Denn in Zeiten der Verlagsverkäufe, Fusionen, Schließungen - der Buchbranche ging es in der letzten Zeit nicht besonders gut. Doch trotz der wirtschaftlichen Misere auch in den großen Verlagshäusern gründen sich vereinzelt neue Verlage - klein, ambitioniert und literarisch anspruchsvoll - wie der Tisch 7 aus Köln.
"Wir waren in dem Kölner Restaurant, das steirische Spezialitäten bietet, nämlich im Zeiritz, in der Limburger Straße und da haben wir immer über Literatur gesprochen. Und das ist ein gutes Jahr her, und an Tisch 7 haben wir dann beschlossen, diesen Verlag zu gründen, sozusagen ist der Ursprungsort zum Namen geworden. "
Soweit die Gründungsanekdote des neuen Kölner Verlags Tisch 7, berichtet von Bettina Hesse, ihres Zeichens Programmleiterin des ambitionierten Unternehmens. Was aber treibt jemanden um, in Zeiten allgemeiner Depression, ja wohl möglicher Deflation, ein solches Wagnis auf sich zu nehmen?
"Zuerst haben wir uns überlegt, dass es an der Zeit ist, mit guter Literatur auch in einem überschaubaren Rahmen an die Öffentlichkeit zu treten. Zumal sich ja doch bei den großen Verlagen bestimmte Dinge getan haben, so dass wir eigentlich ganz klar unsere Chance dazu sahen, dass wir jetzt mit einem guten literarischen Programm und einem kleinen Sachbuchprogramm starten können."
In der Tat ist der Literaturbetrieb in Bewegung, selbst große und größte Häuser wanken oder wechseln alle Jahre wieder den Besitzer. Ist das nicht aber gerade ein Zeichen für die wirtschaftliche Misere am Buchmarkt, was kann ein kleiner Verlag hier besser machen als die Multis?
"Es gibt viele Autoren, die mit der Betreuung insofern nicht so zufrieden sind, wie wir das vielleicht leisten können, also hinter jedem Titel sehr eindeutig zu stehen, und das Programm von Anfang sehr intensiv und eng zu begleiten. Dann - wie wir alle wissen - sind die Verlage eben doch sehr stark auf Konzernebene und den Lektoren oder der künstlerischen Arbeit ist damit doch auf eine ganz andere Art die Hände gebunden."
Frank Niederländer, Vertriebs- und PR-Chef in einer Person, weist auf einen weiteren Punkt hin:
"Ich denke, dass bei den großen Verlagen die Frage nach dem Deckungsbeitrag oder nach der Kostenleistungsrechnung im Vordergrund steht, und da tun sich für kleinere Unternehmen auch Lücken auf, deswegen denke ich, dass der jetzige Zeitpunkt ein besonders günstiger ist, um einen neuen Verlag zu gründen. Ich glaube, man kann als kleiner Verlag bestimmte Dinge anders machen als die großen, man kann zum Beispiel sehr viel intensiver einzelne Autoren betreuen und das bedeutet natürlich auch, dass man die besser im Markt positionieren kann."
Gerade hier sehen die Macher von Tisch 7 ihren Wettbewerbsvorteil: Sie wollen schneller und flexibler agieren, das Risiko geringer halten, wie Bettina Hesse ausführt:
"Ich glaube, die großen Verlage, wenn sie sehr große Projekte machen, gehen ein sehr hohes Risiko ein. Das heißt, sie haben ja auch sehr viele Lizenzen gekauft, es sind einfach viele Dinge gemacht worden, wo das Risiko sehr hoch war und der Einsatz sehr hoch war und die berühmte Mischkalkulation nicht aufgegangen ist. Wir haben natürlich den Vorteil, dass wir mit einem kleinen Programm, also auf schmalem Raum ein breites Spektrum abdecken möchten, und das Risiko insofern geringer ist, dass wir mit den wenigen Titeln, die wir machen, davon sind wir nicht nur hundertprozentig überzeugt, sondern da spekulieren wir nicht auf einen Publikumserfolg, im Sinne von: wir kaufen jetzt eine Lizenz ein und sehen mal zu, dass das jetzt hier mal wunderbar funktioniert. Sondern es ist jetzt an den Autoren orientiert und vor allen Dingen an der literarischen Qualität und wenn die - wie wir glauben - mit dem nötigen Einsatz und mit dem Marketing und mit der Positionierung untereinander, also auf schmalem Raum sehr weite Positionen und unterschiedliche Positionen, literarische Positionen zu besetzen, ich denke, das hat dann schon eine eigene Handschrift und einen eigenen Charakter. Man ist da viel flexibler, wir können ja auch viel kurzfristiger Projekte realisieren."
Das "schmale" Programm, von dem Bettina Hesse spricht, besteht im Frühjahr aus 3 belletristischen Titeln, Romanen und Erzählungen sowie einem Sachbuch. Im Herbst folgen vier weitere Romane und erneut ein Sachbuch. Zu Recht bezeichnet Frank Niederländer diese insgesamt 9 Hardcover-Titel im ersten Jahr als eine "ordentliche Leistung". Dies dürfte zunächst wirklich die Grenze dessen sein, was ein kleiner Verlag stemmen kann. Denn in einer kulturellen Situation, die ganz auf Spektakel und Event ausgerichtet ist, fällt es seriösen literarischen Ansätzen schwer auf sich aufmerksam zu machen. Frank Niederländer umreißt, wie Tisch 7 sich dieser Problematik stellen will:
"Also neben den inhaltlichen Aspekten, der literarischen Qualität, ist es natürlich ganz wichtig, dass man auch visuell ein bisschen auffällt. Ich glaube, auch da machen die großen Verlage noch vieles sehr konservativ, handhaben das eben sehr konservativ, ich denke, wir haben uns da vorgenommen, das doch ein bisschen anders anzugehen, und ich glaube, das sieht man unseren Büchern auch an. Also wenn man die auf dem Büchertisch sieht, dann fallen die auch auf, als Produkte von Tisch 7."
Tatsächlich sind die Tisch-7-Bücher sehr aufwändig von Sabine Schrage, Köln, gestaltet. Den vierfarbigen, zum Teil vielleicht etwas zu verspielten Schutzumschlägen ist als serielles Reihenmerkmal eine schwarze Banderole aufgeprägt. Auch das Vorsatzpapier ist über und über mit dem Verlagsnamen bedruckt, eine Verwechselung ist daher wirklich unwahrscheinlich. Wie lässt sich nun aber die literarisch-inhaltliche Programmatik des neuen Verlages beschreiben? Bettina Hesse:
"Ich bin ja schon seit langer Zeit als Herausgeberin tätig und habe mit sehr vielen Autoren, sowohl jüngeren als auch sehr arrivierten oder gestandenen Autoren nach wie vor sehr gute Kontakte. Daraus hat sich ein bisschen so unsere Verlagspolitik ergeben, dass wir gesagt haben, wir wollen gerne, dass gestandene Autoren, bekannte Autoren, namhafte Autoren bei uns sozusagen eine Heimat finden, oft auch Autoren, die aus größeren Häusern kommen und sich da aus verschiedenen Gründen nicht mehr wohl fühlen. Daneben ganz wichtig ist uns natürlich das literarische Debüt, das wird auch in jedem Programm dabei sein, das heißt, junge Autoren fördern, entdecken und auch aufbauen, das heißt, wir wollen natürlich die Autoren auch ans Haus binden und mit der Zeit begleiten. Das ist das Eine - oder die beiden Seiten, die Pole sozusagen, und dazwischen wollen wir, was an guter und interessanter Literatur für uns wichtig ist, das sind nicht nur die sprachlichen Aspekte, sondern auch inhaltliche Aspekte, Anklänge an historische Zusammenhänge oder bestimmte Thematiken, wir wollen auf jeden Fall sehr unterschiedliche Autoren und das gemeinsame Kriterium dieser Titel wird immer sein, die literarische Qualität, die hohe Qualität."
Das erste Programm von Tisch 7 verrät allerdings eine große Varietät, da steht etwa der Roman des Leipziger Lyrikers Thomas Kunst, sprachlich hoch gebildet, neben den versponnen-fantastischen Erzählungen Alban Nikolai Herbsts, Short-Stories mit Science-Fiction-Anklängen:
"Klassische Erzählungen auf der einen Seite, und was ich mit historischem Bezug meinte, das bezog sich in diesem Falle auf den Roman von Doris Konradi "Fehlt denn jemand", in dem es um die Geschichte von zwei Geschwistern geht, die mit dem Schweigen in ihrer Familie über der Vergangenheit des Großvaters, der ein aktiver Nazi war, auf sehr unterschiedliche Weise umgehen, also auch die Romane, die wir in den nächsten Programmen planen, die haben mit der Thematik Bundesrepublik, Geschichte der Bundesrepublik oder auch ganz konkreten Ausschnitten aus historischen Themen zu tun, also natürlich kein historischer Roman, sondern Zeitgeschichte, die da einfließt."
Doris Konradis Debüt ist für Hesse, ohne einen thematischen Schwerpunkt zu markieren, doch schon programmatisch für die Interessenslage der Verlagskonzeption. Das Buch ist versiert erzählt, dramaturgisch gekonnt werden zwei synchrone Erzählstränge von Bruder und Schwester nach verfolgt, ohne dass diese sich im Erzählungsverlauf treffen, zumindest in Echtzeit nicht. Beide sehen sich verstrickt in ein absichtsvoll verquastes Beziehungsgeflecht, während der Bruder ins Ausland floh und nun in gruftihaftem Hippiemilieu einer dauerhaften Identitätskrise beizukommen sucht, bemüht sich die Schwester um die direkte Konfrontation mit der Familie, sublimiert die unterdrückte Vergangenheit auch in ihrer kreativen Arbeit als Theaterregisseurin. Das ist - wie gesagt - gut geschrieben, ob man die Figuren sympathisch oder interessant findet, steht der subjektiven Lesermeinung anheim.
Thomas Kunsts Roman "Sonntage ohne Unterschrift" kommt dagegen fast ohne traditionellen Plot aus, ein Mann sitzt in einem Hotel in New York, trinkt und schreibt an seine ferne Geliebte, beschwört gemeinsame Erinnerungen und die mögliche Zukunft. Einen roten Faden gibt es nicht, es ist die Realität der Sprache, die sich selbst immer weiter fort spinnt, was einen bisweilen an den französischen Nouveau Roman denken lässt. Bettina Hesse zu ihrem Autor Thomas Kunst:
"Er ist als Lyriker bekannt. Und da hat uns vor allem bestochen die sprachliche Kunst, die Kunst wirklich an den Tag legt."
Die erwähnten, fantastischen Erzählungen Alban Nikolai Herbsts gehen dagegen eher ans Eingemachte: In "Besuch auf dem Lande" mühen sich die Städter einer (hoffentlich fernen) Zukunft hinaus aufs "infektiöse" Land, um dann - selbst in keimfreien Gummianzügen geborgen - die verwilderten Eingeborenen genussvoll zu schlachten. In "Der Gräfenberg-Club" versucht Herbst sich in einer Art postmodernen Vexierspiels à la Borges, auch Goethes "Turmgesellschaft" lässt grüßen, aber ganz so gediegen und geschliffen, wie man sich ein solchen Text wünschen würde, kommt er dann doch nicht daher, ein Manko, das auch anderen Geschichten Herbsts anhaftet.
Dennoch: Die Verlagsgründung Tisch 7 ist ein mutiger und engagierter Versuch, der neugierig auf mehr macht. Im Herbst - das haben die beiden Verleger bereits verraten - sollen Bücher von Jochen Schimmang und Jürg Ammann folgen. Neben deutschsprachiger Gegenwartsliteratur wird Tisch 7 jedoch auch einen starken Focus auf andere europäische Literaturen werfen, insbesondere solche, die hierzulande seltener in den Verlagsprogrammen auftauchen. Geplant sind zunächst Übersetzungen aus dem Niederländischen und Italienischen. Man darf gespannt sein!
Im Tisch 7 Verlag erschienen:
Nikolai Alban Herbst: "Die Niedertracht der Musik", Erzählungen, 192 S., 22 Euro.
Doris Konradi: "Fehlt denn jemand", Roman, 240 S., 24,50 Euro.
Thomas Kunst: "Sonntage ohne Unterschrift", 160 S., 18,50 Euro.
"Wir waren in dem Kölner Restaurant, das steirische Spezialitäten bietet, nämlich im Zeiritz, in der Limburger Straße und da haben wir immer über Literatur gesprochen. Und das ist ein gutes Jahr her, und an Tisch 7 haben wir dann beschlossen, diesen Verlag zu gründen, sozusagen ist der Ursprungsort zum Namen geworden. "
Soweit die Gründungsanekdote des neuen Kölner Verlags Tisch 7, berichtet von Bettina Hesse, ihres Zeichens Programmleiterin des ambitionierten Unternehmens. Was aber treibt jemanden um, in Zeiten allgemeiner Depression, ja wohl möglicher Deflation, ein solches Wagnis auf sich zu nehmen?
"Zuerst haben wir uns überlegt, dass es an der Zeit ist, mit guter Literatur auch in einem überschaubaren Rahmen an die Öffentlichkeit zu treten. Zumal sich ja doch bei den großen Verlagen bestimmte Dinge getan haben, so dass wir eigentlich ganz klar unsere Chance dazu sahen, dass wir jetzt mit einem guten literarischen Programm und einem kleinen Sachbuchprogramm starten können."
In der Tat ist der Literaturbetrieb in Bewegung, selbst große und größte Häuser wanken oder wechseln alle Jahre wieder den Besitzer. Ist das nicht aber gerade ein Zeichen für die wirtschaftliche Misere am Buchmarkt, was kann ein kleiner Verlag hier besser machen als die Multis?
"Es gibt viele Autoren, die mit der Betreuung insofern nicht so zufrieden sind, wie wir das vielleicht leisten können, also hinter jedem Titel sehr eindeutig zu stehen, und das Programm von Anfang sehr intensiv und eng zu begleiten. Dann - wie wir alle wissen - sind die Verlage eben doch sehr stark auf Konzernebene und den Lektoren oder der künstlerischen Arbeit ist damit doch auf eine ganz andere Art die Hände gebunden."
Frank Niederländer, Vertriebs- und PR-Chef in einer Person, weist auf einen weiteren Punkt hin:
"Ich denke, dass bei den großen Verlagen die Frage nach dem Deckungsbeitrag oder nach der Kostenleistungsrechnung im Vordergrund steht, und da tun sich für kleinere Unternehmen auch Lücken auf, deswegen denke ich, dass der jetzige Zeitpunkt ein besonders günstiger ist, um einen neuen Verlag zu gründen. Ich glaube, man kann als kleiner Verlag bestimmte Dinge anders machen als die großen, man kann zum Beispiel sehr viel intensiver einzelne Autoren betreuen und das bedeutet natürlich auch, dass man die besser im Markt positionieren kann."
Gerade hier sehen die Macher von Tisch 7 ihren Wettbewerbsvorteil: Sie wollen schneller und flexibler agieren, das Risiko geringer halten, wie Bettina Hesse ausführt:
"Ich glaube, die großen Verlage, wenn sie sehr große Projekte machen, gehen ein sehr hohes Risiko ein. Das heißt, sie haben ja auch sehr viele Lizenzen gekauft, es sind einfach viele Dinge gemacht worden, wo das Risiko sehr hoch war und der Einsatz sehr hoch war und die berühmte Mischkalkulation nicht aufgegangen ist. Wir haben natürlich den Vorteil, dass wir mit einem kleinen Programm, also auf schmalem Raum ein breites Spektrum abdecken möchten, und das Risiko insofern geringer ist, dass wir mit den wenigen Titeln, die wir machen, davon sind wir nicht nur hundertprozentig überzeugt, sondern da spekulieren wir nicht auf einen Publikumserfolg, im Sinne von: wir kaufen jetzt eine Lizenz ein und sehen mal zu, dass das jetzt hier mal wunderbar funktioniert. Sondern es ist jetzt an den Autoren orientiert und vor allen Dingen an der literarischen Qualität und wenn die - wie wir glauben - mit dem nötigen Einsatz und mit dem Marketing und mit der Positionierung untereinander, also auf schmalem Raum sehr weite Positionen und unterschiedliche Positionen, literarische Positionen zu besetzen, ich denke, das hat dann schon eine eigene Handschrift und einen eigenen Charakter. Man ist da viel flexibler, wir können ja auch viel kurzfristiger Projekte realisieren."
Das "schmale" Programm, von dem Bettina Hesse spricht, besteht im Frühjahr aus 3 belletristischen Titeln, Romanen und Erzählungen sowie einem Sachbuch. Im Herbst folgen vier weitere Romane und erneut ein Sachbuch. Zu Recht bezeichnet Frank Niederländer diese insgesamt 9 Hardcover-Titel im ersten Jahr als eine "ordentliche Leistung". Dies dürfte zunächst wirklich die Grenze dessen sein, was ein kleiner Verlag stemmen kann. Denn in einer kulturellen Situation, die ganz auf Spektakel und Event ausgerichtet ist, fällt es seriösen literarischen Ansätzen schwer auf sich aufmerksam zu machen. Frank Niederländer umreißt, wie Tisch 7 sich dieser Problematik stellen will:
"Also neben den inhaltlichen Aspekten, der literarischen Qualität, ist es natürlich ganz wichtig, dass man auch visuell ein bisschen auffällt. Ich glaube, auch da machen die großen Verlage noch vieles sehr konservativ, handhaben das eben sehr konservativ, ich denke, wir haben uns da vorgenommen, das doch ein bisschen anders anzugehen, und ich glaube, das sieht man unseren Büchern auch an. Also wenn man die auf dem Büchertisch sieht, dann fallen die auch auf, als Produkte von Tisch 7."
Tatsächlich sind die Tisch-7-Bücher sehr aufwändig von Sabine Schrage, Köln, gestaltet. Den vierfarbigen, zum Teil vielleicht etwas zu verspielten Schutzumschlägen ist als serielles Reihenmerkmal eine schwarze Banderole aufgeprägt. Auch das Vorsatzpapier ist über und über mit dem Verlagsnamen bedruckt, eine Verwechselung ist daher wirklich unwahrscheinlich. Wie lässt sich nun aber die literarisch-inhaltliche Programmatik des neuen Verlages beschreiben? Bettina Hesse:
"Ich bin ja schon seit langer Zeit als Herausgeberin tätig und habe mit sehr vielen Autoren, sowohl jüngeren als auch sehr arrivierten oder gestandenen Autoren nach wie vor sehr gute Kontakte. Daraus hat sich ein bisschen so unsere Verlagspolitik ergeben, dass wir gesagt haben, wir wollen gerne, dass gestandene Autoren, bekannte Autoren, namhafte Autoren bei uns sozusagen eine Heimat finden, oft auch Autoren, die aus größeren Häusern kommen und sich da aus verschiedenen Gründen nicht mehr wohl fühlen. Daneben ganz wichtig ist uns natürlich das literarische Debüt, das wird auch in jedem Programm dabei sein, das heißt, junge Autoren fördern, entdecken und auch aufbauen, das heißt, wir wollen natürlich die Autoren auch ans Haus binden und mit der Zeit begleiten. Das ist das Eine - oder die beiden Seiten, die Pole sozusagen, und dazwischen wollen wir, was an guter und interessanter Literatur für uns wichtig ist, das sind nicht nur die sprachlichen Aspekte, sondern auch inhaltliche Aspekte, Anklänge an historische Zusammenhänge oder bestimmte Thematiken, wir wollen auf jeden Fall sehr unterschiedliche Autoren und das gemeinsame Kriterium dieser Titel wird immer sein, die literarische Qualität, die hohe Qualität."
Das erste Programm von Tisch 7 verrät allerdings eine große Varietät, da steht etwa der Roman des Leipziger Lyrikers Thomas Kunst, sprachlich hoch gebildet, neben den versponnen-fantastischen Erzählungen Alban Nikolai Herbsts, Short-Stories mit Science-Fiction-Anklängen:
"Klassische Erzählungen auf der einen Seite, und was ich mit historischem Bezug meinte, das bezog sich in diesem Falle auf den Roman von Doris Konradi "Fehlt denn jemand", in dem es um die Geschichte von zwei Geschwistern geht, die mit dem Schweigen in ihrer Familie über der Vergangenheit des Großvaters, der ein aktiver Nazi war, auf sehr unterschiedliche Weise umgehen, also auch die Romane, die wir in den nächsten Programmen planen, die haben mit der Thematik Bundesrepublik, Geschichte der Bundesrepublik oder auch ganz konkreten Ausschnitten aus historischen Themen zu tun, also natürlich kein historischer Roman, sondern Zeitgeschichte, die da einfließt."
Doris Konradis Debüt ist für Hesse, ohne einen thematischen Schwerpunkt zu markieren, doch schon programmatisch für die Interessenslage der Verlagskonzeption. Das Buch ist versiert erzählt, dramaturgisch gekonnt werden zwei synchrone Erzählstränge von Bruder und Schwester nach verfolgt, ohne dass diese sich im Erzählungsverlauf treffen, zumindest in Echtzeit nicht. Beide sehen sich verstrickt in ein absichtsvoll verquastes Beziehungsgeflecht, während der Bruder ins Ausland floh und nun in gruftihaftem Hippiemilieu einer dauerhaften Identitätskrise beizukommen sucht, bemüht sich die Schwester um die direkte Konfrontation mit der Familie, sublimiert die unterdrückte Vergangenheit auch in ihrer kreativen Arbeit als Theaterregisseurin. Das ist - wie gesagt - gut geschrieben, ob man die Figuren sympathisch oder interessant findet, steht der subjektiven Lesermeinung anheim.
Thomas Kunsts Roman "Sonntage ohne Unterschrift" kommt dagegen fast ohne traditionellen Plot aus, ein Mann sitzt in einem Hotel in New York, trinkt und schreibt an seine ferne Geliebte, beschwört gemeinsame Erinnerungen und die mögliche Zukunft. Einen roten Faden gibt es nicht, es ist die Realität der Sprache, die sich selbst immer weiter fort spinnt, was einen bisweilen an den französischen Nouveau Roman denken lässt. Bettina Hesse zu ihrem Autor Thomas Kunst:
"Er ist als Lyriker bekannt. Und da hat uns vor allem bestochen die sprachliche Kunst, die Kunst wirklich an den Tag legt."
Die erwähnten, fantastischen Erzählungen Alban Nikolai Herbsts gehen dagegen eher ans Eingemachte: In "Besuch auf dem Lande" mühen sich die Städter einer (hoffentlich fernen) Zukunft hinaus aufs "infektiöse" Land, um dann - selbst in keimfreien Gummianzügen geborgen - die verwilderten Eingeborenen genussvoll zu schlachten. In "Der Gräfenberg-Club" versucht Herbst sich in einer Art postmodernen Vexierspiels à la Borges, auch Goethes "Turmgesellschaft" lässt grüßen, aber ganz so gediegen und geschliffen, wie man sich ein solchen Text wünschen würde, kommt er dann doch nicht daher, ein Manko, das auch anderen Geschichten Herbsts anhaftet.
Dennoch: Die Verlagsgründung Tisch 7 ist ein mutiger und engagierter Versuch, der neugierig auf mehr macht. Im Herbst - das haben die beiden Verleger bereits verraten - sollen Bücher von Jochen Schimmang und Jürg Ammann folgen. Neben deutschsprachiger Gegenwartsliteratur wird Tisch 7 jedoch auch einen starken Focus auf andere europäische Literaturen werfen, insbesondere solche, die hierzulande seltener in den Verlagsprogrammen auftauchen. Geplant sind zunächst Übersetzungen aus dem Niederländischen und Italienischen. Man darf gespannt sein!
Im Tisch 7 Verlag erschienen:
Nikolai Alban Herbst: "Die Niedertracht der Musik", Erzählungen, 192 S., 22 Euro.
Doris Konradi: "Fehlt denn jemand", Roman, 240 S., 24,50 Euro.
Thomas Kunst: "Sonntage ohne Unterschrift", 160 S., 18,50 Euro.