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Libyen
Parlament entscheidet über Einheitsregierung

Seit Monaten versuchen die Libyer unter Vermittlung der Vereinten Nationen, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Auf die künftigen Kabinettsmitglieder hat sich der Präsidentschaftsrat inzwischen geeinigt. Jetzt soll das international anerkannte Parlament in Tobruk abstimmen.

Von Anne Allmeling | 20.02.2016
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    Trotz des politischen Chaos wurde der 5. Jahrestag der Revolution am 17.02.2016 von vielen Menschen in Tripolis gefeiert (dpa/picture-alliance/Stringer)
    Feuerwerk in der libyschen Hauptstadt Tripolis. Fünf Jahre sind seit dem Beginn des Aufstands gegen Muammar Al-Gaddafi vergangen – fünf Jahre, in denen das Land im Chaos versunken ist. Trotzdem feierten die Menschen in der vergangenen Woche den Jahrestag der Revolution – und geben sich zuversichtlich.
    "Wir leugnen nicht, dass es Chaos gibt und Korruption. Das ist normal, denn Libyen war ein Staat ohne Recht und Ordnung, ohne Institutionen,"
    sagt Hasan Nawfal, der in Tripolis lebt.
    "Aber wenn Gott will, erstarken wir wieder und gewinnen zurück, was wir verloren haben. Wir können sagen, die Revolution war ein Erfolg – und wir hoffen, dass auch wir bald Erfolg haben werden."
    Die Hoffnung, dass sich die Lage in Libyen beruhigt, ist in der vergangenen Woche gewachsen. Denn die Bildung einer Einheitsregierung scheint in greifbarer Nähe zu sein. Der libysche Präsidentschaftsrat - ein eigens dafür berufenes Gremium - hat sich nach langem Ringen auf die künftigen Kabinettsmitglieder geeinigt. Jetzt soll das international anerkannte Parlament in Tobruk darüber abstimmen, sagt der libysche Ministerpräsident Fayez Al-Sarraj:
    "Wir haben die Liste mit den Namen der Minister an das Parlament in Tobruk geschickt - in der Hoffnung, dass es die schwierige Lage des Landes anerkennt und die richtige Entscheidung trifft - dass es also die neue Regierung im Amt bestätigt und ihr Vertrauen schenkt."
    Eine Regierung der nationalen Einheit - das wäre in Libyen ein erster Schritt aus der Krise. Denn seit Mitte 2014 beanspruchen zwei Parlamente und zwei Regierungen die Macht. Die Regierung in Tripolis wird von Islamisten dominiert, die international anerkannte in Tobruk von deren Gegnern. Beide Seiten kämpfen um Einfluss, Geld und Öl und stützen sich auf die zahlreichen Milizen im Land. Die politischen Institutionen sind stark geschwächt oder gar nicht vorhanden - eine Folge der Jahrzehnte langen Herrschaft von Muammar Al-Gaddafi, sagt der UN-Sondergesandte für Libyen, Martin Kobler:
    "Wir sind im Prozess des nation building, also einen Staat richtig wieder aufzubauen und die Fragmentierungen wieder zusammenzuführen. Das ist ein ganz schwieriger, ein ganz schmerzhafter Prozess. Gaddafi hat das Land fragmentiert. Er hat uns die Illusion des Staates vorgegaukelt, den es so gar nicht gab."
    Ohnehin bildet Libyen noch nicht lange eine Einheit. Erst 1963 wurden die bis dahin weitgehend autonomen Landesteile Tripolitanien, Cyrenaika und Fessan zu einem Zentralstaat zusammengefasst. Das mache sich immer noch bemerkbar, sagt Kobler:
    "Es gibt durchaus unter den Parlamentariern eine starke Bewegung gegen diesen politischen Prozess, weil in der Tat [wie Sie sagen] die Partikularinteressen über die nationalen Interessen gestellt werden."
    Ein Grund, warum die Probleme des Landes wachsen. So breitet sich die Terror-Organisation "Islamischer Staat" immer weiter in Libyen aus. Seit dem vergangenen Jahr kontrolliert sie bereits die Hafenstadt Sirte. Hinzu kommt, dass mittlerweile mehr als ein Drittel der libyschen Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen ist. Der sinkende Ölpreis und die geringen Fördermengen füllen die Kassen längst nicht mehr. Auch wenn eine Regierung der nationalen Einheit nicht alle zufrieden stellen wird - für Mansour Al-Hassady, Mitglied im Nationalkongress, dem Parlament in Tripolis, ist sie der einzige Ausweg aus der Krise:
    "Wir müssen uns trotz der Unstimmigkeiten und der Differenzen auf diese Einheitsregierung einigen. Ein Teil des Nationalkongresses in Tripolis stimmt dafür, der Rest nicht; und genauso sieht es auch im Parlament in Tobruk aus. Die politische Elite und die Stämme sind gespalten, wenn es um die Regierung geht. Aber sie ist die einzig mögliche Lösung."