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Liberalisierung der Wasserwirtschaft

Daran, dass Strom gehandelt und durch fremde Netze transportiert werden darf, daran wir haben uns mittlerweile gewöhnt. Doch eine ähnliche Freigabe des Marktes für Wasser lässt bei vielen Menschen ein ungutes Gefühl - denn anders als beim elektrischen Strom ist das Wasser nicht überall gleich. Die Verbände der Wasserwirtschaft sind jedenfalls skeptisch, sie bescheinigen Deutschland aus Anlass einer Tagung in Freiburg die europaweit höchste Wasserqualität und die geringsten Verluste auf dem Leitungsweg.

von Sebastian Bargon |
    All das könnte sich im Zuge der geplanten Europäisierung des Marktes ändern, wenn sich auch hierzulande der Liberalisierungs-Ideologismus durchsetzen wird. Johann Martin Rogg von der Freiburger Energie und Wasserversorgung (FEW) beschreibt die Auswirkungen der geplanten Liberalisierung des deutschen Wassermarktes kurz und bündig:

    "Das bedeutet eine Öffnung des Marktes für alle Anbieter und auch die Möglichkeit der Kunden, auf alle Anbieter zurückzugreifen"

    In Deutschland gibt es heute noch rund 5600 Wasser-Versorgungsunternehmen auf lokaler und kommunaler Ebene. Zwar stehe laut Rogg die Versorgungs-Struktur nicht zur Disposition. Eher sei die Frage, wer in Zukunft die Wasserversorgung kontrollieren wird. Rogg nennt als Beispiel das Nachbarland Frankreich...

    "Und in Frankreich ist es eben so, dass dort diese ganzen kommunalen Versorgungsanlagen von 3 Unternehmen gesteuert werden. Und das ist das, was ansteht, inwieweit hier ein Konzentrationsprozess auf der Betreiberseite eintritt"

    Dr. Hanno Hames, engagierter Geschäftsführer der Hamburger Wasserwerke, fordert, die Ressource Wasser langfristig zu schützen, denn die Liberalisierung der Wasserversorgung sei nicht vergleichbar mit der Entstaatlichung der Strom- und Kommunikationswirtschaft. Hanno Hames...

    "Wasser ist keine normale Ware, sondern ein unentbehrliches Lebensmittel. Und deshalb müssen wir damit sorgsam umgehen. Ich habe die Sorge, wenn die Langfristigkeit nicht mehr gewährleistet wird, wenn keine demokratische Kontrolle über diese Ressource vorhanden ist, wenn wir keine soziale Bindung an unsere Kunden und Bürger haben, sondern nur noch nach dem Shareholder-Prinzip mit Gewinnmaximierung verfahren und mich nur die nächsten 10-15 Jahre interessieren, dass dieses Lebensmittel nicht mehr so zur Verfügung stehen wird wie zur Zeit."

    Während Frankreich 28 Prozent Rohrnetzverluste beklagt, steht Deutschland mit 8 Prozent sehr viel besser da. Außerdem wird in Deutschland eine nachhaltige Nutzung der Ressource Trinkwasser betrieben mit höchsten Anforderungen an Technik und Service. So erklärt sich dass Deutschland die höchsten Wasserpreise in Europa hat, aber auch den niedrigsten Wasserverbrauch. Würde eine Liberalisierung des Wassermarktes die Preise drücken ? Martin Rogg ist skeptisch...

    "Das ist kaum zu erwarten. Wir haben heute Wasserpreise, die sich weitgehend orientieren an Gestehungskosten mit relativ geringer Rendite. Das heißt auch durch eine Liberalisierung ist nicht zu erwarten, dass hier die Wasserpreise sehr stark nachgeben werden. Außer es gibt Synergie-Effekte auf der Management-Ebene durch Zusammenschlüsse, wo gewisse preisliche Effekte erzielbar sind, aber die werden minimal sein."

    Dr. Wolf Pluge, der Hauptgeschäftsführer des Bundes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BMW) betont, dass er nicht grundsätzlich gegen eine Liberalisierung des Wassermarktes sei. Aber Deutschland dürfe seine weltweit führenden Qualitätsstandards auf keinen Fall aufgeben. Die britischen Wasserkonzerne - hochgelobt wegen ihrer hohen Gewinne aber aufgrund ihrer schlechten Wasserqualität und Umweltstandards unter Beschuss - seien jedenfalls kein Vorbild für Deutschland ...

    "Liberalisierung der Wasserwirtschaft nach dem englischen Modell würde bedeuten : Wir haben höhere Leckagen, eine schlechtere Trinkwasserqualität und eine ökologisch schlechte Wassergewinnung. Es soll jeder mal nach London fahren und dort das Londoner Wasser trinken, dann weiß er, worin die Preisunterschiede begründet sind...."