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Libanon
Wie Saudi-Arabien um Einfluss ringt

Die Führungen Saudi-Arabiens und des Irans tragen ihren Machtkampf auch im Libanon aus. Der politische Einfluss des saudischen Königshauses wird aber möglicherweise überschätzt. Der Iran jedenfalls ist erfolgreicher mit seiner Allianz mit der libanesischen Hisbollah.

Von Björn Blaschke | 11.11.2017
    Ein Banner mit Bildern des saudischen Königs Salman bin Abdulaziz und des Kronprinzen Mohammed bin Salman hängt über einer Straße in der nordlibanesischen Hafenstadt Tripoli
    Ein Banner mit Bildern des saudischen Königs Salman bin Abdulaziz und des Kronprinzen Mohammed bin Salman hängt über einer Straße in der nordlibanesischen Hafenstadt Tripoli (AFP/ Joseph Eid)
    Im Libanon gibt es wohl kaum größere Rivalen als Saad-al-Hairi und Hassan Nasrallah: Der eine ist der mittlerweile zurückgetretene Regierungschef des Libanon und Sohn von Rafiq al-Hariri, der einst Milliarden-Gewinne durch Geschäfte mit Saudi-Arabien machte. Der andere, Hassan Nasrallah, ist Generalsekretär der mächtigen Hisbollah, der Partei Gottes. Die wurde in den 80er-Jahren unter anderem vom Iran mitgegründet. Dem Hauptkonkurrenten Saudi-Arabiens und unbestrittene Regionalmacht im Nahen Osten. Hariri und Nasrallah – Rivalen. Kein Wunder, dass Nasrallah erklärte, die Saudis hätten Saad al-Hariri zum Rücktritt vom Posten des Regierungschefs gedrängt:
    "Alles deutet darauf hin, dass der Rücktritt eine saudische Entscheidung war, die Regierungschef Saad al- Hariri diktiert wurde, dass er gezwungen wurde und dass er diesen Rücktritt weder beabsichtigte noch wollte. Punkt, Ende, Aus."
    Der Sprachstil, in dem Hariri seinen Rücktritt erklärte, sei nicht seiner gewesen, so Nasrallah, der Chef der "Partei Gottes" weiter. Dass Hariri in einem saudisch finanzierten Fernsehsender und auf saudischem Boden sprach, zeuge ebenfalls davon, dass das Königshaus ihn zum Rücktritt gedrängt hat.
    "Die Form wie es passiert ist, zeigt auf welche Art und Weise sich die Saudis in die inner-libanesischen Angelegenheiten einmischen. Obwohl die Saudis andere dafür kritisieren, ihnen den Krieg erklärt haben und ihnen vorwerfen, sich in die inner-libanesischen und arabischen Angelegenheiten einzumischen."
    Der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri am 3. November vor Journalisten in Beirut.
    Der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri hat seinen Rücktritt erklärt (AFP / Anwar Amro)
    Saudi-Arabien will Gegengewicht zum Einfluss Irans schaffen
    Die Führungen Saudi-Arabiens und anderer arabischer Golfstaaten haben Einfluss im Libanon – als Wirtschaftskräfte. Sie kommen mit ihren Petro-Dollars als Investoren, Anleger oder – in guten Zeiten – als Urlauber. Und sie stehen auch den sunnitischen Libanesen, wie Saad al-Hariri einer ist, näher als den schiitischen Libanesen. Weil die Golf-Herrscher selbst Sunniten sind. Und weil sie sich als Konkurrenten sehen, zum schiitischen Iran und seinen schiitischen Verbündeten in der Region, zum Beispiel die libanesische Hisbollah, sagt Karim al-Makdisi, Politikwissenschaftler in Beirut:
    "Das ist es, was die Saudis zu schaffen versuchen: Sie wollen ein sunnitisches Gegengewicht zur so verstandenen schiitisch-iranischen Achse aufbauen."
    Es gehe, heißt es, den iranischen Herrschern darum, einen schiitischen Halbmond zu schaffen, ein iranisches Einflussgebiet in der arabischen Welt, vom Jemen, über Bahrain und den Irak sowie Syrien bis zum Libanon. Die Herrscher Saudi-Arabiens wollen dem überall etwas dagegen halten, sind allerdings weitaus weniger erfolgreich als ihre Konkurrenten im Iran.
    "Es sind zerstreutere und weniger kontrollierte und weniger professionelle Allianzen, die sie eingehen. Die Saudis sind nicht vorausschauend, sondern reagieren nur. Das Verhältnis ist also nicht pro-aktiv sondern re-aktiv. Es basiert eben auf der Furcht vor der iranischen Macht in der Region."
    "Saudis nicht in der Lage, militante Gruppen zu kontrollieren"
    Während der Iran und die Hisbollah mehr oder weniger auf Augenhöhe kooperieren, hat Saudi-Arabien im Libanon keine politische Partner-Organisation, die so strukturiert ist wie die "Partei Gottes". Und auf eine bewaffnete Gruppe kann sich Saudi-Arabien im Libanon auch nicht stützen. Das Königshaus hat vielmehr Jahre lang überregional operierende militante Sunniten gestützt, die ideologisch auf einer Ebene mit al-Qaida oder dem IS stehen, sagt der libanesische Politikwissenschaftler Makdisi:
    "Der Unterschied ist, dass die Saudis nicht in der Lage waren, die militanten Gruppen à la al-Qaida zu kontrollieren, was anders ist als das Verhältnis zwischen dem Iran und den Milizionären der Hisbollah. Deren Verhältnis ist viel professioneller und beruht auf Gegenseitigkeit. Das trägt auch zu den Fähigkeiten und der Professionalität der Hisbollah bei - in Sachen Strategien und Geduld. Die militanten sunnitischen Gruppen nehmen dagegen keine Befehle von den Saudis an. Und manchmal machen sie Dinge, die nicht im Interesse der Saudis sind."
    Möglicherweise ist der Einfluss des saudi-arabischen Königshauses im Libanon also etwas überschätzt. Und vielleicht haben die Saudis gerade ihren Hauptverbündeten in Beirut verloren, indem sie Saad al-Hariri zum Rücktritt vom Posten des Regierungschefs drängten.