, bei der ich sagen würde, solche Äußerungen sind unverständlich und jenseits dessen, was ich mir als sinnvolle Meinungsäußerung vorstellen kann.
    Zu Zurückhaltung verpflichtet
    Götzke: Dann kommen wir doch zu der zweiten Frage, die Sie aufgeworfen haben! Kann sich die Universität – Leipzig ist es ja in diesem Fall – von diesem Professor lösen, kann sie ihn loswerden?
    Löwer: Ich unterstelle jetzt erst einmal – weil, das wissen wir beide natürlich nicht –, dass er beamteter Professor ist. Als beamteter Professor ist er ja bei politischer Betätigung zu Mäßigung und Zurückhaltung verpflichtet, und zwar zu einer Zurückhaltung, die sich aus seiner Stellung zur Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten des Amtes ergibt. Und dass es da einen Konflikt gibt bei dem Inhalt der Äußerungen, kann man ja an den studentischen Reaktionen durchaus erkennen, die man, anders als in anderen Fällen, die wir schon gehabt haben, natürlich auch irgendwie nachvollziehen kann, dass die jungen Leute diese Äußerungen für unzumutbar schräg halten. Aber ich kann mich ja nur disziplinarisch mit ihm auseinandersetzen, wenn er die geforderte Mäßigung und Zurückhaltung nicht wahrt. Das steht natürlich immer in einem Konflikt auch zur Meinungsfreiheit bei einem Beamten. Wenn er ein parteipolitisches Amt hat wie zum Beispiel Herr Professor Meuthen, dann ist natürlich klar, dass sich die Parteitätigkeit mit der Diensttätigkeit nicht vermischen darf. Das ist nun bei Rauscher hier nicht der Fall, der ist nicht parteipolitisch tätig, sondern ihn trifft die Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht bei seiner Meinungsäußerung. Und da ist ein wichtiger Punkt, dass der Professor, sich äußernd bei Twitter oder sonst wo, sich nicht unter Rückgriff auf seine Amtsautorität äußert.
    Mäßigungsklausel nicht evident angesprochen
    Götzke: Also er schreibt nicht unter "Professor Thomas Rauscher".
    Löwer: Er schreibt nicht unter "Professor". Wenn er unter "Professor" schriebe, dann würde er seine Amtsautorität für die Äußerung in Anspruch nehmen. Und dann könnte man sie beamtenrechtlich, disziplinarrechtlich relativ strikt würdigen. Das tut er aber nicht, sondern er schreibt offenbar, soweit ich das überblicken kann, unter "Thomas Rauscher", und nicht unter "Professor Thomas Rauscher". Insofern ist also diese Mäßigungsklausel nicht evident angesprochen. Dann kann man fragen, ob das vielleicht auch strafrechtlich relevant ist, das muss ich Staatsanwälten überlassen, was er da so sagt, Volksverhetzung ist ja immer so ein Begriff, der in die Nähe kommen könnte, aber davon verstehe ich nichts.
    Götzke: Also würden Sie sagen, es gibt keine Handhabe für die Universität, da disziplinarrechtlich was zu machen, weil er vielleicht auch so klug ist, nicht unter "Professor Thomas Rauscher" zu schreiben?
    Löwer: Das erschwert die disziplinarrechtliche Ahndung, dass er nicht unter Inanspruchnahme seines Amtsornates schreibt. Natürlich können Äußerungen eine Intensität erreichen, die das Mäßigungsgebot auch ohne diese Inanspruchnahme der Amtsstellung verletzt erscheinen lässt, aber es muss natürlich ein Dritter an sich erkennen können, dass ein Beamter sich äußert. Bei einer gewissen Prominenz wird man vielleicht annehmen, dass die Öffentlichkeit diese Amtsstellung kennt. Ob das bei Herrn Rauscher der Fall ist, ich glaube nicht, aber weiß ich nicht.
    Mögliche disziplinarische Konsequenzen?
    Götzke: Gut, Sie deuten schon an, es wird sehr, sehr schwierig, da was zu machen. Aber schauen wir uns doch mal mögliche disziplinarische Konsequenzen an! Also würde da nur die Entlassung eine Option sein oder gibt es da auch so was im Arbeitsrecht wie eine Abmahnung?
    Löwer: Ja, es gibt natürlich im Disziplinarrecht auch die Gehaltskürzung und es gibt auch so was wie die Abmahnung, heißt glaube ich im Disziplinarrecht "Rüge". Das kann man machen. Die Dienstentlassung kommt natürlich ohne strafrechtliches Verhalten so schnell nicht in Betracht. Aber natürlich, bei beharrlicher Verweigerung der Pflichterfüllung kommt auch diese dann irgendwann in Betracht.
    Götzke: Was würden Sie der Universität empfehlen zu tun?
    Löwer: Das ist schwierig. Ich würde jedenfalls, glaube ich, ein Disziplinarverfahren eröffnen. Ob es dann Erfolg haben kann, ist eine andere Chose. Aber das kann ich auch erst wissen, wenn ich das Disziplinarverfahren betreibe. Also ich würde schon aus Gründen der Demonstration, dass man so einen Vorgang für gravierend hält, ihn … also ein Disziplinarverfahren eröffnen.
    Vorlesungsboykotte
    Götzke: Es gab ja in der vergangenen Woche schon Boykotte seiner Veranstaltungen, das geht jetzt auch weiter vermutlich. Was würde das denn bedeuten, wenn Studierende gar nicht mehr in seine Veranstaltungen kommen, auch aus Protest? Hat das auch keine Konsequenzen, dass seine Veranstaltungen boykottiert werden? Also für seine Position?
    Löwer: Ja, ich meine, Sie haben möglicherweise gelesen, was Albrecht Schöne noch aus seinen Erinnerungen, also der Germanist, vorgetragen hat zu Vorlesungsboykotten. Also Vorlesungsboykotte können ja aus sehr unterschiedlichen Gründen stattfinden, sie können selbst ideologisch hoch belastete, von Minderheiten initiierte Veranstaltungen sein, gegen die sich auch eine Mehrheit der Studierenden gar nicht durchsetzen kann. Und Boykotte können auch ein sinnvolles Zeichen dafür sein, dass der Professor die nötige Zurückhaltungspflicht und Mäßigungspflicht offensichtlich verletzt. Für die Universität resultiert daraus erst einmal die Pflicht, das Studienangebot sicherzustellen, weil sie den Studierenden ja ein zumutbares Angebot machen muss. Und wenn sie das flächendeckend aus solchen Gründen nicht annehmen, dann würde ich als Dekan dafür sorgen, dass ein Ersatzspieler, ein Einwechselspieler die Übung im BGB, oder worum es da geht, halten würde. Also der Konflikt ja auch für die Studierenden muss ja irgendwie gelöst werden. Wenn sie den für unzumutbar halten aus Gründen, die nicht eine Minderheitenposition ist, die sich unzulässig weit Geltung verschaffen will, sondern wenn das aus nachvollziehbaren Gründen geschieht, hat die Universität ein Problem, den ordnungsgemäßen Studienbetrieb sicherzustellen.
    Götzke: Herr Löwer, vielen Dank für das Gespräch!
    Löwer: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.