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Lernen statt Exerzieren

An vielen Stellen des Landes Rheinland-Pfalz sind in den vergangenen 20 Jahren Militärareale zu FH-Standorten umgebaut worden. Die rheinland-pfälzische Wissenschaftsministerin Doris Ahnen (SPD) hat eine Studie vorgestellt, die die Vorteile der Rüstungskonversion zu Hochschulstandorten betont.

Von Ludger Fittkau |
    Norbert Kuhn biegt in einen endlos lang wirkenden Gebäudeflur auf dem sogenannten Umweltcampus Birkenfeld der Fachhochschule Trier ein. Auf dem Weg durch das Gebäude erzählt der Informatik-Professor, dass der heutige Campus für 2000 Studierende einst von der US-Armee als Reservelazarett mitten in das waldreiche Pfälzer Bergland gebaut wurde:

    "Zur Zeit des Koreakrieges wurde dieses Gebäude gebaut, ist allerdings zum Glück nie genutzt worden. Von daher war die Substanz der Gebäude eigentlich für ne Konversionsfläche eigentlich noch relativ gut. Die Gebäude sind von der Außenhülle im Wesentlichen erhalten worden, wurden aber komplett entkernt und dadurch wurde, wie sie sehen, eine relativ freundliche Liegenschaft errichtet."

    Ja, freundlich ist er wirklich, der Umweltcampus Birkenfeld, viel Licht dringt in die umgebauten Krankenhausflügel herein. Auch die Energieversorgung in Birkenfeld ist vorbildlich: Rund um die Gebäude liegen in drei Meter tiefe Rohre, durch die die Abluft der Heizung strömt, erklärt Norbert Kuhn in der Energiezentrale im Keller des Gebäudes:

    "Im Sommer haben wir durch die angesaugte Luft ne Kühlung, im Winter haben wir dadurch eine Vorwärmung. Das ist ein Beitrag, um zu zeigen, wie man relativ günstig Umwelt nutzen kann, um Energie einzusparen."

    Allerdings: Den Vorteilen, die der Umweltcampus Birkenfeld bietet, um mit Energietechnik oder Abwasserkonzepten auch experimentell zu arbeiten oder an der Biomasse des nahe gelegenen Waldes zu forschen, stehen durch die abgelegene Lage des Campus im Pfälzer Bergland ökologisch handfeste Nachteile entgegen. Viele Studierende sind gezwungen, mit dem Auto anzureisen. Jonny Schokolati studiert im 6. Semester Wirtschaftsrecht in Birkenfeld und wohnt in Trier, wo die Fachhochschule ihre Zentrale hat. Doch mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist es nahezu unmöglich, von Trier aus den Campus Birkenfeld zu erreichen:

    "Ich kann mit meinem Semesterticket überhaupt nicht kostenlos mit dem Zug fahren, ich fahre jeden Tag mit dem Auto hier hin. Bis Saarbrücken geht es, aber hier geht es natürlich nicht und das ist sehr schade eigentlich."

    Weite Fahrten sind auch nötig, um die Bibliotheken der umliegenden Hochschulstädte zu erreichen, kritisiert auch Felix Heinrich, ebenfalls Wirtschaftsrechtstudent:

    "Die Bibliothek ist eigentlich sehr schlecht ausgestattet, kann man sagen. Es wird von den Professoren und Assistenten eigentlich vorausgesetzt, dass man nach Mainz, Saarbrücken oder nach Trier fährt, um sich Bücher auszuleihen oder eine Fernleihe macht, und wenn man dann mit dem Semesterticket nicht mal nach Trier fahren kann, an die eigentlich Mutterhochschule, nenne ich das mal, dann ist das ein Problem."

    Andreas Laumann studiert im 4. Semester Bioverfahrenstechnik in Birkenfeld. Er gehört zu den 450 Studierenden, die direkt auf dem Campus wohnen – und sich oft von der Welt abgeschnitten fühlt:

    "Man ist hier wirklich mehr oder weniger verloren, wenn man so will.
    Man ist wirklich ab vom Schuss, ohne Auto irgendwo hinzukommen, quasi mal feiern oder so oder in die nächste Stadt, das ist schwierig, aber der Ort an sich, die FH an sich, da kann man sich nicht beschweren. Also der Umbau ist gelungen."

    Das gelte auch für andere ehemalige Militärstandorte in Rheinland-Pfalz, betonte heute Morgen auf einer Pressekonferenz die rheinland-pfälzische Wissenschaftsministerin Doris Ahnen, SPD. Diejenigen, die in Birkenfeld oder an anderen Konversionsstandorten wie Zweibrücken und Pirmasens ein FH-Studium aufnehmen, müssten abwägen, so die Ministerin. Man könne sich ja auch für eine Großstadt entscheiden.

    "Ich kann aber auch sagen: Nein, gerade diese Kombination aus diesem spezielle Studienangebot, das stark verankert ist in der Region und Anwendungsmöglichkeiten und einem eigenen Konzept, das viele aus der Region kommen, einige auch auf dem Campus leben. Und man dort Sportmöglichkeiten geschaffen hat, eine Theatergruppe und andere kulturelle Möglichkeiten, aber man muss sich auch klar darüber sein, die können nur ein Ausschnitt sein dessen, was ich in einer Großstadt machen kann."

    Professor Manfred König von der Fachhochschule Ludwigshafen, der im Auftrag des rheinland-pfälzischen Wissenschaftsministeriums eine aktuelle Studie zu "Hochschulen und Konversion" erstellte, betont einen sozialen Aspekt des Studiums im ländlichen Raum der Westpfalz:

    "Das ist ein Stück Chancengerechtigkeit, auch für diejenigen, die sich ein Studium in ferner gelegenen Zentren nicht erlauben können. Heute ist ein Studium nicht gerade billig, die Anfahrtskosten, die Übernachtungskosten und so weiter. Das ist ein großer Vorteil und das ist auch ein Stück der Hochschulkonversion."

    Im Falle des Umweltcampus Birkenfeld muss man also für ein gutes und preisgünstiges FH-Studium das in Kauf nehmen, was der Wirtschaftrechtstudent Jonni Schokolati so auf den Punkt bringt:

    "Es ist halt Mitten im Nirgendwo. Es ist halt drum herum überhaupt nichts und ich frage mich immer, wie attraktiv das für die Studierenden ist. Für mich persönlich ist es überhaupt nicht attraktiv und ich wohne in Trier und komme jeden Tag dann hierher."