Lester Thurow hat den Anspruch, mit seinem Essay - im amerikanischen Original lautet der Titel "Das Glück ist mit den Kühnen" - Licht in die babylonische Wirrnis der Globalisierung zu bringen. Er fährt fort:
Dieser wirtschaftliche Turm zu Babel wird ohne Baupläne errichtet. Die Architekturzeichnungen sind noch nicht einmal im Entwurfsstadium. Die Regierungen denken nicht über geeignete Pläne nach, da der Turm vom Privatsektor erbaut wird. Am liebsten würden sie sich überhaupt keine Gedanken über die Globalisierung machen, denn diese beeinträchtigt ihre Rolle und ihre Einflussmöglichkeiten auf wirtschaftliche Ereignisse.
Die politischen Akteure kneifen, die einzelnen Unternehmen sind auf ihr jeweiliges Aktionsfeld beschränkt und zu denjenigen, die meinen, der Markt werde es schon von selber richten, geht der Autor auch auf Distanz. Für Thurow gibt es keine Alternative zur Globalisierung. Also gilt es, sie zu durchschauen und zu gestalten. Dabei spielt für den Autor Amerika, sprich die USA, als ökonomisch und militärisch mächtigstes Land, die alles überragende Rolle. Militärische und ökonomische Vernunft bedingen sich dabei gegenseitig. Beispiel: Der jüngste Krieg gegen den Irak:
Man bezahlt nur dann für eine moderne große Armee, wenn man beabsichtigt, sie einzusetzen. Was im Irak geschah, dient lediglich dazu, diese Realität zu unterstreichen. Die übrige Welt kann Amerika nicht zwingen, etwas zu tun, das es nicht will, oder es zwingen, eine Aktion einzustellen, die es in seinem eigenen Interesse für entscheidend hält. Aber die übrige Welt kann eine Umgebung schaffen, in der Amerikaner es für vernünftig halten, mit ihr zusammenzuarbeiten, um von allen Seiten anerkannte Probleme zu lösen: im Fall Irak das Problem Hussein.
Und ohne weitere Fragen zu stellen, macht sich der Autor das von der US-Regierung verlautbarte und inzwischen revidierte Bedrohungsszenario durch den Irak zu Eigen und erläutert, warum die Vereinten Nationen künftig unter ähnlichen Umständen nicht mehr darauf hoffen können, überhaupt noch von den USA konsultiert zu werden. Mit der gleichen Hemdsärmeligkeit erklärt der Autor die Moral der globalen Ökonomie:
Wer siegen will, kann nicht abseits stehen, sondern muss aktiv sein. Andere werden handeln, wenn man es nicht selber tut, und dann wird man den Folgen ausgeliefert sein. Wer an dem Abenteuer teilnimmt, mag verlieren, doch wer nicht daran teilnimmt, verliert mit Sicherheit. Das Glück gehört dem Tüchtigen, selbst wenn mancher davon als Verlierer endet.
Bedenken gegen genetisch veränderte Pflanzen und Tiere? Selber schuld, Europa, wenn du an Ungeheuer glaubst, während andere die Gewinne einfahren. Entweder mitmischen oder verlieren. Die Globalisierung heißt Kapitalismus, und Kapitalismus lebt von Habgier und hat nur ein Ziel: reich werden.
Der Kapitalismus ist im Grunde genommen eine Lotterie, die sehr viele Mitspieler braucht, um eine sehr kleine Zahl sehr großer Gewinner hervorzubringen. Individuen, die reich werden wollen, kaufen sich ein Los durch die Bereitschaft, unablässig zu arbeiten, ihren gegenwärtigen Konsum zur Finanzierung von Investitionen zu opfern und alles für die Gründung jener Millionen neuer Firmen zu riskieren. Die meisten können in der ökonomischen Lotterie nicht gewinnen. Sie opfern ihre Freizeit, ihren Konsum und vielleicht ihre Zukunft ohne jede Entschädigung.
Die wenigen Gewinner, welche die neuen Großunternehmer der Zukunft aufbauen, werden märchenhaft reich.
Was lernt der Leser also über die Zukunft der Weltwirtschaft, außer dass sich die Kühnen durchsetzen und ökonomisch Recht behalten werden? Immerhin gibt der Autor Denkanregungen durch zahlreiche Beispiele für wirtschaftliche Fehlentwicklungen und nimmt auch in seiner Kritik an neoliberalen Strategien kein Blatt vor den Mund:
Diejenigen, die den Kapitalismus behandeln, als sei er eine Religion und kein von Menschenhand geschaffenes Wirtschaftssystem, sprechen gern vom kapitalistischen Bedarf an Risikoträgern. Ihrer Meinung nach verhilft die individuelle Risikobereitschaft dem Kapitalismus zum Erfolg und rechtfertigt, was noch wichtiger ist, die sehr hohen Einkommen führender Kapitalisten. Dabei vergessen sie, dass auch jeder Verbrecher ein Risikoträger ist. Nach objektiven Maßstäben gibt es mehr individuelle Risikoträger in armen als in reichen Ländern. Afghanistan oder Somalia sind voll von Individuen, die ihr Leben für fast nichts aufs Spiel setzen würden.
Und wenn es schon zur fortschreitenden Globalisierung des Kapitalismus keine Alternative gibt, will Thurow sie immerhin politisch regulieren. Und hier überrascht er tatsächlich mit außergewöhnlichen Vorschlägen. Um das Gefälle zwischen Arm und Reich zu verringern, empfiehlt er etwa, die Weltbank in ein globales Bildungsministerium zu verwandeln:
Die Weltbank sollte ein Mandat erhalten, zusammen mit armen Ländern in die Bildung zu investieren, wann immer neue Mittel das Wissensniveau heben können.
Eine düstere Prognose gibt Lester Thurow für exportgeleitete Wachstumsstrategien. Vor allem die Vereinigten Staaten können nicht auf Dauer die Konjunkturlokomotive spielen, indem sie ihre hohe Nachfrage auf Pump finanzieren. Eine drastische Abwertung des Dollars wäre die bedrohliche Folge.
Gerade hat sich der größte Teil der Dritten Welt von den Vorzügen des exportinduzierten Wachstums überzeugen lassen, und plötzlich geht das Modell dem Untergang entgegen: Zerrieben zwischen Chinas Entscheidung, dem Modell zu folgen, und der Unfähigkeit der Vereinigten Staaten, ständig mit großem Handelsdefizit zu leben. Was im letzten halben Jahrhundert erfolgreich war, wird im kommenden nicht die gleiche Wirkung zeitigen. Wer in Zukunft erfolgreich sein will, wird neue Wachstumsstrategien entwerfen müssen.
Eine besondere Warnung für Eiferer nach dem Exportweltmeistertitel. Die Überschüsse der einen sind die Defizite der anderen.
Dieser wirtschaftliche Turm zu Babel wird ohne Baupläne errichtet. Die Architekturzeichnungen sind noch nicht einmal im Entwurfsstadium. Die Regierungen denken nicht über geeignete Pläne nach, da der Turm vom Privatsektor erbaut wird. Am liebsten würden sie sich überhaupt keine Gedanken über die Globalisierung machen, denn diese beeinträchtigt ihre Rolle und ihre Einflussmöglichkeiten auf wirtschaftliche Ereignisse.
Die politischen Akteure kneifen, die einzelnen Unternehmen sind auf ihr jeweiliges Aktionsfeld beschränkt und zu denjenigen, die meinen, der Markt werde es schon von selber richten, geht der Autor auch auf Distanz. Für Thurow gibt es keine Alternative zur Globalisierung. Also gilt es, sie zu durchschauen und zu gestalten. Dabei spielt für den Autor Amerika, sprich die USA, als ökonomisch und militärisch mächtigstes Land, die alles überragende Rolle. Militärische und ökonomische Vernunft bedingen sich dabei gegenseitig. Beispiel: Der jüngste Krieg gegen den Irak:
Man bezahlt nur dann für eine moderne große Armee, wenn man beabsichtigt, sie einzusetzen. Was im Irak geschah, dient lediglich dazu, diese Realität zu unterstreichen. Die übrige Welt kann Amerika nicht zwingen, etwas zu tun, das es nicht will, oder es zwingen, eine Aktion einzustellen, die es in seinem eigenen Interesse für entscheidend hält. Aber die übrige Welt kann eine Umgebung schaffen, in der Amerikaner es für vernünftig halten, mit ihr zusammenzuarbeiten, um von allen Seiten anerkannte Probleme zu lösen: im Fall Irak das Problem Hussein.
Und ohne weitere Fragen zu stellen, macht sich der Autor das von der US-Regierung verlautbarte und inzwischen revidierte Bedrohungsszenario durch den Irak zu Eigen und erläutert, warum die Vereinten Nationen künftig unter ähnlichen Umständen nicht mehr darauf hoffen können, überhaupt noch von den USA konsultiert zu werden. Mit der gleichen Hemdsärmeligkeit erklärt der Autor die Moral der globalen Ökonomie:
Wer siegen will, kann nicht abseits stehen, sondern muss aktiv sein. Andere werden handeln, wenn man es nicht selber tut, und dann wird man den Folgen ausgeliefert sein. Wer an dem Abenteuer teilnimmt, mag verlieren, doch wer nicht daran teilnimmt, verliert mit Sicherheit. Das Glück gehört dem Tüchtigen, selbst wenn mancher davon als Verlierer endet.
Bedenken gegen genetisch veränderte Pflanzen und Tiere? Selber schuld, Europa, wenn du an Ungeheuer glaubst, während andere die Gewinne einfahren. Entweder mitmischen oder verlieren. Die Globalisierung heißt Kapitalismus, und Kapitalismus lebt von Habgier und hat nur ein Ziel: reich werden.
Der Kapitalismus ist im Grunde genommen eine Lotterie, die sehr viele Mitspieler braucht, um eine sehr kleine Zahl sehr großer Gewinner hervorzubringen. Individuen, die reich werden wollen, kaufen sich ein Los durch die Bereitschaft, unablässig zu arbeiten, ihren gegenwärtigen Konsum zur Finanzierung von Investitionen zu opfern und alles für die Gründung jener Millionen neuer Firmen zu riskieren. Die meisten können in der ökonomischen Lotterie nicht gewinnen. Sie opfern ihre Freizeit, ihren Konsum und vielleicht ihre Zukunft ohne jede Entschädigung.
Die wenigen Gewinner, welche die neuen Großunternehmer der Zukunft aufbauen, werden märchenhaft reich.
Was lernt der Leser also über die Zukunft der Weltwirtschaft, außer dass sich die Kühnen durchsetzen und ökonomisch Recht behalten werden? Immerhin gibt der Autor Denkanregungen durch zahlreiche Beispiele für wirtschaftliche Fehlentwicklungen und nimmt auch in seiner Kritik an neoliberalen Strategien kein Blatt vor den Mund:
Diejenigen, die den Kapitalismus behandeln, als sei er eine Religion und kein von Menschenhand geschaffenes Wirtschaftssystem, sprechen gern vom kapitalistischen Bedarf an Risikoträgern. Ihrer Meinung nach verhilft die individuelle Risikobereitschaft dem Kapitalismus zum Erfolg und rechtfertigt, was noch wichtiger ist, die sehr hohen Einkommen führender Kapitalisten. Dabei vergessen sie, dass auch jeder Verbrecher ein Risikoträger ist. Nach objektiven Maßstäben gibt es mehr individuelle Risikoträger in armen als in reichen Ländern. Afghanistan oder Somalia sind voll von Individuen, die ihr Leben für fast nichts aufs Spiel setzen würden.
Und wenn es schon zur fortschreitenden Globalisierung des Kapitalismus keine Alternative gibt, will Thurow sie immerhin politisch regulieren. Und hier überrascht er tatsächlich mit außergewöhnlichen Vorschlägen. Um das Gefälle zwischen Arm und Reich zu verringern, empfiehlt er etwa, die Weltbank in ein globales Bildungsministerium zu verwandeln:
Die Weltbank sollte ein Mandat erhalten, zusammen mit armen Ländern in die Bildung zu investieren, wann immer neue Mittel das Wissensniveau heben können.
Eine düstere Prognose gibt Lester Thurow für exportgeleitete Wachstumsstrategien. Vor allem die Vereinigten Staaten können nicht auf Dauer die Konjunkturlokomotive spielen, indem sie ihre hohe Nachfrage auf Pump finanzieren. Eine drastische Abwertung des Dollars wäre die bedrohliche Folge.
Gerade hat sich der größte Teil der Dritten Welt von den Vorzügen des exportinduzierten Wachstums überzeugen lassen, und plötzlich geht das Modell dem Untergang entgegen: Zerrieben zwischen Chinas Entscheidung, dem Modell zu folgen, und der Unfähigkeit der Vereinigten Staaten, ständig mit großem Handelsdefizit zu leben. Was im letzten halben Jahrhundert erfolgreich war, wird im kommenden nicht die gleiche Wirkung zeitigen. Wer in Zukunft erfolgreich sein will, wird neue Wachstumsstrategien entwerfen müssen.
Eine besondere Warnung für Eiferer nach dem Exportweltmeistertitel. Die Überschüsse der einen sind die Defizite der anderen.