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Libellen-Biotope

Auf einem ehemaligen Maisacker am Stadtrand, nicht weit von einem jungen Gewerbegebiet, liegt seit drei Jahren ein Regenrückhaltebecken: Ein natürlich anmutender See mit schmalen Röhrichtzonen und einer kleinen Insel. Libellen fliegen bei dem bedecktem Himmel aber keine. Landschaftsökologe Norbert Menke vom Arbeitskreis-Libellen in Münster:

Von Klaus Schell |
    Das Gewässer hat relativ steile Ufer - für Libellen nicht so geeignet - hier kommen Arten wie die Pokal-Azurjungfer vor oder die westliche Keiljungfer, die mögen Gewässer mit Wellenschlag und Gewässer, die sich nicht so schnell aufheizen ...

    ... so wie den benachbarten Dortmund-Ems-Kanal, in dem sich die beiden wenig spezialisierten und deshalb recht häufigen Arten ebenso gut vermehren. Dennoch ist das Rückhaltebecken auch für andere Libellenarten ein wichtiger Trittsteinbiotop im System der 35 weiteren Becken, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt liegen. - Regenrückhaltebecken sind künstlich angelegte Mulden in denen das von Straßen und Gebäuden abfließende Regenwasser zwischengespeichert und gedrosselt wieder in die Bäche und Flüsse abgegeben wird, um dort die Hochwasserspitzen abzumildern. Die ersten Becken wurden bereits in den siebziger Jahren gebaut; Berthold Reloeh vom Tiefbauamt Münster gehört allerdings zu einer jüngeren Planergeneration:

    Die wesentlichste Veränderung ist vielleicht die, dass man in den Anfängen doch immer mehr so einen durchgestylten, eigentlich immer mehr so einen Teich oder einen künstlichen Charakter des Regenrückhaltebeckens im Auge hatte, also eine sehr klar geplante und letztlich auch gestylte Anlage.

    Heute haben die Becken naturnah geformte Ufer mit unterschiedlichen Böschungsneigungen und sogar einzelnen Abbrüchen, es wird kein Mutterboden mehr aufgetragen und gepflanzt werden nur noch vereinzelte Gehölze. Norbert Menke:

    Die Röhrichte sind alle so gekommen, weil das Potential in jedem Fall da ist, das steckt im Boden. Da - ein Grünfrosch! -- Im Binsen- und Rohrkolbenröhricht verstecken sich unter Wasser auch die unscheinbaren Libellen-Larven vor hungrigen Fischen, die immer wieder verbotenerweise eingesetzt werden, denn die Gewässerqualität ist ziemlich gut: In gesonderten Klärzonen im Zulaufbereich der Becken können sich Schwebstoffe aus den Straßenabflüssen absetzen; eventuelle Ölverschmutzungen werden durch Sperren zurückgehalten. Jutta Bothe vom Tiefbauamt Münster ist für die Beckenunterhaltung zuständig:

    Man muss ganz klar festhalten, es ist in erster Linie ein technisches Bauwerk, wir sind verpflichtet, diese Bauwerke vorzuhalten.

    Zum Beispiel durch regelmäßige Entschlammung, von der auch die Libellen profitieren, da ihr Lebensraum ansonsten verlanden würde. Darüber hinaus, sagt Jutta Bothe, ist die Pflege eher extensiv:

    Kostet auch alles Geld, also es wird nur da zurückgeschnitten, wo notwendig, wenn´s wirklich zu viel wird und wir wirklich gar nicht mehr ans Becken ´rankommen, die Kontrollaufgaben nicht mehr wahrnehmen.

    Bei einem kleineren, erst kürzlich angelegten Rückhaltebecken gibt es noch lange nichts zurückzuschneiden, meint Norbert Menke, denn der junge Erlenaufwuchs an der Wasserlinie ist gerade mal kniehoch:

    Es ist ein sehr flaches Gewässer, man sieht, dass die Enten da durchwaten können. Das fällt mehr als die Hälfte im Sommer trocken und in einem Bereich ist halt ´ne Röhrichtzone, andere Bereiche sind noch Rohboden und bleiben auch Rohboden.

    Die offenen Sandflächen sind Teillebensräume seltener Pionierarten wie der Kleinen Pechlibelle, benannt nach dem pechschwarzen Männchen, das Weibchen ist dagegen orangefarben. Sie ist nur eine von sieben gefährdeten Libellen-Arten, die in den Regenrückhaltebecken gefunden wurden, und diese Bilanz ist noch ausbaufähig. So fordert der Arbeitskreis-Libellen für Neuplanungen kleinere Wasserflächen und flachere Uferzonen. Auch sollten die vorhandenen Becken immer nur abschnittsweise entschlammt werden. Jutta Bothe vom Tiefbauamt hat für solche Tipps stets ein offenes Ohr:

    Klar, werden wir dass berücksichtigen, sofern wir das können.

    Schließlich sind die Libellenvorkommen schon heute der Beleg dafür, dass Wasserwirtschaft und Naturschutz kein Widerspruch sein müssen, eine Tatsache, die vor allem auch dann Gewicht hat, wenn in der Stadt wieder einmal ein neues Rückhaltebecken genehmigt werden soll. Berthold Reloeh:

    Wenn wir in dem Zusammenhang nachweisen können, dass die zukünftige Situation landschaftlich wertvoller ist als die jetzige Situation, so sind für uns dann die Planverfahren auch entsprechend leichter.