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Lettland
Informationskonflikt mit Russland

In Lettland sind über 25 Prozent der Bewohner ethnische Russen. Sie sind Zielgruppe für russische Auslandspropaganda. Der lettische Rundfunkrat hat in der Vergangenheit russischsprachige Fernsehsender wegen "Propaganda und Kriegshetze" gesperrt.

Von Cornelius Wüllenkemper | 15.10.2016
    Latvijas Radio 4 mit einem Expertengespräch über die Beziehungen zwischen Russland und den USA. Seit 2002 sendet der staatliche lettische Rundfunk auf dem Integrationskanal für Minderheiten fast ausschließlich auf Russisch. Er gilt als wichtigster seriöser Radiosender für die russischsprachige Minderheit. Knapp 50 Prozent der Bewohner Rigas sind ethnische Russen, über 25 Prozent sind es im ganzen Land. Ein gefundenes Fressen auch für die russische Auslandspropaganda. Vor einem halben Jahr hatte der lettische Rundfunkrat erneut zwei russischsprachige Fernsehsender wegen "Propaganda und Kriegshetze" gesperrt. Ihre Sendelizenzen erhielten diese Sender in EU-Ländern mit liberalen Zulassungsregeln, wie Schweden oder Großbritannien. Nicht durch Zufall wurde 2014 in Riga die Stratcom gegründet, ein Forschungsinstitut der NATO für strategische Kommunikation. Dessen Direktor Janis Sarts spricht offen von einem russischen "Informationskrieg".
    "Ein Teil der russischsprachigen Minderheit ist mit ihrem Leben in Lettland unzufrieden, und das nutzen die Russen aus und versuchen, die gesellschaftliche Spaltung zu vertiefen. Das russische Fernsehen, das man hier empfängt, indoktriniert seine Zuschauer. Außerdem gibt es verschiedene von Russland unterstützte NGOs und auch die Trollfabriken, die das russische Narrativ im Internet verbreiten: Lettland ist ein gescheiterter Staat, der von der EU als billiger Arbeitsmarkt missbraucht wird, und dem die EU minderwertige Produkte verramscht: Dagegen hatten die Sowjets natürlich immer großen Respekt vor den Balten hatten! Europa, so wird kommuniziert, sei das reine Chaos, es werde zerfallen."
    Eine Frage der Generation?
    Aber längst nicht alle Angehörigen der russischsprachigen Minderheit Lettlands fallen auf die einfachen Wahrheiten des Kremls herein. Olga Procevska ist 30 Jahre alt und gehört zu den sehr gut ausgebildeten, aufstrebenden ethnischen Russen in Lettland. In einer Mittagspause erklärt die selbstständige PR-Beraterin, dass die Kreml-Hörigkeit vor allem eine Frage der Generation sei.
    "Die russischsprachige Minderheit in Lettland schaut vor allem den Ersten Baltischen Kanal, der einerseits aus Programmstrecken des Kreml-Kanals Channel One Russia besteht und andererseits aus lokaler Berichterstattung. Natürlich weiß man nicht, was die Zuschauer mit den Informationen über den großen Putin und das wunderbare Leben und die Freiheiten in Russland anfangen. Wenn sie Verwandte in Russland haben, wissen sie jedenfalls, dass das nur Propaganda ist und man nichts über Armut und Korruption erfährt. Die jüngere Generation in Lettland dagegen schaut die kritischen russischen Sender. Die oppositionelle russische Online-Plattform Medusa ist nicht umsonst vor zwei Jahren nach Riga gezogen!"
    Das russische Fernsehen stellt derweil weiterhin ein echtes Problem in der lettischen Medienlandschaft dar, vor allem seit der Annexion der Krim 2014. Die schier unbegrenzten finanziellen Ressourcen aus dem Kreml ermöglichen ein attraktiveres Programm, das sich auf dem lettischen Markt als konkurrenzlos erweist. Das will Roberts Putnis, Leiter des Medienreferats im lettischen Kulturministerium, jetzt ändern. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk will Putnis bürgernäher gestalten, den Etat deutlich erhöhen. Außerdem soll die Medienkompetenz der Letten gezielt gefördert werden und Werbeeinnahmen ausschließlich den privaten Medien zugutekommen, um deren Konkurrenzfähigkeit zu stärken.