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Les Fausses Confidences
Marivaux' Komödie in Paris

Johannes Schütz' Bühnenbild schafft - und das ist anders als in Luc Bondys letzter Pariser Marivaux-Inszenierung - keinen Subtext, keinen stummen Gefühls-Kommentar, sondern ist allenfalls Dekoration. Ein Hauch 30er-Jahre durchweht die Ästhetik der Aufführung.

Von Eberhard Spreng |
    Madame hat eindeutig einen Schuhtick. In drei großen Kreisen sind die schicken bunten Paare auf der Hinterbühne ausgelegt, während an der Rampe ein Tisch mit lauter Unterlagen steht: Akten, Hefter und Bücher, in denen große Geldscheine stecken, so als wären es Lesezeichen. Araminte bekommt keine rechte Ordnung in ihre Unterlagen und erwartet von ihrem neuen Verwalter eine sachkundige Unterstützung, auch bei ihrem Prozess gegen den Grafen Dorimont. Um Ländereien geht es in diesem juristischen Konflikt. Die Mutter der verwitweten und schwerreichen Araminte würde den Fall gerne erledigen, indem ihre Tochter die Gegenpartei heiratet und damit außerdem in den Rang einer Gräfin aufstiege.
    Soweit die Aktenlage. Die Herzenslage sieht natürlich anders aus. Nun ist zwar diese Araminte keine Frau, die in der Lage wäre, einen Menschen von Herzen zu lieben, aber an amourösen Tändeleien, quasi zur Unterhaltung hat sie dann doch Interesse. Isabelle Huppert spielt hier eine ausgesprochen verzickte Dame, die eher ein Entertainproblem hat als die Sehnsucht nach einer neuen Partnerschaft. Nur deshalb schickt sie den verarmten neuen Verwalter Dorante nicht sofort wieder weg, nachdem ihr dessen ehemaliger Diener Dubois offenbarte, der junge Mann sei, weil liebeskrank, nicht ganz richtig im Kopf:
    Den älteren Diener spielt Yves Jacques, anscheinend ein väterlicher Berater der reichen Dame und doch, als geistiger Kopf der Intrige, ein gewiefter, aus dem Hintergrund agierender Strippenzieher. Er will seinen ehemaligen Herren mit gezielten Vertraulichkeiten nur zum Schein desavouieren, zugleich aber Aramintes Herz für ihn öffnen. Dorantes Liebestollheit steht einem Domestiken zwar nicht an und ist insofern ein Handicap, emotional aber, quasi unterhalb der gesellschaftlichen Kontrollebene, macht sie ihn für Araminte interessant.
    So drückt sie sich dann auch die Zeichnung, die Dorante heimlich von ihr hat anfertigen lassen, wie eine Teenagerin vor den Mund, als diese ihr durch eine Indiskretion zugespielt wird. Alle hätten erwartet, dass hier Marton aus dem Gefolge der Araminte abgebildet ist, eine junge Frau, mit der Dorantes Onkel ihn gern verheiraten würde. Als dann auch noch ein kleines Gemälde auftaucht, grabscht sich die eitle Dame das auch noch. Isabelle Huppert kann einfach nicht genug bekommen von den eingesammelten Zeugnissen der Verehrung.
    Leider ist ihr Louis Garrel in der Rolle des verliebten Verwalters keine ebenbürtiger Partner: Er bleibt blass und ungreifbar in dem Konflikt der unbeteiligt tuenden und doch begehrenden Figur auf dem Schachbrett der Liebesintrige. Da Isabelle Huppert ihrerseits nicht einmal ahnen lässt, auch für ihr Herz stehe hier etwas auf dem Spiel, plätschert die Inszenierung in boulevardesker Gefälligkeit vor sich hin, getragen von den Einfällen einer immerfort tänzelnd taumelnden und gelegentlich nach dem Champagnerglas greifenden Salonlöwin. Schöne Szenen gelingen hier insbesondere mit der Mutter, einer schmollenden, trippelnden Madame Argante, die für die Eskapaden der Tochter kein Verständnis hat. Bulle Ogier spielt sie.
    Johannes Schütz lässt Fragmente eines Innenraums auf der Bühne zusammen- und auseinanderfahren: hohe Aufbauten, die Türen andeuten, Durchgänge, und einen Kamin. Aber dieses Bühnenbild schafft - und das ist anders als in Bondys letzter Pariser Marivaux-Inszenierung vor sechs ein halb Jahren - keinen Subtext, keinen stummen Gefühls-Kommentar, sondern ist allenfalls Dekoration, ebenso wie Moidele Bickels Kostüme.
    Ein Hauch 30er Jahre durchweht die Ästhetik der Aufführung. Todschick sind auch die zahlreichen Dior-Kostüme, die der Star der Aufführung vorführt. Am Ende kriegen sich die beiden Liebesabenteurer natürlich. Wie aus Versehen sinkt Dorante der Angebeteten plötzlich auf den Schoß, die ihrerseits herrlich gequälte Stoßseufzer von sich gibt. Die Perspektiven der beiden sind jetzt natürlich ganz schlecht: Die Ehe wird bestimmt ein Albtraum.