Ich mache eine Umfrage, was heute noch liberal ist.
"Grundsätzlich mal die Meinung eines jeden Andersdenkenden akzeptieren. Punkt!"
Ein nobles, gläsernes Atrium - mit Bühne, Lichtanlage und üppiger Bar. Oliver Kirbach steht etwas schüchtern in einer Ecke des Raumes. Der grauhaarige Bankkaufmann ist selbst ein "Andersdenkender". Er tritt ein für Offenheit, Chancengleichheit und Gerechtigkeit - Werte, die er bei der liberalen Partei mittlerweile vermisst. Deshalb ist der 47-jährige Familienvater - nach einer kurzen Mitgliedschaft - wieder aus der FDP ausgetreten.
"Das Thema der Mehrwertsteuer-Reduzierung fürs Hotelgewerbe. Also das Thema, das überhaupt nicht in die Landschaft passte und mir auch nicht vermittelt werden konnte. Ein Steuergeschenk, respektive Steuererleichterung, für ne bestimmte Branche, für die es überhaupt gar keine Notwendigkeit gab. Das war sozusagen der Sargnagel auf meinem Parteibuch."
Was bedeutet es heute - vor dem Hintergrund miserabler Wahlergebnisse - liberal zu sein? Im Berliner Thomas-Dehler-Haus sind viele ratlos. Viele heißt: Interessierte, Sympathisanten und Mitglieder der FDP. Sie besuchen den Liberalen Salon, um einer Podiumsdiskussion zu lauschen und sich anschließend, auf einem Empfang, auszutauschen - bei Wein und Snacks. Auf Grundsatzfragen zu "Liberalismus heute" weiß ein Großteil keine Antwort.
"Kann ich Ihnen jetzt gar nicht so 100 Prozent sagen. Tut mir leid. Passe ich."
Wo finden wir heute noch liberale Positionen in der Politik?
"Datenschutz, Bürgerrechte - ich glaube, da sind wir sehr stark. Ansonsten ... ja ... manchmal sucht man zurzeit mehr, als dass man sie findet. Man wünscht sich mehr als sie da sind."
Auch Manfred Vieweg muss erstmal grübeln, bevor ihm ein Statement einfällt. Dabei hat der 72-Jährige sein Leben lang als Fernsehredakteur gearbeitet. Der Ostdeutsche hält ein Glas Rotwein in der rechten Hand, die linke steckt lässig in der Hosentasche. Nach einigem Hin und Her bilanziert Vieweg, dass Liberalität für Wirtschaftsförderung stehe, vor allem für Mittelstandsförderung. Aber nicht nur.
"Ich sage nach wie vor auch die Frage der sozialen Gerechtigkeit. Es sind so viele Leute, denen es schlecht geht. Und die wirklich zu kämpfen haben, entweder Fuß zu fassen, Arbeit zu bekommen oder ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Man sollte dieses natürlich auch stärker ausgeprägt und für die Gesellschaft insgesamt sehen - und nicht nur für einzelne Gruppen."
An einem Stehtisch, bei Gulasch und Baguette, diskutieren zwei junge Erwachsene: Kristina Kämpfer, 21 Jahre alt und Bundesvorsitzende der Liberalen Hochschulgruppen, und ihr Mitstreiter, der 22-jährige Politik-Student Sven Hilgers. "Bildung!", rufen die beiden wie aus einem Munde.
"Das ist doch das liberale Kernthema. Also wenn nicht Bildung - was dann?"
Wir legen Wert auf Leistung, auf Förderung des Einzelnen, sagt die blonde Studentin, auch auf Begabten-Förderung.
"Ich meine, wir kennen das ja alles. In der Schule - Streber ist das erste Schimpfwort, das man lernt. Der, der gut ist, der der Beste ist in der Klasse. Und das ist doch absolut falsch. Wir müssen doch die, die gut sind und die, die sehr gut sind, auch genauso mindestens fördern, wie die, die nicht so gut sind."
Hilgers: "In der Bildungspolitik ist es ja so, dass wir ein obrigkeitsstaatliches System haben, in dem im Prinzip weder Schulen noch Hochschulen die Freiheit haben, wirklich selber Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig sind die Schulen nicht so ausfinanziert und die Hochschulen nicht so ausfinanziert, wie sie eigentlich sollten. Und ich glaube, das ist ein Punkt, in dem sich Liberale umso mehr profilieren können."
Der "Obrigkeitsstaat" - ein Reizwort auch für Daniel Fallenstein. Der 28-Jährige hat Religionswissenschaften studiert - aber die Ausbildung abgebrochen. Heute arbeitet er in einem Bundestags-Abgeordnetenbüro. Fallenstein ist in keiner Partei, fühlt sich aber liberalen Prinzipien verpflichtet. Er ist gegen die umstrittene Vorratsdatenspeicherung und für Rechtsstaatlichkeit. Besonderen Wert legt er auf die Hoheit des Parlaments:
"Also dass nicht, wie beispielsweise jetzt beim europäischen Sicherungsmechanismus, die Bundesregierung versucht, das Parlament zu übergehen. Wenn die Bundesregierung meint, mal eben zwei Drittel des Steueraufkommens des nächsten Jahres verplanen zu können für Banken, die Griechenland schlechte Kredite gegeben haben."
Dann hat das nichts mehr mit Liberalismus zu tun?
"Was heißt nicht mehr? Das hatte noch nie etwas mit Liberalismus zu tun."
Am Buffet steht eine elegante 76-Jährige mit braunem Schultertuch, Handtasche - ein Quarkbaguette verzehrend: Cornelia Schmalz-Jacobsen, einst Generalsekretärin der FDP und Ausländerbeauftragte der Bundesregierung. Was ist heute noch liberal? Schmalz-Jacobsen antwortet mit einer Kritik am Zustand der eigenen, angeblich liberalen Partei.
"Das ist jetzt sehr bitter ironisch: Mehr Netto vom Brutto. Und das kann es nicht sein. Das war ein Wahlslogan. Und der war so verengt, wie es verengter gar nicht mehr geht. Und natürlich daraus folgt, wir müssen uns verbreitern. Das pfeifen die Spatzen von den Dächern. Nur welche Spatzen welche Melodie pfeifen, ist im Moment noch nicht so klar."
Trotz der vielen Fragezeichen, Zweifel und Kritik - harte Debatten gibt es nicht beim Liberalen Salon. Rosen, Kerzenschein und beflissene Kellner sorgen dafür, dass die Wertesuche nicht allzu sehr anstrengt.
"Grundsätzlich mal die Meinung eines jeden Andersdenkenden akzeptieren. Punkt!"
Ein nobles, gläsernes Atrium - mit Bühne, Lichtanlage und üppiger Bar. Oliver Kirbach steht etwas schüchtern in einer Ecke des Raumes. Der grauhaarige Bankkaufmann ist selbst ein "Andersdenkender". Er tritt ein für Offenheit, Chancengleichheit und Gerechtigkeit - Werte, die er bei der liberalen Partei mittlerweile vermisst. Deshalb ist der 47-jährige Familienvater - nach einer kurzen Mitgliedschaft - wieder aus der FDP ausgetreten.
"Das Thema der Mehrwertsteuer-Reduzierung fürs Hotelgewerbe. Also das Thema, das überhaupt nicht in die Landschaft passte und mir auch nicht vermittelt werden konnte. Ein Steuergeschenk, respektive Steuererleichterung, für ne bestimmte Branche, für die es überhaupt gar keine Notwendigkeit gab. Das war sozusagen der Sargnagel auf meinem Parteibuch."
Was bedeutet es heute - vor dem Hintergrund miserabler Wahlergebnisse - liberal zu sein? Im Berliner Thomas-Dehler-Haus sind viele ratlos. Viele heißt: Interessierte, Sympathisanten und Mitglieder der FDP. Sie besuchen den Liberalen Salon, um einer Podiumsdiskussion zu lauschen und sich anschließend, auf einem Empfang, auszutauschen - bei Wein und Snacks. Auf Grundsatzfragen zu "Liberalismus heute" weiß ein Großteil keine Antwort.
"Kann ich Ihnen jetzt gar nicht so 100 Prozent sagen. Tut mir leid. Passe ich."
Wo finden wir heute noch liberale Positionen in der Politik?
"Datenschutz, Bürgerrechte - ich glaube, da sind wir sehr stark. Ansonsten ... ja ... manchmal sucht man zurzeit mehr, als dass man sie findet. Man wünscht sich mehr als sie da sind."
Auch Manfred Vieweg muss erstmal grübeln, bevor ihm ein Statement einfällt. Dabei hat der 72-Jährige sein Leben lang als Fernsehredakteur gearbeitet. Der Ostdeutsche hält ein Glas Rotwein in der rechten Hand, die linke steckt lässig in der Hosentasche. Nach einigem Hin und Her bilanziert Vieweg, dass Liberalität für Wirtschaftsförderung stehe, vor allem für Mittelstandsförderung. Aber nicht nur.
"Ich sage nach wie vor auch die Frage der sozialen Gerechtigkeit. Es sind so viele Leute, denen es schlecht geht. Und die wirklich zu kämpfen haben, entweder Fuß zu fassen, Arbeit zu bekommen oder ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Man sollte dieses natürlich auch stärker ausgeprägt und für die Gesellschaft insgesamt sehen - und nicht nur für einzelne Gruppen."
An einem Stehtisch, bei Gulasch und Baguette, diskutieren zwei junge Erwachsene: Kristina Kämpfer, 21 Jahre alt und Bundesvorsitzende der Liberalen Hochschulgruppen, und ihr Mitstreiter, der 22-jährige Politik-Student Sven Hilgers. "Bildung!", rufen die beiden wie aus einem Munde.
"Das ist doch das liberale Kernthema. Also wenn nicht Bildung - was dann?"
Wir legen Wert auf Leistung, auf Förderung des Einzelnen, sagt die blonde Studentin, auch auf Begabten-Förderung.
"Ich meine, wir kennen das ja alles. In der Schule - Streber ist das erste Schimpfwort, das man lernt. Der, der gut ist, der der Beste ist in der Klasse. Und das ist doch absolut falsch. Wir müssen doch die, die gut sind und die, die sehr gut sind, auch genauso mindestens fördern, wie die, die nicht so gut sind."
Hilgers: "In der Bildungspolitik ist es ja so, dass wir ein obrigkeitsstaatliches System haben, in dem im Prinzip weder Schulen noch Hochschulen die Freiheit haben, wirklich selber Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig sind die Schulen nicht so ausfinanziert und die Hochschulen nicht so ausfinanziert, wie sie eigentlich sollten. Und ich glaube, das ist ein Punkt, in dem sich Liberale umso mehr profilieren können."
Der "Obrigkeitsstaat" - ein Reizwort auch für Daniel Fallenstein. Der 28-Jährige hat Religionswissenschaften studiert - aber die Ausbildung abgebrochen. Heute arbeitet er in einem Bundestags-Abgeordnetenbüro. Fallenstein ist in keiner Partei, fühlt sich aber liberalen Prinzipien verpflichtet. Er ist gegen die umstrittene Vorratsdatenspeicherung und für Rechtsstaatlichkeit. Besonderen Wert legt er auf die Hoheit des Parlaments:
"Also dass nicht, wie beispielsweise jetzt beim europäischen Sicherungsmechanismus, die Bundesregierung versucht, das Parlament zu übergehen. Wenn die Bundesregierung meint, mal eben zwei Drittel des Steueraufkommens des nächsten Jahres verplanen zu können für Banken, die Griechenland schlechte Kredite gegeben haben."
Dann hat das nichts mehr mit Liberalismus zu tun?
"Was heißt nicht mehr? Das hatte noch nie etwas mit Liberalismus zu tun."
Am Buffet steht eine elegante 76-Jährige mit braunem Schultertuch, Handtasche - ein Quarkbaguette verzehrend: Cornelia Schmalz-Jacobsen, einst Generalsekretärin der FDP und Ausländerbeauftragte der Bundesregierung. Was ist heute noch liberal? Schmalz-Jacobsen antwortet mit einer Kritik am Zustand der eigenen, angeblich liberalen Partei.
"Das ist jetzt sehr bitter ironisch: Mehr Netto vom Brutto. Und das kann es nicht sein. Das war ein Wahlslogan. Und der war so verengt, wie es verengter gar nicht mehr geht. Und natürlich daraus folgt, wir müssen uns verbreitern. Das pfeifen die Spatzen von den Dächern. Nur welche Spatzen welche Melodie pfeifen, ist im Moment noch nicht so klar."
Trotz der vielen Fragezeichen, Zweifel und Kritik - harte Debatten gibt es nicht beim Liberalen Salon. Rosen, Kerzenschein und beflissene Kellner sorgen dafür, dass die Wertesuche nicht allzu sehr anstrengt.