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Liberaldemokraten gegen UKIP

Gebt mir einen Zehner für Cannabis, und ich wähle Euch, ruft ein schwarzer Passant fröhlich dem Chef der Liberaldemokraten zu. Charles Kennedy trägt's mit Humor, als er den bunten Markt im multi-ethnischen Londoner Stadtteil Brixton besucht. Kennedy und die liberaldemokratischen Kandidaten für das Europäische Parlament, das Amt des Londoner Buergermeisters und die Stadtverordnetenversammlung, die ihn auf diesem Rundgang begleiten, werden in Brixton freundlich empfangen. Ihr werdet diesmal gut abschneiden, ruft ein indischer Geschäftsinhaber der Gruppe zu. Die Asiaten müssen sich umorientieren – sie wollen mit der Labour Party nichts mehr zu tun haben.

Von Wolfgang Labuhn | 09.06.2004
    Die Liberaldemokraten haben die britische Beteiligung an der Eroberung und Besetzung des Irak strikt abgelehnt und das auch zum Wahlkampfthema gemacht. Dafür winken jetzt Stimmen von den ethnischen Minderheiten, insbesondere von den rund 1,6 Millionen Muslimen in Großbritannien. Parteichef Charles Kennedy verteidigt diese Strategie.

    Kennedy geht davon aus, dass das Wahlziel erreicht wird, künftig mehr britische Liberaldemokraten im Europaeischen Parlament zu finden, nachdem die konsequent europhile Partei 1999 auf einen Stimmenanteil von 13 Prozent gekommen war. Doch 13 Prozent sprechen die jüngsten Meinungsumfragen jetzt auch einer Partei zu, die den Austritt Großbritanniens aus der EU fordert.

    Die United Kingdom Independence Party – abgekürzt: UKIP - hat zur Wahlkundgebung auf der Themse eingeladen. Mehrere Ausflugsdampfer mit UKIP-Anhängern schippern den Fluss auf und ab, "Say no to EU” - "Sagt Nein zur EU”, verkünden die Plakate auf den Schiffen, die von Fischtrawlern aus Schottland und Cornwall begleitet werden. Aus Protest gegen die EU- Fischereipolitik sollen nun frisch gefangene Makrelen in die Themse geworfen werden – so wie britische Fischer angeblich tagtäglich einen Teil ihrer Fänge ins Meer werfen müssen, um EU-Auflagen einzuhalten. Damian Hockney, UKIP-Kandidat für das Europäische Parlament, greift sich den Korb mit den Makrelen. Die EU stinke wie diese Fische, also über Bord damit.

    Oh dear, die Hälfte der Fische landet nicht im Wasser, sondern auf dem Vordeck. Der Stimmung an Bord tut es keinen Abbruch.

    Es sind nicht Polit-Happenings wie diese, die den etablierten Parteien Großbritanniens einen Schreck einjagen, sondern der Trend, den UKIP wider- spiegelt. Denn es ist UKIP jetzt offensichtlich gelungen, aus der tief verwurzelten Euroskepsis vieler Briten effizienter als 1999 politisches Kapital zu schlagen, als UKIP auf einen Stimmenanteil von nur 7 Prozent kam. Wir sind nicht die Lumpen und Schurken, als die wir hingestellt werden, so ein älteres UKIP-Mitglied im Wahlkampf. Wir sind ganz normale Leute.

    Ihren Wahlkampf unterstützen jetzt prominente Sympathisanten wie die Schauspielerin Joan Collins und der populäre Fernsehmoderator Robert Kilroy-Silk, der vor einigen Monaten seine BBC-Talkshow verlor, nachdem er in einer Zeitungskolumne Araber pauschal als "Selbstmord-Attentäter, Gliedmaßen-Amputierer und Frauen-Unterdrücker” beschimpft hatte. Die große Frage ist nun, woher die neuen Stimmen für UKIP kommen werden, sollten die Meinungsforscher Recht behalten. John Stevens, ein pro-europäischer früherer konservativer Unterhausabgeordneter, der nun als Kandidat der Liberaldemokraten ins Rennen zieht, sieht das größte UKIP-Wählerpotential bei den Tories.