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Lernen in digitalen Zeiten

Die Bibliothek in der Hosentasche, Vokabellernen am Computer und Informationsrecherche im Internet. In Berlin läuft derzeit die weltweit größte Messe zum Thema E-Learning, die "Online Educa". Sie informiert über die neusten Lern-Trends im digitalen Zeitalter.

Von Andre Zantow | 02.12.2010
    "Ich bin jetzt gerade in der Neurologie und habe die Liste der wartenden Patienten vor mir. Aus der Liste wähle ich jetzt einfach mal die Patientin Katrin Jahn aus. Die steht ganz oben auf der Liste."

    Axel bittet die Patientin Katrin Jahn in sein Behandlungs-Zimmer. Axel ist aber kein Arzt. Der junge Mann sitzt an einem Bildschirm und testet eine Lernsoftware für Mediziner. Nur ein Beispiel für modernes Lernen auf der Online Educa Berlin. Über 90 Aussteller sind auch in diesem Jahr wieder gekommen, um bei der wichtigsten internationalen Messe für E-Learning dabei zu sein. Noch bis morgen diskutieren hier Experten über die neusten Entwicklungen im elektronischen Lernen.

    Unter ihnen ist auch Larry Johnson. Der Wissenschaftler gilt als Trend-Papst in dem Bereich. Jedes Jahr gibt er den "Horizon Report" heraus indem er die wichtigsten Technologien zum Lernen für die nächsten 5 Jahre vorhersagt. Im nächsten Jahr so prophezeit Johnson liegen so genannte Smartphones ganz weit vorn. Also Handys die viel mehr können als telefonieren. Wie die in der Hochschulbildung genutzt werden können, zeigt ein Beispiel aus den USA.

    "Ich kenne zwei Universitäten, die jedem ihrer Studenten ein iPhone gegeben haben. Damit ist jeder auf dem Campus immer verbunden mit dem Internet. Kann jederzeit auf alle Daten zugreifen und kommunizieren. Niemand muss mehr in die Bibliothek gehen oder ins Computer-Kabinett. Damit sind alle Informationen sofort in der eigenen Lernsituation verfügbar.
    Ich sage öfter: Ins Internet gehen wird wie atmen. Es ist so leicht – Wenn du die Information brauchst, guckst du einfach nach."

    Die ganze Bibliothek in der Hosentasche. Tag und Nacht. Dieses zeitunabhängige Lernen ist ein großer Vorteil des E-Learning. Auch Armin Hopp nutzt das mit seiner Firma "digital publishing".

    Der Firmenchef bietet Internet-Sprachkurse an, für Mitarbeiter von weltweit agierenden Unternehmen.

    "Wir machen relativ viel in China. Für Automobilzulieferer hauptsächlich. Und die haben ganz klar das Problem, dass die vielleicht noch die Sprache lernen aber sie nicht sprechen. Die können einfach mit ihrem Lautsystem nicht mit den westlichen Sprachen umgehen. Da ist eine Spracherkennungssoftware sehr hilfreich. Weil da kann man sich so lange hinsetzen wie man will. Nicht nur die 10 Minuten, die man von dem Trainer bekommt."

    So lange man will, wann man will und wo man will – So sind die personalisierten Sprachkurse von Armin Hopp. Und bei Problemen schaltet sich per Videoschalte auch ein Trainer aus Fleisch und Blut dazu. Somit könnten Abendkurse an der Volkshochschule bald aussterben.
    Wenn es nicht einige Kritiker des elektronischen Lernens geben würde.

    "Aus meiner Sicht ist E-Learning in der Hinsicht tot, als dass nicht die damit verbundenen Versprechungen, noch die Erfolgsmeldungen erbracht worden sind, die notwendig sind, um zu sagen: E-Learning lebt und ist erfolgreich."

    Martin Wolpers ist Ingenieur am Frauenhofer Institut. Für ihn hat E-Learning noch keine messbare Lernverbesserung gebracht. Mit der neuen Technik lernt man nach seiner Auffassung weder schneller noch besser. Im Gegenteil: Es wurde viel Geld unnütz ausgeben. Lediglich die Methoden sind vielfältiger geworden.
    Trotzdem ergeben sich für Wolpers durch E-Learning große Chancen. Denn erstmalig ist es möglich, dass jeder eine für sich passende Lernmethode nutzen kann.

    "Es muss also geguckt werden welche Technologie eignet sich für das pädagogische Konzept. Wie kann dafür gesorgt werden, dass Technologien - für bestimmte Zielgruppen erfolgversprechend eingesetzt werden können. In welchen Lernsituationen, in welchen Szenarien, in welchen Kontexten."

    Gutes E-Learning so glaubt Wolpers ist individuell, aber vor allem unsichtbar. Denn die beste Technik, ist die, die man nicht bemerkt.