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Leseförderung, magazinisch

DLF: Wenn man das erste Exemplar anschaut, dann wirkt es ein wenig wie ein ''Brigitte spezial'' zum Thema Bücher, denn sie setzen ja sehr auf populäre Themen. 50. Geburtstag des 'Playboy', sie machen home-stories, lassen Prominente wie Thomas Anders Bücher empfehlen, stellen auch mal Accessoires zum Lesen vor, auch Kalender, auch Ratgeber werden besprochen. Ist denn das Buch nach den feuilletonistischen Literaturen von Sigrid Löffler jetzt reif für ein Massenpublikum, dem man nur noch sagen muss: kaufen oder nicht kaufen?

    Jürgens: Ich glaube, was Elke Heidenreichs Sendung gezeigt hat, ist, es gibt ein unglaubliches Bedürfnis nach Orientierung bei den Lesern. Es gibt in Deutschland sechs Millionen Menschen, die regelmäßig Bücher kaufen, zwei Drittel davon sind übrigens Frauen, und jeder kennt, glaube ich die Situation, man steht in einer Buchhandlung und ist ratlos, und wo schauen Sie dann? Entweder schauen Sie in die Feuilletons, wo sehr anspruchsvoll eine gewisse Range an Büchern nur besprochen wird, und dann wird es schon ganz schwierig, und genau da möchten wir uns mit einem sehr populären, sehr anderen, sehr emotionalen Magazin platzieren.

    DLF: Sie besprechen Jonathan Franzen, Nick Hornby, Susanna Tamaro. Das sind ja alles keine Unbekannten. Immerhin raten Sie dann vom Kauf des dritten auf der aktuellen Spiegel-Bestsellerliste ab, Paulo Coelhos "11 Minuten". Das Ganze ist aber eine Ultrakurzkritik. Wo geht es denn in Ihrem Magazin auch um Bücher, die man nicht gleich auf dem Ladentisch sieht?

    Jürgens: An ganz vielen Stellen, denke ich. Wir haben eigentlich das Konzept vom Krimi bis zum Klassiker, von der Biografie bis zum Bestseller eigentlich einmal ganz durch den Buchmarkt zu gehen und zu zeigen, was gibt es, was ist interessant, was muss man lesen, was nicht. Natürlich beschäftigen wir uns auch mit populären Autoren, versuchen, sie zu Hause zu besuchen und zu zeigen, wer sind eigentlich die Menschen, die diese Bücher schreiben. Aber wir haben auch eine ganze Menge Abseitiges, Bücher, die Sie nur noch in Antiquariaten finden, Bücher, die wir wiederentdecken, Bücher auch, die wir für überschätzt halten.

    DLF: Sie pochen sehr auf Ihre redaktionelle Unabhängigkeit. Nach welchen Kriterien wählen Sie denn die Bücher aus dieser unheimlichen Menge, die Sie ja eben genannt haben, aus?

    Jürgens: Ja, das ist eigentlich die Redaktionsleistung. Wir haben diese Hunderte von Buchkatalogen angefordert, durchforstet, eine Auswahl getroffen und daraus dann wieder eine kleine Auswahl getroffen. Es sind Bücher, die uns als Redaktion aus unterschiedlichen Gründen bemerkenswert erscheinen. Das kann auch bei einem Ratgeber sein, dass man da sagt, das ist eigentlich ein Buch, das einem etwas nutzt. Also natürlich ist eine Auswahl letztlich immer subjektiv, aber das soll ja auch das Markenzeichen eines solchen Magazins wie das von unserem "Bücher" werden.

    DLF: Eine Erstauflage von 100.000 Exemplaren ist ja doch beachtlich. Wer soll denn dieses Magazin kaufen? Sie haben schon ein bisschen gesagt, es gibt eine Möglichkeit dort, sich zu orientieren, aber es gibt ja auch Leute, die sagen, nein, das ist mir doch als Intellektueller zu dürftig, da lese ich lieber das Feuilleton. Möglicherweise könnte aber auch einem Nichtleser dieses 130-Seiten-starke Magazin doch zu dick erscheinen.

    Jürgens: Also machen wir uns da nichts vor. Ich glaube, wenn Sie da die genauen Zahlen anschauen, wie viele Leute eigentlich das Feuilleton lesen, sind das verdammt wenige. Wir machen ein Angebot an alle Leute, die Lust haben, zu lesen. Es ist ein Magazin, was aus Liebe zum Lesen entstanden ist, was nicht heißt, dass alles dort fröhlich ist. Wir sind auch sehr kritisch. Wir müssen schauen, wer es kaufen wird. Wir glauben, all die Leute, die Spaß an Bücher haben und die Bücher auch mit Emotionen verbinden, denn wir glauben, dass es auch Spaß macht, in einem Magazin einfach mal zu blättern, sich schöne Bilder aus Bildbänden anzuschauen oder eine Fotosprache, die wir glauben sehr eigenständig entwickelt zu haben. Es ist also kein akademisches Turnen. Es ist einfach Lust am Lesen, Lust am Blättern.

    DLF: Das hört sich ähnlich an wie Elke Heidenreich. Was halten Sie von ihrer Fernsehsendung?

    Jürgens: Ich finde das ein interessantes Konzept.

    DLF: Es geht in diesem ersten Heft auch um Klatsch und Tratsch, das wollen wir nicht verschweigen, zum Beispiel um schreibende Filmstars. Da heißt es zum Beispiel, Ethan Hawke sei ein Hollywood-Star, der schreiben könne aber dafür im Moment keine Zeit habe, weil er sich nämlich von seiner Frau Uma Thurman trennen wolle und jetzt gerade um das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder streitet. Muss man denn heute sich dafür interessieren, wenn man für Bücher werben möchte?

    Jürgens: Ich weiß nicht, ob man das muss, aber seien Sie doch mal ehrlich, interessiert es Sie nicht?

    DLF: Sie wollen ja mit diesem Magazin Orientierungshilfe im Bücherdschungel geben, und das setzt ja doch einen gewissen Überblick voraus. Diesen Überblick müssen Sie sich verschaffen. Haben Sie denn mit diesem großen Spektrum nicht doch zu viel aufgeladen? Müssen Sie nicht doch zu viel an der Oberfläche bleiben, wenn Sie zum Beispiel dann auch solche Klatsch- und Tratschgeschichten da mit einbeziehen müssen?

    Jürgens: Nein, ich glaube das nicht .Das sollte unsere Leistung sein, dass wir einfach eine Auswahl für den Leser treffen und sagen, das ist interessant, das ist nicht interessant, bitte lesen, bitte die Finger weglassen.

    DLF: Vielen Dank für das Gespräch.