Als vor zehn Jahren Strawinskys Ballett "Les Noces – Die Bauernhochzeit" 80 Jahre alt wurde, kreierte der belgische Choreograf Stijn Celis eine Neufassung des Balletts, die jetzt den Dresdner Abend eröffnet. Celis findet für die vielschichtige Verzahnung von Gesang und Instrumentalspiel in Igor Strawinskys "Bauernhochzeit" eine Bewegungssprache, die zugleich gestenreich und raumgreifend ist.
Wogende Raumbewegung, physisch anspruchsvoller Tanz im Einzelnen – in "Les Noces" löst das Semperoper Ballett die choreografische Forderung nach dichtem Zusammenwirken als Ensemble, gepaart mit herausragender körperlicher Bewusstheit, glänzend ein.
Den Musen der Dichtung, des Gesangs und des Tanzes, hat George Balanchine 1928 ein Denkmal gesetzt, das bis heute mit einer bestechend klaren Formensprache verblüfft. Ikonisch zu nennen sind im Ballett "Apollo" beispielsweise die Highkicks auf Spitze, mit denen die drei Ballerinen sich aus drei Raumrichtungen auf ihren Meister zu bewegen. Das ist Balanchines choreografische Verneigung vor den Musen, doch hier in Dresden ist der Tanz von Natalia Sologub, Julia Weiss und Svetlana Gileva dem ihres Anführers Jirí Bubenicek weit überlegen. Ihm gegenüber steht der "wahre" Gott der Musik an diesem Abend in der Dresdner Semperoper, der Dirigent David Coleman. Mit welchem Gespür für die in Klang versetzte Bewegung er die Sächsische Staatskapelle durch Strawinskys und Debussys Musiken geleitet, ist ein in der Ballettwelt seltener kulinarischer Genuss.
So auch bei Strawinskys "Sacre du Printemps" in der choreografischen Uraufführung von Jacopo Godani. Der italienische Choreograf und ehemaliger Tänzer Godani schöpft, im Gegensatz zu Celis, weder den Bühnenraum noch das physische Potenzial des Semperoper Balletts aus. Er verwechselt die düstere Atmosphäre der Musik mit weitgehender Dunkelheit auf der Bühne. Die sehr knapp bedeckten Beine der Tanzenden dürfen sich, außer beim Laufen, gar nicht als bewegungssprachbegabte Glieder artikulieren.
Die eigentliche böse Überraschung des Abends aber ist die Uraufführung von Jirí Bubeniceks "Faun". Glockengeläut und ein riesiges schmales Lichtkreuz gebieten die Vorstellung eines sakralen Raums. An einem weißen Tisch sechs weiß gekleidete Jünglinge, die offensichtlich mit ihren Gefühlen und Pflichten hadern. Der Tisch entpuppt sich als Altar, eine Gestalt in rotem Mantel steigt hinab und enthüllt unter dem Mantel das schwarze Priestergewand. Auf der weißen Fläche vor dem Altar erscheint der Faun, Schultern und Hals in rosa Leder eingefasst, weiße Strumpfhose: eine Lustgestalt, die das folgende Liebesspiel zwischen Priester und Zögling begleitet, bis zum bitteren Ende.
Jirí Bubenicek bezieht sich eindeutig auf die vielen Fälle sexuellen Missbrauchs in kirchlichen Einrichtungen, die in den letzten Jahren öffentlich wurden. Sein Faun ist die Verkörperung des einvernehmlichen Begehrens zwischen einem Priester und seinem Zögling. Bubenicek kommentiert und rahmt diese Bilder nicht. Stattdessen romantisiert und ästhetisiert er eine auf schweren Machtmissbrauch gründende Beziehung. Mit dem Leiden der Opfer derart rücksichtslos umzugehen, ist ein Schlag ins Gesicht und verhöhnt jede Aufklärungsinitiative.
Wogende Raumbewegung, physisch anspruchsvoller Tanz im Einzelnen – in "Les Noces" löst das Semperoper Ballett die choreografische Forderung nach dichtem Zusammenwirken als Ensemble, gepaart mit herausragender körperlicher Bewusstheit, glänzend ein.
Den Musen der Dichtung, des Gesangs und des Tanzes, hat George Balanchine 1928 ein Denkmal gesetzt, das bis heute mit einer bestechend klaren Formensprache verblüfft. Ikonisch zu nennen sind im Ballett "Apollo" beispielsweise die Highkicks auf Spitze, mit denen die drei Ballerinen sich aus drei Raumrichtungen auf ihren Meister zu bewegen. Das ist Balanchines choreografische Verneigung vor den Musen, doch hier in Dresden ist der Tanz von Natalia Sologub, Julia Weiss und Svetlana Gileva dem ihres Anführers Jirí Bubenicek weit überlegen. Ihm gegenüber steht der "wahre" Gott der Musik an diesem Abend in der Dresdner Semperoper, der Dirigent David Coleman. Mit welchem Gespür für die in Klang versetzte Bewegung er die Sächsische Staatskapelle durch Strawinskys und Debussys Musiken geleitet, ist ein in der Ballettwelt seltener kulinarischer Genuss.
So auch bei Strawinskys "Sacre du Printemps" in der choreografischen Uraufführung von Jacopo Godani. Der italienische Choreograf und ehemaliger Tänzer Godani schöpft, im Gegensatz zu Celis, weder den Bühnenraum noch das physische Potenzial des Semperoper Balletts aus. Er verwechselt die düstere Atmosphäre der Musik mit weitgehender Dunkelheit auf der Bühne. Die sehr knapp bedeckten Beine der Tanzenden dürfen sich, außer beim Laufen, gar nicht als bewegungssprachbegabte Glieder artikulieren.
Die eigentliche böse Überraschung des Abends aber ist die Uraufführung von Jirí Bubeniceks "Faun". Glockengeläut und ein riesiges schmales Lichtkreuz gebieten die Vorstellung eines sakralen Raums. An einem weißen Tisch sechs weiß gekleidete Jünglinge, die offensichtlich mit ihren Gefühlen und Pflichten hadern. Der Tisch entpuppt sich als Altar, eine Gestalt in rotem Mantel steigt hinab und enthüllt unter dem Mantel das schwarze Priestergewand. Auf der weißen Fläche vor dem Altar erscheint der Faun, Schultern und Hals in rosa Leder eingefasst, weiße Strumpfhose: eine Lustgestalt, die das folgende Liebesspiel zwischen Priester und Zögling begleitet, bis zum bitteren Ende.
Jirí Bubenicek bezieht sich eindeutig auf die vielen Fälle sexuellen Missbrauchs in kirchlichen Einrichtungen, die in den letzten Jahren öffentlich wurden. Sein Faun ist die Verkörperung des einvernehmlichen Begehrens zwischen einem Priester und seinem Zögling. Bubenicek kommentiert und rahmt diese Bilder nicht. Stattdessen romantisiert und ästhetisiert er eine auf schweren Machtmissbrauch gründende Beziehung. Mit dem Leiden der Opfer derart rücksichtslos umzugehen, ist ein Schlag ins Gesicht und verhöhnt jede Aufklärungsinitiative.