Manfred Götzke: Die einen studieren, die einen Studenten lernen und lernen bis spät in die Nacht und bestehen ihre Klausuren nur knapp, die anderen gehen fünfmal die Woche feiern und schreiben Bestnoten. Klar, es gibt Lernglückskinder und natürlich auch Leute, die mehr Zeit brauchen, aber eigentlich sollte sich Lernaufwand doch auszahlen. Aber nein, die Welt ist hart und ungerecht, jedenfalls wenn man der Studie des Hamburger Hochschulforschers Rolf Schulmeister glaubt. Der hat Hunderte Studenten Lerntagebücher führen lassen und nachgeschaut, wie sie in ihren Prüfungen abgeschnitten haben. Und das Ergebnis: Die Leute, die am wenigsten Zeit fürs Lernen aufgewandt haben, die hatten meist die besten Prüfungsergebnisse. Herr Schulmeister, ist Ihre Studie eine Aufforderung zur Faulheit?
Rolf Schulmeister: Um Gottes Willen, nein. Die Studie ist keine Empfehlung für Faulheit, sondern ein Hinweis darauf, dass konzentriertes, strategisch eingesetztes Lernen und gutes Zeitmanagement sich beim Lernen auszahlen.
Götzke: Woran liegt das, dass die Weniglerner oftmals erfolgreicher sind als die Viellerner? Können die sich möglicherweise einfach besser und schneller neues Wissen aneignen, weil sie intelligenter sind?
Schulmeister: Also mit Intelligenz hat das, glaube ich, überhaupt nichts zu tun. Es sind Verhaltensweisen, und diese Verhaltensweisen haben einmal mit Gefühl zu tun, mit Angst zu tun - die Prüfungen gerade in der erhöhten Zahl im Bachelor sind ja eine ziemliche Bedrohung: Ist diese Bedrohungswahrnehmung durch Unterdrückung beherrschbar? Und das hat zu tun damit, ob man seine Zeit auch wirklich nutzen kann, das heißt konzentriert lernen kann, oder Ablenkungsneigung zeigt.
Götzke: Sie haben ja über einen langen Zeitraum die Lernzeiten von Studierenden untersucht. Heißt das, was Sie gerade gesagt haben, dass die Leute, die angegeben haben, viel zu lernen, möglicherweise gar nicht so viel lernen, weil sie sich permanent ablenken lassen?
Schulmeister: Das ist eine der Vermutungen, die wir haben, dass es sehr unterschiedlich ist, was bei einer Stunde Lernen bei den Einzelnen dabei herauskommt.
Götzke: Sie haben noch einen zweiten wichtigen Punkt angesprochen, Sie haben fünf Lerntypen differenziert, auch herauskristallisiert in Ihrer Studie - das geht vom angstbestimmten Viellerner bis zum selbstbewussten Weniglerner. Da wird also deutlich, Angst ist ein schlechter Ratgeber beim Lernen?
Schulmeister: Ja. Angst ist aber schlecht beherrschbar auf der anderen Seite. Man muss Angst durch entsprechende Planung und Vorbereitung besiegen. Die Tatsache, dass eine Prüfung eine Bedrohung darstellt, ist natürlich nicht leugbar, die wirkt bei jedem, auch bei guten Lernern. Man kann diese Angst natürlich nur beherrschen, wenn man sich entsprechend gut vorbereitet fühlt und sicher fühlt in dem, was man gelernt hat.
Götzke: Wie kann man das strategisch angehen, also wie werde ich zum effizienten Lerner?
Schulmeister: Ich muss erstens einmal sehen, dass ich eine sehr ruhige Umgebung habe, in der ich lerne, also alle Ablenkungen muss ich auch beseitigen. Ich muss mir dann auch wirklich vornehmen, wenn ich eine Stunde oder zwei Stunden lernen will, dass ich nichts anderes in dieser Zeit habe, was mich stören kann daran. Ich muss dann natürlich über bestimmte Lernstrategien verfügen, also zum Beispiel bestimmte Lesetechniken anwenden.
Götzke: Ich finde diesen Punkt, den Sie vorhin genannt haben, strategisch Lernen, auch noch mal interessant. Vor dem Hintergrund der Bildungsproteste wurde viel über das sogenannte Bulimie-Lernen gesprochen, also sich kurz vor der Prüfung möglichst viel Stoff reinpfeifen, den nach der Prüfung wieder vergessen. Das klingt für mich so ein bisschen so, als würden Sie Bulimie-Lernen empfehlen.
Schulmeister: Nein, im Gegenteil. Also was wir ja festgestellt haben in unseren mittlerweile 25 Erhebungen, ist, dass die Studierenden erst im Januar anfangen, für die Prüfung zu lernen. Das ist verkehrt. Wir empfehlen, dass man kontinuierlich mitlernt. Das natürlich schwer, wenn man sehr, sehr viele Veranstaltungen im Semester hat, aber das muss man irgendwie hinkriegen.
Götzke: Das Problem dabei ist ja, dass sich die Prüfungen am Ende des Semester immer ballen. Müsste sich das vielleicht auch ändern, könnte man so auch den schwachen Lernern weiterhelfen, denjenigen, die angsterfüllt lernen?
Schulmeister: Ja, also wir empfehlen ja, dass man die Zahl der Veranstaltungen, die in einem bestimmten Zeitraum, also einer Woche oder vier Wochen, stattfinden, reduziert und stattdessen die Veranstaltungen, die da stattfinden, in höherer Stundenzahl lehrt, sodass der Student sich besser auf wenige Themen konzentrieren kann. Dann kann er auch für diese wenigen Themen besser mitlernen.
Götzke: Also ein klares Plädoyer für Blockveranstaltungen?
Schulmeister: Nicht nur durchgängig, also ein bisschen variationsreich - für ein integriertes Selbststudium und für die Möglichkeit, eben wirklich studienbegleitende Leistungen als Prüfung anzuerkennen. Dann kann der Student mehrere Wochen an einer Prüfungsleitung arbeiten, kontinuierlich, und hat nicht diese Angst vor einem bestimmten Termin.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Rolf Schulmeister: Um Gottes Willen, nein. Die Studie ist keine Empfehlung für Faulheit, sondern ein Hinweis darauf, dass konzentriertes, strategisch eingesetztes Lernen und gutes Zeitmanagement sich beim Lernen auszahlen.
Götzke: Woran liegt das, dass die Weniglerner oftmals erfolgreicher sind als die Viellerner? Können die sich möglicherweise einfach besser und schneller neues Wissen aneignen, weil sie intelligenter sind?
Schulmeister: Also mit Intelligenz hat das, glaube ich, überhaupt nichts zu tun. Es sind Verhaltensweisen, und diese Verhaltensweisen haben einmal mit Gefühl zu tun, mit Angst zu tun - die Prüfungen gerade in der erhöhten Zahl im Bachelor sind ja eine ziemliche Bedrohung: Ist diese Bedrohungswahrnehmung durch Unterdrückung beherrschbar? Und das hat zu tun damit, ob man seine Zeit auch wirklich nutzen kann, das heißt konzentriert lernen kann, oder Ablenkungsneigung zeigt.
Götzke: Sie haben ja über einen langen Zeitraum die Lernzeiten von Studierenden untersucht. Heißt das, was Sie gerade gesagt haben, dass die Leute, die angegeben haben, viel zu lernen, möglicherweise gar nicht so viel lernen, weil sie sich permanent ablenken lassen?
Schulmeister: Das ist eine der Vermutungen, die wir haben, dass es sehr unterschiedlich ist, was bei einer Stunde Lernen bei den Einzelnen dabei herauskommt.
Götzke: Sie haben noch einen zweiten wichtigen Punkt angesprochen, Sie haben fünf Lerntypen differenziert, auch herauskristallisiert in Ihrer Studie - das geht vom angstbestimmten Viellerner bis zum selbstbewussten Weniglerner. Da wird also deutlich, Angst ist ein schlechter Ratgeber beim Lernen?
Schulmeister: Ja. Angst ist aber schlecht beherrschbar auf der anderen Seite. Man muss Angst durch entsprechende Planung und Vorbereitung besiegen. Die Tatsache, dass eine Prüfung eine Bedrohung darstellt, ist natürlich nicht leugbar, die wirkt bei jedem, auch bei guten Lernern. Man kann diese Angst natürlich nur beherrschen, wenn man sich entsprechend gut vorbereitet fühlt und sicher fühlt in dem, was man gelernt hat.
Götzke: Wie kann man das strategisch angehen, also wie werde ich zum effizienten Lerner?
Schulmeister: Ich muss erstens einmal sehen, dass ich eine sehr ruhige Umgebung habe, in der ich lerne, also alle Ablenkungen muss ich auch beseitigen. Ich muss mir dann auch wirklich vornehmen, wenn ich eine Stunde oder zwei Stunden lernen will, dass ich nichts anderes in dieser Zeit habe, was mich stören kann daran. Ich muss dann natürlich über bestimmte Lernstrategien verfügen, also zum Beispiel bestimmte Lesetechniken anwenden.
Götzke: Ich finde diesen Punkt, den Sie vorhin genannt haben, strategisch Lernen, auch noch mal interessant. Vor dem Hintergrund der Bildungsproteste wurde viel über das sogenannte Bulimie-Lernen gesprochen, also sich kurz vor der Prüfung möglichst viel Stoff reinpfeifen, den nach der Prüfung wieder vergessen. Das klingt für mich so ein bisschen so, als würden Sie Bulimie-Lernen empfehlen.
Schulmeister: Nein, im Gegenteil. Also was wir ja festgestellt haben in unseren mittlerweile 25 Erhebungen, ist, dass die Studierenden erst im Januar anfangen, für die Prüfung zu lernen. Das ist verkehrt. Wir empfehlen, dass man kontinuierlich mitlernt. Das natürlich schwer, wenn man sehr, sehr viele Veranstaltungen im Semester hat, aber das muss man irgendwie hinkriegen.
Götzke: Das Problem dabei ist ja, dass sich die Prüfungen am Ende des Semester immer ballen. Müsste sich das vielleicht auch ändern, könnte man so auch den schwachen Lernern weiterhelfen, denjenigen, die angsterfüllt lernen?
Schulmeister: Ja, also wir empfehlen ja, dass man die Zahl der Veranstaltungen, die in einem bestimmten Zeitraum, also einer Woche oder vier Wochen, stattfinden, reduziert und stattdessen die Veranstaltungen, die da stattfinden, in höherer Stundenzahl lehrt, sodass der Student sich besser auf wenige Themen konzentrieren kann. Dann kann er auch für diese wenigen Themen besser mitlernen.
Götzke: Also ein klares Plädoyer für Blockveranstaltungen?
Schulmeister: Nicht nur durchgängig, also ein bisschen variationsreich - für ein integriertes Selbststudium und für die Möglichkeit, eben wirklich studienbegleitende Leistungen als Prüfung anzuerkennen. Dann kann der Student mehrere Wochen an einer Prüfungsleitung arbeiten, kontinuierlich, und hat nicht diese Angst vor einem bestimmten Termin.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.