Katja Lückert: Was war der Sonderbund eigentlich und was zeichnete die Sonderbund-Ausstellung aus, deren 100. Jubiläum das Kölner Wallraf-Richartz-Museum in diesem Jahr begeht? War sie die erste Ausstellung modernen Zuschnitts? Mit all den Zutaten, die uns heute noch erwarten, wenn wir ins Museum gehen - wie Ausstellungskatalog und Museumscafé? Mit rund 650 Ausstellungsstücken war sie zumindest die damals wichtigste Präsentation moderner europäischer Kunst in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg.
1909 wurde der Sonderbund westdeutscher Kunstfreunde und Künstler in Düsseldorf gegründet, unter ihnen so prominente Mitglieder wie August Macke und Karl Ernst Osthaus, der Mitbegründer des Folkwang-Museums. Vier Ausstellungen kuratierte der Bund und die letzte legendäre Sonderbund-Ausstellung fand vor 100 Jahren in Köln statt.
Christiane Vielhaber, wie steht es nun um das Rekonstruktionsbemühen des Wallraf-Richartz-Museums, wie viel ist von der ursprünglichen Ausstellung von 1912 zu sehen?
Christiane Vielhaber: Da kann ich nur meinen Hut ziehen vor der Kuratorin Barbara Schäfer, die in den letzten drei Jahren recherchiert hat und nach zwei Weltkriegen geguckt hat, wo vieles verbrannt, verschollen ist, was können wir eigentlich noch zeigen, zumal ihr klar war, wir zeigen nicht, wenn von Cézanne da mal zwei Stillleben mit Äpfeln da waren, wo aber diese Tischdecke da war, dann wollen wir nicht eins, wo diese Tischdecke nicht drauf ist, sondern sie wollte ganz bewusst Werke holen, die damals in dieser Ausstellung waren, und das ist ihr gelungen bei mehr als 150 Werken.
Sie hat darauf verzichtet, Kunstgewerbe mit reinzunehmen, weil erstens gab es damals sowieso den Katalog erst, als die Ausstellung fast zu Ende war, es gab keine Größenangaben, keine Maße, kein gar nichts, und wenn, dann stand Silberbesteck, dann weiß man heute nicht mehr, was das war. Also hat sie das rausgelassen und hat sich darauf konzentriert, was damals wichtig war, und entscheidend war an dieser Ausstellung, dass man die Väter, also einmal Gott Vater, der moderne van Gogh, der mit zig Werken in der ersten Ausstellung von 1912 vertreten war, der hier auch mit mehreren Werken vertreten ist, und Cézanne und Gauguin, also dass man diese Väter hatte und dass man dann von allem, von dem Blauen Reiter, der nicht als Gruppe auftreten durfte, von den rheinischen Expressionisten, die auch nicht als Gruppe auftreten durften, genau wie Die Brücke, dass man von all diesen Künstlern doch wenigstens ein, zwei exemplarische Werke holen konnte, um jetzt zu zeigen, was zeichnete diese Ausstellung aus.
Lückert: Das Nachspielen einer damals erfolgreichen Ausstellung – ist da der Erfolg gewissermaßen schon vorprogrammiert?
Vielhaber: Noch nicht mal. Diese Ausstellung war damals auch kein Erfolg. Sie war nur für die, die eh schon katholisch waren. Das waren auch Kuratoren und Museumsdirektoren aus dem In- und Ausland. Die deutsche Presse, speziell die kölnische Presse, die haben also wirklich die Hände vorm Kopf zusammengeschlagen und haben gesagt, das darf doch nicht wahr sein, so kann man doch heute nicht malen, zerfetzte Körper, und wie ist das mit den Farben und keine klassische Form mehr.
Das nicht! Aber der Versuch ist gemacht worden zu zeigen, wie damals auch ein Blockbuster funktioniert hat. Sie müssen sich mal vorstellen, dass man eine Corporate Identity hat, es gab also einen Düsseldorfer Grafiker, der eine Typologie, eine Schrift erfunden hatte, die überall auftauchte. Die war am Bahnhof, die war auf den Straßenbahnen, die waren in den Grünflächen von Köln, die waren an den Anlegestellen von den Dampfern, dass jeder sofort wusste, da ist was los. Und es gab zum Beispiel, was Sie auch erwähnt haben, eine Cafeteria. In der Ausstellung ist ein kleiner Raum diesen Fotos von dieser alten Ausstellung gewidmet, und da steht dann damals schon "nicht rauchen".
Lückert: Die Sonderbund-Schau wird ja so als wegweisendes Ereignis der deutschen Kunstgeschichte beschrieben, wie manche Documenta. Was gäbe es da noch Vergleichbares?
Vielhaber: Vergleichbar – das war der Ausgangspunkt. Ein Jahr später fand die Armory Show in New York statt, und das war wirklich Ausgangspunkt, dass die Kuratoren irgendwie bei der Vorbereitung gar nicht (also nicht für diese Ausstellung) gesehen hat, wie die Amerikaner gesagt haben, das ist das große Vorbild. Wenn Sie jetzt durch die Ausstellung gehen, oder mir ist das so gegangen, dann denken Sie, mein Gott, das ist ein Kessel Buntes, da ist so viel, ob das jetzt norwegische Kunst ist, oder österreichische Kunst, oder Kunst aus Ungarn, wo Sie sagen, wo sind die heute geblieben.
Aber im Grunde genommen war diese Ausstellung auch so was wie eine Messe, wie eine Leistungsschau der zeitgenössischen Kunst. Es wurde auch von dieser Ausstellung verkauft, wie das heute auch bei Messen üblich ist. Es gab zwar eine Jury, es ging jetzt nicht um einen Qualitätsmaßstab, sondern um zu zeigen, da kommen wir her, da kommen die zeitgenössischen Künstler her, und was haben sie daraus gemacht. Und dann können Sie natürlich sehen, dass van Gogh ein Vorbild war, dass Cézanne mit seinen Farbflächen ein Vorbild war und dass man auch so mutig war, zum Beispiel von Picasso, der schon am Anfang seiner kubistischen Phase war, dass man ihm auch einen Raum mit vielen Bildern zur Verfügung gestellt hat. Also die haben schon gewusst, teilweise, was gut ist, denn die, die gut waren, sind heute auch noch gut.
Lückert: Christiane Vielhaber war das über die Sonderbund-Ausstellung 1912 - nun im Kölner Wallraf-Richartz-Museum neu aufgelegt.
1909 wurde der Sonderbund westdeutscher Kunstfreunde und Künstler in Düsseldorf gegründet, unter ihnen so prominente Mitglieder wie August Macke und Karl Ernst Osthaus, der Mitbegründer des Folkwang-Museums. Vier Ausstellungen kuratierte der Bund und die letzte legendäre Sonderbund-Ausstellung fand vor 100 Jahren in Köln statt.
Christiane Vielhaber, wie steht es nun um das Rekonstruktionsbemühen des Wallraf-Richartz-Museums, wie viel ist von der ursprünglichen Ausstellung von 1912 zu sehen?
Christiane Vielhaber: Da kann ich nur meinen Hut ziehen vor der Kuratorin Barbara Schäfer, die in den letzten drei Jahren recherchiert hat und nach zwei Weltkriegen geguckt hat, wo vieles verbrannt, verschollen ist, was können wir eigentlich noch zeigen, zumal ihr klar war, wir zeigen nicht, wenn von Cézanne da mal zwei Stillleben mit Äpfeln da waren, wo aber diese Tischdecke da war, dann wollen wir nicht eins, wo diese Tischdecke nicht drauf ist, sondern sie wollte ganz bewusst Werke holen, die damals in dieser Ausstellung waren, und das ist ihr gelungen bei mehr als 150 Werken.
Sie hat darauf verzichtet, Kunstgewerbe mit reinzunehmen, weil erstens gab es damals sowieso den Katalog erst, als die Ausstellung fast zu Ende war, es gab keine Größenangaben, keine Maße, kein gar nichts, und wenn, dann stand Silberbesteck, dann weiß man heute nicht mehr, was das war. Also hat sie das rausgelassen und hat sich darauf konzentriert, was damals wichtig war, und entscheidend war an dieser Ausstellung, dass man die Väter, also einmal Gott Vater, der moderne van Gogh, der mit zig Werken in der ersten Ausstellung von 1912 vertreten war, der hier auch mit mehreren Werken vertreten ist, und Cézanne und Gauguin, also dass man diese Väter hatte und dass man dann von allem, von dem Blauen Reiter, der nicht als Gruppe auftreten durfte, von den rheinischen Expressionisten, die auch nicht als Gruppe auftreten durften, genau wie Die Brücke, dass man von all diesen Künstlern doch wenigstens ein, zwei exemplarische Werke holen konnte, um jetzt zu zeigen, was zeichnete diese Ausstellung aus.
Lückert: Das Nachspielen einer damals erfolgreichen Ausstellung – ist da der Erfolg gewissermaßen schon vorprogrammiert?
Vielhaber: Noch nicht mal. Diese Ausstellung war damals auch kein Erfolg. Sie war nur für die, die eh schon katholisch waren. Das waren auch Kuratoren und Museumsdirektoren aus dem In- und Ausland. Die deutsche Presse, speziell die kölnische Presse, die haben also wirklich die Hände vorm Kopf zusammengeschlagen und haben gesagt, das darf doch nicht wahr sein, so kann man doch heute nicht malen, zerfetzte Körper, und wie ist das mit den Farben und keine klassische Form mehr.
Das nicht! Aber der Versuch ist gemacht worden zu zeigen, wie damals auch ein Blockbuster funktioniert hat. Sie müssen sich mal vorstellen, dass man eine Corporate Identity hat, es gab also einen Düsseldorfer Grafiker, der eine Typologie, eine Schrift erfunden hatte, die überall auftauchte. Die war am Bahnhof, die war auf den Straßenbahnen, die waren in den Grünflächen von Köln, die waren an den Anlegestellen von den Dampfern, dass jeder sofort wusste, da ist was los. Und es gab zum Beispiel, was Sie auch erwähnt haben, eine Cafeteria. In der Ausstellung ist ein kleiner Raum diesen Fotos von dieser alten Ausstellung gewidmet, und da steht dann damals schon "nicht rauchen".
Lückert: Die Sonderbund-Schau wird ja so als wegweisendes Ereignis der deutschen Kunstgeschichte beschrieben, wie manche Documenta. Was gäbe es da noch Vergleichbares?
Vielhaber: Vergleichbar – das war der Ausgangspunkt. Ein Jahr später fand die Armory Show in New York statt, und das war wirklich Ausgangspunkt, dass die Kuratoren irgendwie bei der Vorbereitung gar nicht (also nicht für diese Ausstellung) gesehen hat, wie die Amerikaner gesagt haben, das ist das große Vorbild. Wenn Sie jetzt durch die Ausstellung gehen, oder mir ist das so gegangen, dann denken Sie, mein Gott, das ist ein Kessel Buntes, da ist so viel, ob das jetzt norwegische Kunst ist, oder österreichische Kunst, oder Kunst aus Ungarn, wo Sie sagen, wo sind die heute geblieben.
Aber im Grunde genommen war diese Ausstellung auch so was wie eine Messe, wie eine Leistungsschau der zeitgenössischen Kunst. Es wurde auch von dieser Ausstellung verkauft, wie das heute auch bei Messen üblich ist. Es gab zwar eine Jury, es ging jetzt nicht um einen Qualitätsmaßstab, sondern um zu zeigen, da kommen wir her, da kommen die zeitgenössischen Künstler her, und was haben sie daraus gemacht. Und dann können Sie natürlich sehen, dass van Gogh ein Vorbild war, dass Cézanne mit seinen Farbflächen ein Vorbild war und dass man auch so mutig war, zum Beispiel von Picasso, der schon am Anfang seiner kubistischen Phase war, dass man ihm auch einen Raum mit vielen Bildern zur Verfügung gestellt hat. Also die haben schon gewusst, teilweise, was gut ist, denn die, die gut waren, sind heute auch noch gut.
Lückert: Christiane Vielhaber war das über die Sonderbund-Ausstellung 1912 - nun im Kölner Wallraf-Richartz-Museum neu aufgelegt.