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Leuchtende Keramik

Technik. - Ohne bildgebende Verfahren wie die Computertomographie kommt die Medizin nicht mehr aus. Dass Computertomographen mit der Zeit immer leistungsfähiger geworden sind, liegt aber nicht allein an schnelleren Prozessoren. Wichtiger Bestandteil neuerer Geräte sind "leuchtende" Keramiken.

Von Christian Schütte |
    In dieser Werkhalle in Erlangen entstehen hochmoderne Computertomographen. Ingenieure setzen hier Bauteile unterschiedlicher Art zusammen, vor allem aus Metall und Kunststoff. Zum Einsatz kommt aber auch ein Werkstoff, den man in einem medizinischen High Tech-Gerät nicht unbedingt vermuten würde: Keramik. Diese Keramik ist allerdings anders als das zerbrechliche Porzellan zuhause. Sie ist das Ergebnis jahrelanger Forschungsarbeit unter der Leitung von Werkstoffexperte Wolfgang Rossner:

    "Keramische Werkstoffe sind in der Regel für technische Anwendungen mit einer sehr hohen mikrostrukturellen Perfektion gemacht, also zum Beispiel sie sind hochdicht, dort sind keine Porositäten mehr zu finden, und deshalb können solche Werkstoffe zum Beispiel hohe Temperaturen, hohe Kräfte aushalten."

    Doch nicht allein ihre Festigkeit zählt, sondern vor allem, dass sie empfindlich auf Röntgenstrahlung reagiert. Trifft ein - an sich unsichtbarer - Röntgenpuls auf ihre Oberfläche, beginnt die Keramik zu leuchten, sie fluoresziert zum Beispiel grün oder blau. Diese Leucht-Eigenschaft nutzen Konstrukteure von Computertomographen aus, um bessere Bilder zu erhalten. Entwickelt wurde die High Tech-Keramik in einem Siemens-Labor in München. In kleinen Glaskolben werden hier bunte Lösungen angerührt, die später durch Erhitzen zu den speziellen Leuchtkeramiken gehärtet werden. Weshalb sie bei Röntgenbestrahlung fluoreszieren, liegt an ihrer molekularen Struktur.

    "Der Hintergrund, was eigentlich im Innern des Materials stattfindet, damit diese Funktion überhaupt erreicht wird, zeige ich Ihnen an so einem kleinen Kristallmodell. Also diese keramischen Körper bestehen aus einer Vielzahl von kleinen Kriställchen im Mikrometerbereich, und die einzelnen Kriställchen sind wiederum aus einzelnen Atomen regelmäßig aufgebaut, wir sprechen hier vom Kristallgitter, und die entwicklerische Leistung besteht nun darin, dieses Kristallgitter in seinem chemischen Aufbau zu modifizieren und in diese Kristallgitter nun ganz gezielt einzelne Atome einzubauen."

    Und diese nachträglich eingebrachten Atome sind es, die die Keramik zum Leuchten bringen. Trifft ein Röntgenstrahl auf die Oberfläche des Kristallgitters, wird er absorbiert und zu den zusätzlichen Atomen hingelenkt. Dort finden dann energetische Übergänge statt.

    "Man sagt, diese Atome werden in einen angeregten Zustand versetzt. In dem wollen die aber nicht allzu lange bleiben, die Natur möchte ja nicht in hochenergetischen Zuständen lange verharren. Und nach einer bestimmten Zeit springt dieses Atom in den Grundzustand zurück und sendet dafür ein Lichtquant aus. Und dies ist das Lichtquant, das Sie hier als grüne Emission sehen."

    Das unsichtbare Röntgenlicht ist nun umgewandelt in sichtbares Licht. Der Vorteil: Die Intensität der Röntgenstrahlung lässt sich leicht feststellen, indem unterhalb der Keramik eine Fotodiode angebracht wird. Die wandelt das ankommende Licht in ein elektrisches, messbares Signal um. Damit ist die Keramik ein zuverlässiger Röntgendetektor.

    "Der eigentliche Zielwert ist aber nicht, dass man nur diese Konversion bewerkstelligen kann, von Röntgen nach sichtbar und in elektrische Signale, sondern dass das mit einer hohen Geschwindigkeit passiert."

    Auf die Reaktionsgeschwindigkeit kommt es an, denn der Computertomograph, in den die Keramik eingebaut wird, soll in der Praxis schnell arbeiten.

    "Das Prinzip der Bildgebung beruht darauf, dass sich jetzt die Röntgenröhre mit dem fixierten Detektor um den Patienten herumbewegt, in etwa sechs Zehntel, also etwa einer halben Sekunde, und während dieser Umdrehungen werden etwa 1000 Einzelbilder aufgenommen."

    Damit bei diesen Geschwindigkeiten noch zuverlässige Messungen zustande kommen, hat das Forschungsteam um Rossner die Reaktionszeiten der Keramik optimiert. Die Verzögerung beträgt nur wenige Millisekunden. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Aus der Flut von Messdaten setzt der Computer gestochen scharfe, dreidimensionale Bilder des Patienten zusammen.