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Lernprozess für einen Ex-Ministerpräsidenten

Die ursprünglich geplante politische Karriere von Dieter Althaus nahm einen anderen Lauf: ein Ski-Unfall, der Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten Thüringens. Seit einem Jahr arbeitet Dieter Althaus bei Magna - eine Bilanz.

Von Blanka Weber | 20.01.2011
    "Heute Abend ist es eine wichtige Veranstaltung, weil ich zum ersten Mal seit dem Rücktritt die Möglichkeit habe, vor einer ganzen Reihe von Wirtschaftsvertretern, die ich zum größten Teil auch gut kenne, zu reden."

    Der Saal im Weimarer Edel-Hotel Elephant ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Industrieclub hat Dieter Althaus zu Gast. Zum vierten Mal, doch an diesem Abend zum ersten Mal nicht als Politiker – sondern als Gleichgesinnten, als Vertreter der Wirtschaft.

    "Also ich habe auch in der politischen Auseinandersetzung immer versucht, eng mit der Wirtschaft zusammen zu arbeiten und von ihr zu lernen, umgekehrt auch ihr das Feld der Politik zu vermitteln."

    Thema seines Vortrages: Soziale Marktwirtschaft, Globalisierung und verantwortliches Management. Die etwa 100 anwesenden Unternehmer sind gespannt.

    "Also er macht einen fitten Eindruck. Ich habe wirklich den Eindruck, dass er gesundheitlich voll dabei ist. Aber man merkt schon, dass die Ereignisse der Vergangenheit Spuren hinterlassen haben. Er ist ruhiger, sachlicher. Ist auch jetzt in anderer Funktion."

    Norbert Schremb - selbst Unternehmer in Weimar - ist der Gastgeber an diesem Abend. Er kennt Dieter Althaus seit Jahren, schätzt, dass für ihn als Ministerpräsident Wirtschaftspolitik "Chefsache" war. Die Leistungen des Lobbyisten Dieter Althaus mag er heute nicht bewerten. Nur so viel:

    "Letztlich ist in der Wirtschaft jedes Jahr der Erfolg messbar oder nicht messbar. Und da kann ich mir nicht vorstellen, wenn ein Politiker, nur weil er Ministerpräsident war, seinen Job nicht macht, dass er da eine langfristige Perspektive im Unternehmen haben wird."

    Ob Dieter Althaus eine langfristige Perspektive beim Autozulieferer haben wird, ist offen. Bereits während seines ersten Jahres bei Magna International hat sich sein Aufgabenfeld deutlich verändert.
    Branchenintern ist vom Zurückstufen die Rede. Als Selbsteinschätzung klingt das anders:

    "Mein Weg war bisher erfolgreich. Und ich hab' bisher sehr positive Erfahrungen gemacht."

    Das sehen manche in der Branche nicht so. Denn sein Job definiert sich seit wenigen Tagen neu. Er ist nicht mehr zuständig für die gute Kontaktpflege zum Großkunden Volkswagen, sondern für - so heißt es wörtlich - 'Regierungsbeziehungen' – europaweit.

    "Ich muss mich in fachliche Themen einarbeiten. Ich muss Diplomat sein, versuchen, verschiedene Interessen zusammen zu bringen, Kontakte knüpfen, damit daraus auch hoffentlich ein Geschäft wird."

    Der Titel Vice President ist ihm geblieben. Sein eigenes Büro bei Magna in Wolfsburg jedoch nicht.

    Ein Affront? Eine Degradierung? Klar ist soviel: Seine einstigen Gönner haben das Unternehmen verlassen.
    Was diese und den einstigen Ministerpräsidenten verband, war das Ringen um den Kauf von Opel 2009. Althaus sprach sich damals deutlich für den kanadisch-österreichischen Bieter Magna aus. Für ihn ging es in Eisenach um den Erhalt eines Werkes mit knapp 1.700 Arbeitsplätzen.

    Aus der geplanten Übernahme wurde nichts. Auch die politische Karriere von Dieter Althaus nahm einen anderen Lauf: ein Ski-Unfall mit Folgen, dann der politische Rücktritt und schließlich Neustart in der Wirtschaft. Bei Magna.

    Das Unternehmen selbst gibt ungern Auskunft zur Personalie Althaus. Fragen an ihn zu Magna sind nicht erwünscht. Eine klare Vorgabe der Presseabteilung. Hintergrund ist wohl eine unbedachte Plauderei von Althaus zum Kauf eines italienischen Autodesigners. Die Aussage hatte Folgen. Magna brach an der Börse kurzfristig ein. Und der Ex-Ministerpräsident bekam einen Maulkorb verpasst. Seine Bilanz:

    "Es war ein sehr gutes Jahr mit vielen neuen Erfahrungsräumen, die ich erleben und aufnehmen konnte."

    Zur aktuellen Unternehmenspolitik darf sich Althaus also nicht mehr äußern. Stattdessen soll er sich auf die politische Kontaktpflege in Europa konzentrieren. Auf diesem, ihnen vertrauten Terrain, so ist zu vermuten, richten Ex-Politiker weniger Schaden an.

    "Und ich halte es für ganz wichtig, dass sowohl die Politik weiß, wie es in der Wirtschaft zugeht, beim Mittelstand, aber bei globalen Unternehmen geht es zum Teil anders zu, als viele Politiker meinen. Und umgekehrt denke ich auch, dass die Wirtschaft wissen muss, wie die politischen Regularien sind."

    Dieter Althaus hat sich verändert im vergangenen Jahr. Er tritt ruhiger auf, zurückhaltender. Das Gesicht ist ernst, die Stimme etwas leiser. Dafür setzt er mehr auf Äußeres: Der Anzug ist gediegen-elegant, die Brille von auffallendem Design. Seine Rolle ist nun eine andere. Nur selten schimmert noch der Ex-Ministerpräsident durch.

    Den Ausstieg aus der Politik bereut der 52-Jährige nicht. Einen Weg zurück schließt er aus.

    "Nein, ich hab' fast 20 Jahre in der Politik gestaltet, habe sehr viele Chancen bekommen, die ich versucht habe zu nutzen und mit dem neuen Lebensabschnitt habe ich sozusagen mit dem davor gehenden Lebensabschnitt abgeschlossen. Das bleibt auch so."

    Die neue Rolle von Dieter Althaus quittiert das Publikum mit Wohlwollen, auch wenn sein Vortrag keine neuen Impulse gab. Respekt also vor einem Ex-Politiker, der nun für das Wohl der Wirtschaft kämpft. Sein altes Thema Bürgergeld will er nicht mehr verfolgen und das Soziale an der Marktwirtschaft sieht er heute kritischer, sagt er, mit dem Blick auf Kosten und Ergebnis.