Schäfer-Noske: Elke Heidenreich will die Leute zum Lesen bringen, also Empfehlungen aussprechen statt durch fiese Verrisse unterhalten. Nicht zufällig trägt ihre Sendung den Titel "Lesen" mit einem Ausrufezeichen dahinter. Aber muss so eine Literatursendung ohne Verrisse nicht zwangsläufig langweilig werden oder zumindest der missionarische Impetus irgendwann nerven?
Sichtermann: Ja, sie hat es natürlich nicht so leicht wie diese Wettbewerbssituation im literarischen Quartett, wo es ja nicht darum ging, Bücher zu verweisen, sondern auch, wer bringt die besten Argumente vor. Diese vier Lesefüchse, die da saßen und sich stritten, diese Spannungsebene fehlt, und das muss wettgemacht werden und wurde in der ersten Sendung wettgemacht durch die Begeisterung von Elke Heidenreich, die - ich will es ein bisschen abschätzig, aber ich meine es lieb, sagen - als Schnatterinchen im Dienste der Literatur drauf los gesprudelt hat und wirklich mit ihrer Begeisterung ansteckend gewirkt hat. Man hatte eigentlich Lust, sofort einen Buchladen aufzubrechen und das Buch, was sie besonders empfohlen hat von der Nuala OFaolain, eine Irin, mit Titel "Ein alter Traum von Liebe" sofort zu kaufen, einfach weil man dieser Frau das abnimmt, dass das Buch spitze ist. Aber Sie haben schon Recht, es ist eine Gefahr, wird es tragen, wird es auf Dauer so bleiben? Aber ich denke, man kann das Konzept dieser Sendung auch ändern. Es sind ja Gäste da, es sind Einspielfilme da, es ist gewisser Spielraum, auch mal etwas Anderes zu machen als Elke Heidenreich in ihrer Begeisterung zu präsentieren.
Schäfer-Noske: Elke Heidenreich hat ja gleich am Anfang der Sendung gesagt, wer lesen wolle, habe auch Zeit dafür. Sie wolle da keine Ausreden mehr gelten lassen. Aber ist es tatsächlich ein Publikum, das bekehrt werden muss?
Sichtermann: Das ist eine gute Frage. Wer so etwas einschaltet, ist ja schon an der Literatur interessiert. Aber es kommt noch etwas dazu. Was Fernsehen bieten kann, ist eine Art Filter. Es kann den Leuten, den Zuschauern nahe bringen, hier ist etwas Neues an Literatur passiert, Leute, kümmert euch darum, anders als die modernen Buchläden, wo man den Buchhändler, der alles gelesen hat und gut raten kann, ja auch immer seltener findet. Das kann das Fernsehen und das sollte es auch machen.
Schäfer-Noske: Von literarischer Kritik fand aber in der Sendung eigentlich nichts statt, sondern es ging ja nur um Inhalte. Ist das nicht ein großes Manko dieser Sendung?
Sichtermann: Na ja, ich bin da doch nicht so ganz Ihrer Meinung. Also Harald Schmidt war als Gast da und erzählte gleich von einem Buch, was er noch heute nicht mochte, nämlich dieses berühmte "Alles ist erleuchtet", was überall empfohlen wird, von einem sehr jungen amerikanischen Schriftsteller, und er schimpfte eigentlich minutenlang auf dieses Buch. Also die Sendung ist schon hin und wieder doch mit Elementen der Kritik versehen.
Schäfer-Noske: Ich meinte jetzt die Betonung auch mehr auf literarisch, denn es ging ja doch immer um Inhalte, worum geht es in dem Buch, aber es ging eigentlich außer diesen Vorlesepassagen wenig um die Literatur selbst, um das Wie etwas rübergebracht wird.
Sichtermann: Das ist natürlich auch immer schwer, im Fernsehen zu erklären. Also ich habe mir hier eine Notiz gemacht, am Schluss wird ja immer ein Hörbuch vorgestellt, und da sagte sie, wir bringen jetzt einen Ausschnitt, dann bekommen Sie ein bisschen Stilgefühl. Da sie ja ein paar Mal versucht hat zu erklären, dass Lesen ja doch Begegnung mit einem Stoff sein kann, der einmalig ist, den wir nirgendwo anders haben, nicht im Fernsehen, nicht im Radio, sondern dazu müssen wir schon das Buch aufschlagen, würde ich mal denken, sie wühlt sich vielleicht mit der Zeit in diese Fragen rein in ihrer Sendung, so dass man nach dem Motto Fortsetzung folgt sich diesen, wie Sie sehr richtig sagen, doch entscheidenden Fragen nach der literarischen Qualität, nach dem Wie des Erzählens dann nähern kann. Das ist vielleicht in der ersten Sendung eine Überforderung.
Schäfer-Noske: Vielleicht zum Schluss auch noch mal zur Auswahl der Bücher. Sie hatten gerade das Hörbuch angesprochen, da ging es um den kleinen Prinzen. Das ist ja vielleicht ein Hörbuch, das auch so seinen Absatz findet.
Sichtermann: Ich war ein bisschen enttäuscht, was die Bücher betrifft. Es ist mal wieder der amerikanische Mainstream, und der amerikanische Mainstream ist ja immer - das weiß man - etwas ganz Besonderes. Das sind eigentliche lauter Außenseiter, was niemand glaubt. Gut, Tim Parks ist Engländer und diese Iren, das war sicherlich mal etwas Besonderes, aber ich denke mir, so eine Sendung könnte erst mal mehr Bücher vorstellen, und dann mehr auf Außenseiter setzen, auch mal von alten Büchern sprechen, also dieses Hecheln hinter der Aktualität her, dass Allerneuste, das passt nicht zur Literatur.
Schäfer-Noske: Danke für das Gespräch.
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Sichtermann: Ja, sie hat es natürlich nicht so leicht wie diese Wettbewerbssituation im literarischen Quartett, wo es ja nicht darum ging, Bücher zu verweisen, sondern auch, wer bringt die besten Argumente vor. Diese vier Lesefüchse, die da saßen und sich stritten, diese Spannungsebene fehlt, und das muss wettgemacht werden und wurde in der ersten Sendung wettgemacht durch die Begeisterung von Elke Heidenreich, die - ich will es ein bisschen abschätzig, aber ich meine es lieb, sagen - als Schnatterinchen im Dienste der Literatur drauf los gesprudelt hat und wirklich mit ihrer Begeisterung ansteckend gewirkt hat. Man hatte eigentlich Lust, sofort einen Buchladen aufzubrechen und das Buch, was sie besonders empfohlen hat von der Nuala OFaolain, eine Irin, mit Titel "Ein alter Traum von Liebe" sofort zu kaufen, einfach weil man dieser Frau das abnimmt, dass das Buch spitze ist. Aber Sie haben schon Recht, es ist eine Gefahr, wird es tragen, wird es auf Dauer so bleiben? Aber ich denke, man kann das Konzept dieser Sendung auch ändern. Es sind ja Gäste da, es sind Einspielfilme da, es ist gewisser Spielraum, auch mal etwas Anderes zu machen als Elke Heidenreich in ihrer Begeisterung zu präsentieren.
Schäfer-Noske: Elke Heidenreich hat ja gleich am Anfang der Sendung gesagt, wer lesen wolle, habe auch Zeit dafür. Sie wolle da keine Ausreden mehr gelten lassen. Aber ist es tatsächlich ein Publikum, das bekehrt werden muss?
Sichtermann: Das ist eine gute Frage. Wer so etwas einschaltet, ist ja schon an der Literatur interessiert. Aber es kommt noch etwas dazu. Was Fernsehen bieten kann, ist eine Art Filter. Es kann den Leuten, den Zuschauern nahe bringen, hier ist etwas Neues an Literatur passiert, Leute, kümmert euch darum, anders als die modernen Buchläden, wo man den Buchhändler, der alles gelesen hat und gut raten kann, ja auch immer seltener findet. Das kann das Fernsehen und das sollte es auch machen.
Schäfer-Noske: Von literarischer Kritik fand aber in der Sendung eigentlich nichts statt, sondern es ging ja nur um Inhalte. Ist das nicht ein großes Manko dieser Sendung?
Sichtermann: Na ja, ich bin da doch nicht so ganz Ihrer Meinung. Also Harald Schmidt war als Gast da und erzählte gleich von einem Buch, was er noch heute nicht mochte, nämlich dieses berühmte "Alles ist erleuchtet", was überall empfohlen wird, von einem sehr jungen amerikanischen Schriftsteller, und er schimpfte eigentlich minutenlang auf dieses Buch. Also die Sendung ist schon hin und wieder doch mit Elementen der Kritik versehen.
Schäfer-Noske: Ich meinte jetzt die Betonung auch mehr auf literarisch, denn es ging ja doch immer um Inhalte, worum geht es in dem Buch, aber es ging eigentlich außer diesen Vorlesepassagen wenig um die Literatur selbst, um das Wie etwas rübergebracht wird.
Sichtermann: Das ist natürlich auch immer schwer, im Fernsehen zu erklären. Also ich habe mir hier eine Notiz gemacht, am Schluss wird ja immer ein Hörbuch vorgestellt, und da sagte sie, wir bringen jetzt einen Ausschnitt, dann bekommen Sie ein bisschen Stilgefühl. Da sie ja ein paar Mal versucht hat zu erklären, dass Lesen ja doch Begegnung mit einem Stoff sein kann, der einmalig ist, den wir nirgendwo anders haben, nicht im Fernsehen, nicht im Radio, sondern dazu müssen wir schon das Buch aufschlagen, würde ich mal denken, sie wühlt sich vielleicht mit der Zeit in diese Fragen rein in ihrer Sendung, so dass man nach dem Motto Fortsetzung folgt sich diesen, wie Sie sehr richtig sagen, doch entscheidenden Fragen nach der literarischen Qualität, nach dem Wie des Erzählens dann nähern kann. Das ist vielleicht in der ersten Sendung eine Überforderung.
Schäfer-Noske: Vielleicht zum Schluss auch noch mal zur Auswahl der Bücher. Sie hatten gerade das Hörbuch angesprochen, da ging es um den kleinen Prinzen. Das ist ja vielleicht ein Hörbuch, das auch so seinen Absatz findet.
Sichtermann: Ich war ein bisschen enttäuscht, was die Bücher betrifft. Es ist mal wieder der amerikanische Mainstream, und der amerikanische Mainstream ist ja immer - das weiß man - etwas ganz Besonderes. Das sind eigentliche lauter Außenseiter, was niemand glaubt. Gut, Tim Parks ist Engländer und diese Iren, das war sicherlich mal etwas Besonderes, aber ich denke mir, so eine Sendung könnte erst mal mehr Bücher vorstellen, und dann mehr auf Außenseiter setzen, auch mal von alten Büchern sprechen, also dieses Hecheln hinter der Aktualität her, dass Allerneuste, das passt nicht zur Literatur.
Schäfer-Noske: Danke für das Gespräch.
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