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Lernen statt lehren

Ist man einmal im Lehrerberuf angekommen, heißt das noch lange nicht, dass man nur noch lehren muss. Fortbildungen für Lehrkräfte sind wichtig, vor allem in den Naturwissenschaften, aber auch im Bereich der Kommunikation und Stressbewältigung. Doch wie findet man die geeigneten Seminare und Trainings? Denn auch auf der didacta zeigt sich, dass das Angebot an Fortbildungen und Coachings mehr als unübersichtlich ist.

Von Katrin Sanders | 18.03.2010
    Katrin Sanders: Man hätte vermuten können, dass der Bedarf sehr groß ist, es werden Schulen zusammengelegt, das Schulsystem wird reformiert, es gibt zentrale Prüfungen; man könnte sich vorstellen, dass Lehrer sehr viel Fortbildung suchen, aber, in der Tat, auch diese Bildungsmesse schafft es nicht, hier für den ganz großen Durchblick zu sorgen, das ist schade. Es gibt wenig neue Konzepte, die auf Dauer, auf Kontinuität und auf viel Austausch, kollegialen Austausch setzen würden. Eines allerdings würde ich nennen, auch wenn es nicht für alle Lehrer interessant sein kann, das Fortbildungsangebot der Goethe-Institute, "Schule im Wandel" ist der Titel.

    Es vernetzt Sprachlehrer in aller Welt, ständige Weiterentwicklung durch fachlichen Austausch über ein Internetportal, Kommunikation, Kompetenzorientierung, und das kann man unter goethe.de auch sehr schön mal selbst erkunden, da gibt es so einen virtuellen Seminarraum, in den man mal reinschnuppern kann. Das hat mir richtig gut gefallen und ich denke, davon fehlt ein bisschen was in den anderen Bereichen.

    Moderator: Klingt, als ob da das Internet endlich mal seine Möglichkeiten nutzt, weil die Lehrer der Goethe-Institute ja tatsächlich global verteilt sind und nicht so leicht miteinander ins Gespräch kommen können. Aber die didacta ist ja auch eine Messe, wo man sich orientieren soll, also wo man des großen Angebots Herr werden kann womöglich. Gibt es Orientierungshilfen auf der didacta, was die Lehrerfortbildung angeht?

    Sanders: Ich würde in jedem Fall die großen Institutionen anlaufen. Zu denen gehört auch sicherlich das Bundesinstitut für Berufsbildung, kurz BIBB, es stellt auf der didacta in diesem Jahr eine zertifizierte IT-Bildung in den MINT-Berufen [Anmerkung der Redaktion: MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik] vor. Grundlage ist der europäische Computerführerschein, den kennt man ja bereits, da geht es um Datenbanken, Multimedia-Anwendungen, Tabellenkalkulationen … Das klingt vielleicht ein bisschen wie das kleine Einmaleins, aber das haben Lehrer nicht unbedingt immer direkt auf der Pfanne und es erweitert in jedem Fall das Spektrum von Lehrerinnen und Lehrern nicht nur in den naturwissenschaftlichen Fächern, wenn sie sich mit diesen Anwendungen auskennen – zumal in den Fächern, wo die Anwendungen ja auch Bestandteil des Unterrichts sind, das sagt Michael Härtel vom BIBB.

    Michael Härtel: Wenn Sie sich nicht individuell, ob durch Zufall oder durch Glück oder durch Eigeninteresse, dort weiterbilden, können Sie eigentlich den Anforderungen für einen modernen Unterricht, mit einem Medienmix, der es ja eigentlich sein muss, können Sie das nicht kreativ gestalten. Dann entwickeln Sie keine Ideen, dann winken Sie Ihren Unterricht durch. Und so was merken Schüler.

    Sanders: Dieser Führerschein, der ist natürlich auch für die Schüler selbst zukünftig wichtig, und Lehrer können hier natürlich auch zu Testbildern an ihren Schulen weitergebildet werden und nun wiederum den Führerschein an ihre Schüler weitergeben. Alles, was man dazu wissen muss, findet man unter ECDL im Internet: Die Qualifikation wird da von Anbietern unabhängig durch ein bundesweites Institut angeboten, das hat mir ganz gut gefallen. So ein weiteres, offenbar in diesem Jahr sehr stark nachgefragtes Gebiet sind die Angebote zur ganz persönlichen Weiterbildung, also Lehrer-Coaching ist sehr gefragt, glaubt man den Trainern und Anbietern. Der Beruf fordert natürlich viel, man muss Konflikte aushalten, man muss managen können, und wenn man da so sein persönliches Rüstzeug ein bisschen stärkend aufbauen möchte, kann man hier die Coaching-Zone nutzen auf der didacta. Da gibt es ein Trainercafé zum Beispiel, da kann man mal eine halbe Stunde reinschnuppern und mal gucken, ob das was für einen selbst ist.

    Moderator: Haben Sie geschnuppert?

    Sanders: Ich habe geschnuppert, es sieht auf jeden Fall interessant aus, es sind Profis da und man also tatsächlich mal so einen Einstieg kriegen und einfach sehen, passt das zu mir? Muss man ja auch wissen. Auf solche Angebote, die mal nicht nur auf Schulentwicklung und Qualitätsentwicklung setzen, muss man heutzutage tatsächlich hinweisen, denn es ist keineswegs selbstverständlich, dass so was angeboten wird. Das liegt bei uns auch an den Schulgesetzen, da sind sehr genau die Inhalte von Fortbildungen festgelegt, und was das zum Beispiel für Nordrhein-Westfalen bedeutet, erzählt der Schuldezernent für Berufskollegs in Ostwestfalen.

    Schuldezernent: Wir haben hier eine staatliche Lehrerfortbildung, die systemisch ausgerichtet ist und Angebote zur Unterrichtsentwicklung macht, zur Schulentwicklung, zur Teambildung, zur individuellen Förderung, also die Eckpunkte, die in Nordrhein-Westfalen im Schulgesetz auch verankert sind. Darüber hinaus gibt es die Verpflichtung, sich auch fachlich fortzubilden. Da wird es schwierig, weil im Zuge der eigenverantwortlichen Schule die Schulen selbst ihren Bedarf, sowohl den individuellen als auch den systemischen Bedarf, erheben müssen, und es gibt natürlich viele freie Träger, es gibt Tausende von Angeboten.

    Sanders: Und nicht selten bleibt dann dabei auch die Fortbildungsbereitschaft so ein bisschen auf der Strecke, denn auf diesem Markt müssen sich die Kunden, das sind dann die Schulen, orientieren, sie müssen Expertise dazukaufen, und da gibt es noch einen Tipp, Arnd Kierchhoff als Vizepräsident des Bundesverbandes der Weiterbildungsorganisationen sagt, dass Schulen dazu inzwischen bereit sind.

    Arnd Kierchhoff: Die Uni Bielefeld führt gerade ein Modellvorhaben durch und untersucht das, externe Schulberater in Schulentwicklungsprozessen, und es hat sich gezeigt, dass die Hälfte der Trainerinnen und Trainer, die an Schulen kommen, Externe sind. Da fragt sich natürlich: Wo haben die Schulen die Adressen her? Und genau da setzt der DVWO jetzt an halt, als Zentrale, wo sich Schulen, Kindergärten und Kitas informieren können. Das ist also eine Internetplattform, die wir gerade aufbauen, wo dann Angebote drinstehen. Da kann man genau hingehen und kann sagen, ich suche für den und den Bereich eine Fortbildung.

    Sanders: Im Laufe des Spätsommers soll dann diese Datenbank stehen und so die Angebote von rund 10.000 Trainern, Schulentwicklern und Beratern erschließen.

    Moderator: Fortbildung also ein Thema auf der didacta, aber ein Thema, das eher unübersichtlich ist und schwierig in den Griff zu kriegen. Heute die Frage auf der didacta, unsere Frage des Tages: Wie sieht es eigentlich aus mit Anspruch und Fortbildung, mit Anspruch und Wirklichkeit bei der Lehrerfortbildung, also wie erleben Lehrer ihre Fortbildungssituation im Alltag?

    O-Töne: Das ist mittlerweile oft schwierig geworden, Weiterbildungsangebote so anzunehmen, wie das vielleicht wünschenswert wäre. Also eigentlich ist vieles jetzt in den Nachmittagsbereich oder Wochenendbereich …

    Ja, und ich nehme Nachmittagsveranstaltungen nicht so gerne an, weil ich vom Vormittag auch schlicht und ergreifend kaputt bin und das dann wahrscheinlich nicht den nötigen Effekt hätte, eine Fortbildungsveranstaltung zu besuchen, möglichst auch lange fahren muss. Da nimmt man das nicht so gerne auf sich.

    Und das, was in der Schule so ein klein wenig die Krux ist, da im Dschungel das Richtige für die jeweilige Schule zu finden, das ist doch nicht ganz so einfach.

    Also die Nachmittage sind beschränkt, Nachmittagsunterricht gibt es auch noch und dann finden sich eben nicht alle Kollegen zusammen an einem Nachmittag.

    Ich finde natürlich nicht in Ordnung, dass ich auf den Kosten im Grunde auch sitzen bleibe, die drei Stunden bezahlt mir dann kein Mensch. Allerdings, im Unterrichtsalltag zeigt sich, dass diese Weiterbildung auch Sinn macht, und das macht es mit den Schülern auch erleichternd, sich da immer wieder mal neu zu orientieren. Das ist aber wirklich persönlicher Anspruch, denke ich.