Jean Genets Schauspiel "Les Nègres" setzte sich nicht mit Kolonialismus und dem Nord-Süd-Gefälle in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auseinander; dazu war der politische Horizont zu eng (und dergleichen war ja auch nicht chic in seinem Milieu). Nicht Mitleid, Gerechtigkeitssinn oder gar Weltveränderungswille war die Triebfeder für die Annäherung an Tabus, sondern Überdruss an zivilisierten Lebensverhältnissen. So wurde das Thema "besetzt", ohne dass wirklich etwas Brisantes gesagt worden wäre (oder übers Theater hinaus in Bewegung gesetzt sein wollte).
Genet setzte Theater aufs Theater. Sein weithin surrealistischer Text erscheint als Widerhall einer kaputten Welt. Hasserfüllt lassen sich "die Neger", geschart um ihren Anführer Archibald, vernehmen. Recht eigentlich ist das eine fast ideale Spielvorlage für ein politisch-gesellschaftlich desinteressiertes Musiktheater, das dennoch einen gewissen Kitzel sucht und dessen Autor die Literaturvorlage vor allem als etwas lediglich "Percussives" nehmen wollte, als phonetisches Material. Umso erstaunlicher, dass sich durch die Gesten der Musik von Michaël Levinas weder der unbändige Hass mitteilen noch das explosiv Zuschlagende; es tut sich da einfach ein postmodernes Experimentierfeld auf, das sich – so zumindest der erste Eindruck – auch jedes anderen halbwegs unverbindlichen Textes hätte bedienen können.
Michaël Levinas ist ein begabter und fleißiger Pianist, der beispielsweise sämtliche Sonaten Beethovens einspielte und vom Wohltemperierten Klavier an die Musikgeschichte bestreicht. Der reichliche und tägliche Umgang mit dem Historischen ist seinem Komponieren wohl anzumerken. Da melden sich Melodien der Opéra comiqie des 19. Jahrhunderts, Offenbachsche Wendungen und so etwas wie Verdi-Zitat als mitunter ziemlich penetrante Erinnerungs-Motive. Neben subtil-experimentell wirkenden Zonen steht kleingliedriger Pop der Philip-Glass-Nachfolge – vorwaltend also Passacaglia-Technik und Tonalität, herauf- und hinuntertransponierte Patterns. die an den Rändern in Grauzonen der harmonischen Eintrübung oder des Nicht-Tonalen pendeln. Auch die Elektronik wird dekorativ eingesetzt.
So handelt es sich auch bei "Les Nègres" um eine polystilistische Pianistenoper – ähnlich dem, was der durch sein Musical über den Bayernkönig Ludwig II. bekannt gewordene Franz Hummel in seinen besten Momenten aufs Papier bringt oder wie das, was Alexis Weißenberg in Gestalt seiner "Nostalgie" hervorbrachte.
Regisseur Stanislas Norday hielt sich in Lyon relativ streng an die Theater-Vorgaben von Jean Genet: den absurden weißgestärkten Hofstaat in travestierten Rokoko-Kostümen erhöhte er auf einem Podest, den Kunst-Mohren gehört die Spielfläche davor. Dass sie Ritual-Morde begehen und vor allem diskutieren, wird wenig anschaulich. Und wenn sich am Ende alle Akteure die Maquillage von den Backen wischen, kommen fast nur hell- bis kaffeebraune Gesichter zum Vorschein. Und die Erkenntnis: schwarz oder weiß – alles nur eine Frage des Theaters.
Genet setzte Theater aufs Theater. Sein weithin surrealistischer Text erscheint als Widerhall einer kaputten Welt. Hasserfüllt lassen sich "die Neger", geschart um ihren Anführer Archibald, vernehmen. Recht eigentlich ist das eine fast ideale Spielvorlage für ein politisch-gesellschaftlich desinteressiertes Musiktheater, das dennoch einen gewissen Kitzel sucht und dessen Autor die Literaturvorlage vor allem als etwas lediglich "Percussives" nehmen wollte, als phonetisches Material. Umso erstaunlicher, dass sich durch die Gesten der Musik von Michaël Levinas weder der unbändige Hass mitteilen noch das explosiv Zuschlagende; es tut sich da einfach ein postmodernes Experimentierfeld auf, das sich – so zumindest der erste Eindruck – auch jedes anderen halbwegs unverbindlichen Textes hätte bedienen können.
Michaël Levinas ist ein begabter und fleißiger Pianist, der beispielsweise sämtliche Sonaten Beethovens einspielte und vom Wohltemperierten Klavier an die Musikgeschichte bestreicht. Der reichliche und tägliche Umgang mit dem Historischen ist seinem Komponieren wohl anzumerken. Da melden sich Melodien der Opéra comiqie des 19. Jahrhunderts, Offenbachsche Wendungen und so etwas wie Verdi-Zitat als mitunter ziemlich penetrante Erinnerungs-Motive. Neben subtil-experimentell wirkenden Zonen steht kleingliedriger Pop der Philip-Glass-Nachfolge – vorwaltend also Passacaglia-Technik und Tonalität, herauf- und hinuntertransponierte Patterns. die an den Rändern in Grauzonen der harmonischen Eintrübung oder des Nicht-Tonalen pendeln. Auch die Elektronik wird dekorativ eingesetzt.
So handelt es sich auch bei "Les Nègres" um eine polystilistische Pianistenoper – ähnlich dem, was der durch sein Musical über den Bayernkönig Ludwig II. bekannt gewordene Franz Hummel in seinen besten Momenten aufs Papier bringt oder wie das, was Alexis Weißenberg in Gestalt seiner "Nostalgie" hervorbrachte.
Regisseur Stanislas Norday hielt sich in Lyon relativ streng an die Theater-Vorgaben von Jean Genet: den absurden weißgestärkten Hofstaat in travestierten Rokoko-Kostümen erhöhte er auf einem Podest, den Kunst-Mohren gehört die Spielfläche davor. Dass sie Ritual-Morde begehen und vor allem diskutieren, wird wenig anschaulich. Und wenn sich am Ende alle Akteure die Maquillage von den Backen wischen, kommen fast nur hell- bis kaffeebraune Gesichter zum Vorschein. Und die Erkenntnis: schwarz oder weiß – alles nur eine Frage des Theaters.