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Leise rieselt der Kalk

Der Ozean ist der größte Speicher des Treibhausgases Kohlendioxid weltweit. Dabei spielen winzige Algen eine ganz entscheidende Rolle. Kieler Wissenschaftler haben sich jetzt mit einer Methode beschäftigt, dem weltweiten Treibhauseffekt entgegenzuwirken. Im Mittelpunkt ihrer Forschungen steht dabei die so genannte Kalkalge.

Von Jens Wellhöner |
    Die Nordsee, weit vor der norwegischen Küste. Die Wasserfläche dehnt sich fast endlos bis zum Horizont. Aber statt tiefblau leuchtet das Meer in diesen Tagen weißgrau. Das ist keine optische Täuschung sondern das Werk mikroskopisch kleiner Lebewesen im Wasser: Sie leben dicht unter der Wasseroberfläche. Und produzieren Kalk. Daher auch ihr Name "Kalkalge". Kai Schulz, Biologe am Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften:

    Ja, es gibt wirklich so genannte Blüten von Kalkalgen im Ozean, in denen sie große Zahlen erreichen können. Dann wird das Meer auch etwas milchig, durch die Reflexion des Lichtes.

    Unter dem Elektronenmikroskop sehen diese Algen häufig so aus wie zerfledderte Fußbälle. Ihre Zellwände sind über und über von Kalkplättchen bedeckt, die scheinbar wild übereinander liegen. Warum die Pflanzen Kalk bilden, ist noch unbekannt. Aber eines ist sicher: Sie spielen eine wichtige Rolle im Kohlendioxid-Haushalt des Ozeans. Kai Schulz:

    Mann kann das als umgekehrte Photosynthese betrachten. Weil während der Photosynthese Kohlendioxid von den Algen aufgenommen wird. Während bei der Kalkbildung CO2 ins Wasser freigesetzt wird, und das dann in die Atmosphäre entweichen kann.

    Die Pflanzen im Ozean, also auch die Kalkalgen, sind der größte Speicher des Treibhausgases Kohlendioxid weltweit. Aber durch ihre Kalkproduktion entziehen die Algen dem Wasser Mineralien. Gleichzeitig steigt dabei der Anteil von Kohlendioxid im Meer. So wird der Treibhausgas-Speicher voller und voller. Übersteigt der CO2-Gehalt im Ozean einen gewissen Punkt, läuft der Speicher quasi über. Und das Gas wird in die Atmosphäre abgegeben. Und würde den Treibhauseffekt verstärken. Wenn es im Ozean nicht auch ein anderes Phänomen gäbe. Ausgelöst durch das Wasser aus großer Tiefe:

    Das Tiefenwasser, das CO2-arm ist, gelangt in 500 bis 1000 Jahren wieder an die Oberfläche, vermischt sich dann mit dem Oberflächenwasser. Und dieses Oberflächenwasser kann dann verehrt CO2 wieder aus der Atmosphäre aufnehmen.

    Aber trotzdem: Durch den menschlichen Einfluss steigt der CO2-Anteil im Wasser ständig an. Die Speicherfähigkeit des Wassers nimmt gleichzeitig immer mehr ab. Doch die Kieler Wissenschaftler haben die Wirkung eines Minerals erforscht, das diesen Vorgang abschwächen könnte: Zink. Biologie-Professor Ulf Riebesell:

    Zink und alle anderen Schwermetalle wie Eisen werden in den Ozean durch Staub eingetragen. Der Staub kommt aus Wüstengebieten, wird mit Wind über den Ozean gefegt und trägt dann diese Schwermetalle in den Ozean ein.

    Und Zink wirkt auf die Kalkalgen wie ein Wachstumshormon. Je mehr sie von diesem Mineral aufnehmen, desto schneller wachsen sie. Je schneller sie wachsen umso weniger Zeit haben die Algen, Kalk zu bilden. Und wenn sie weniger Kalk bilden, kann auch der CO2-Gehalt im Wasser nicht mehr so stark steigen. Ulf Riebesell:

    Die Konsequenz daraus ist, das der Ozean mehr CO2 speichern kann. Im Hinblick auf die CO2-Emissionen, die wir heute haben, ist das eigentlich eine positive Entwicklung. Der Ozean nimmt mehr von dem CO2, das wir freisetzen auf, und wirkt dem Treibhauseffekt leicht entgegen.

    Aber der Kieler Forscher dämpft gleichzeitig die Hoffnung auf eine neue Wunderwaffe gegen den Klimawandel. Jetzt massenhaft Zink in die Ozeane zu streuen, wäre der falsche Weg:

    Wir verstehen das Ökosystem Ozean überhaupt nicht hinreichend genug um sagen zu können, wenn wir diesen einen Parameter verändern, dann wird das und nur das geschehen. Das heißt, wir könnten mit irgendwelchen massiven Eingriffen, wie zum Beispiel großflächig Zink einzuführen in den Ozean, könnten wir auch eine Menge andere Dinge, möglicherweise zum Negativen in Bewegung setzen, die wir im Moment nicht vorhersehen können.

    Außerdem wäre die Wirkung eines künstlichen Zinkeintrags in den Ozean bei den aktuellen Emissionen auch zu gering. An einer Reduzierung der Abgase aus Industrie und Verkehr wird die Menschheit also nicht herumkommen.