So verabschiedete sich Bundestagspräsident Wolfgang Thierse vom ehemaligen Regierungssitz Bonn. Und das war es dann: Aus, Schluss und vorbei - in diesen Tagen ist es fünf Jahre her, dass die Bundestagsabgeordneten zum letzten Mal in Bonn am Rhein zu einer Sitzung zusammenkamen. Danach ging es ans Kofferpacken. Dass dies so kommen würde, war seit 1991 klar. Damals entschieden die Mitglieder des Bundestages nach einer hitzigen und aufwühlenden Debatte, dass Berlin Hauptstadt bleiben und Regierungssitz werden soll.
Nach dem anfänglichen Katzenjammer krempelten die Bonner in typisch rheinischer Manier die Ärmel hoch und beobachteten genau, wie an einem Bonn-Berlin-Gesetz gearbeitet wurde. Das regelt seit 1994, welche Bundesbehörden in Bonn blieben oder als Ausgleich für den Umzug der Regierung an den Rhein ziehen sollten. So kamen z.B. das Bundeskartellamt und die Bundesanstalt für das Versicherungswesen nach Bonn. Erst in der vergangenen Woche wurde bekannt, dass im Jahr 2005 die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung nach Bonn ziehen soll. Die stolze Summe von umgerechnet 1,4 Milliarden Euro wurde als Ausgleichsmittel für Bonn und die Region festgeschrieben. Über einen Zeitraum von zehn Jahren floss das Geld - und so ist dieses Jahr das letzte, in dem Bonn auf finanzielle Hilfe vom Bund bauen kann
Beispiel: UN-Stadt Bonn
Eines der Ziele: Bonn solle eine Stadt werden, in der sich möglichst viele Organisationen der Vereinten Nationen ansiedeln. Das wurde im Jahr 2002 noch einmal vertraglich festgehalten. Und das wird weiterhin parteiübergreifend von allen Politikern unterstützt. Alt-Bundespräsident Johannes Rau:
Ein UNO-Campus am Rhein im ehemaligen Plenarbereich des Deutschen Bundestages, das ist eine faszinierende Vorstellung.
Eine Vorstellung, die aus Sicht der Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) für den Strukturwandel der Stadt Bonn einem "Quantensprung" gleichkomme. Bisher sind zwölf UN-Organisationen an den Rhein gezogen: Vom kleinen UN-Fledermaussekretariat bis hin zum großen Klimasekretariat. Untergebracht sind die Mitarbeiter in den ehemaligen Büros der Bundestagesabgeordneten. Auf den ersten Blick mag die Zahl von nur zwölf UN-Einrichtungen bescheiden wirken, aber sie haben weitreichenden Einfluss. So wurde erst im Juni eine internationale Konferenz für erneuerbare Energien mit mehreren Tausend Teilnehmern in Bonn durchgeführt. Und Bundesumweltminister Jürgen Trittin meinte:
Dass wir in Bonn diese Konferenz machen, ist auch eines der Signale für die UN-Stadt Bonn, die wir ausbauen und fördern wollen. Aktuell führen wir ja auch eine Auseinandersetzung über die Ansiedlung weiterer Sekretariate, etwa im Chemiebereich, im Bereich der sogenannten besonders gefährlichen Gifte. Hier bemühen wir uns weiterhin, den Standort Bonn als Standort der Vereinten Nationen, und hier insbesondere der internationalen Umweltpolitik, zu stärken.
Die Niederländerin Joke Waller Hunter leitet das Klimaschutzsekretariat der Vereinten Nationen. Das hat – wie gesagt - auch seinen Sitz in Bonn. Die Stadt hat sich doch gut entwickelt, meint Joke Waller Hunter:
Jetzt war es vor zehn Jahren, dass die Entscheidung gefallen ist, dass Bonn eine internationale Stadt werden wird, und es ist auch zehn Jahre her, dass die Klimaschutzkonvention in Kraft getreten ist. So haben beide ihren zehnten Geburtstag in diesem Jahr. Ich glaube, dass Bonn sich wirklich entwickelt hat zu einer internationalen Stadt, in der die Vereinten Nationen sehr zufrieden sind.
Und, so fügt sie hinzu, eines dürfe nicht vergessen werden: Die Vereinten Nationen zögen Jahr für Jahr Tausende Besucher in die Stadt:
Wir haben normalerweise vier- bis fünftausend Leute, die zu unseren Konferenz kommen, und es ist ganz wichtig, dass es ein wirklich gutes Konferenzzentrum gibt.
Die Stadt Bonn plant denn auch das bestehende Internationale Kongresszentrum zu erweitern: Bisher dient nur der ehemalige Plenarsaal als Kongresszentrum. Ein weiterer Saal soll folgen, zu dem ein eigenes Hotel gehören soll. Ohnehin müsse sich noch einiges tun, damit die Stadt tatsächlich auch touristisch davon profitieren könne, meint Harald Gans, ehemaliger Botschafter und Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die UN-Institutionen:
Dass dort das neue Kongresszentrum arbeitet mit großen Vertragsstaatenkonferenzen, etwa des Klimasekretariates, dass das auch ein touristischer Anziehungspunkt ist für solche, die dort noch einmal die deutsche Demokratie besichtigen wollen im alten Plenarsaal, aber auch die Arbeit der UNO zur Kenntnis nehmen möchten und dort durchgeführt werden von einem Besucherdienst - dann muss es natürlich Läden geben, da muss es Cafeterias geben, da muss es Andenkenshops geben mit den üblichen Devotionalien der Vereinten Nationen: Krawatten, Anstecknadeln usw. -, also, ich kann mir vorstellen, dass dort in einigen Jahren eine ganz besonders lebendige, multi-kulturelle Landschaft entsteht, die auch für Nicht-Bonner von äußersten großem Interesse ist und ein Anziehungspunkt auch für den Tourismus.
Bonn als Zentrum des Nord-Süd-Dialogs
Im Bonn-Berlin-Gesetz ist auch niedergeschrieben, dass Bonn zu einem Zentrum des Nord-Süd-Dialogs werden soll, also ein Zentrum für Entwicklungspolitik. Das bietet sich förmlich an, da der erste Dienstsitz des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Bonn ist. Doch ganz so, wie das Gesetz es vorsieht, entwickelt sich dieses Nord-Süd-Zentrum nicht. Das läge zum einen daran - monieren die Kritiker -, dass die zuständige Bundesministerin, Heidemarie Wieczorek-Zeul, nicht oft in Bonn sei, sondern beispielsweise alle wesentlichen Pressekonferenzen in Berlin abhalte. Zum anderen komme hinzu, ergänzt der ehemalige Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Entwicklungspolitik, Uwe Holz (SPD):
Jedes Jahr eine internationale große Konferenz, das ist gut. Aber wenn Bonn als Zentrum für internationale Zusammenarbeit in der Welt ein unverwechselbares Profil, ein Leuchtfeuer sein will, dann ist es zum Beispiel nötig, jedes Jahr einen Entwicklungsgipfel in Bonn und auf dem Petersberg zu veranstalten, so wie es das Weltwirtschaftsforum in Davos gibt oder das Weltsozialforum in Porto Alegre, Brasilien. Das wäre dann ein Leuchtfeuer.
Die Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn, Bärbel Dieckmann, sieht das freilich nicht so schwarz. Im großen und ganzen sei sie zufrieden, was die Einrichtung von UN-Institutionen und das Nord-Süd-Zentrum in Bonn angehe:
Im Prinzip sind wir zufrieden. Es sind eine Reihe von UN-Einrichtungen nach Bonn gekommen. Es sind mittlerweile rund 600 Arbeitsplätze geschaffen worden von Organisationen der Vereinten Nationen. Das wiederum hat bewirkt, dass es Nicht-Regierungsorganisationen gibt, für die Bonn interessant ist. Die deutschen Entwicklungseinrichtungen sind in Bonn. Das internationale Kongresszentrum wird betrieben, da finden wichtige internationale Konferenzen statt. Deshalb ist die Bilanz sehr positiv.
Doch das internationale Kongresszentrum Bonn kann im Dienstleistungsbereich noch nicht die Lücken schließen, die durch den Bonn-Berlin-Umzug entstanden sind.
Beispiel: Hotel- und Gaststättengewerbe
Francesco Tartero kannte sie alle. Der Besitzer des italienischen Nobelrestaurants Sassella in Bonn-Kessenich zählte Helmut Kohl ebenso wie Joschka Fischer oder Rudolf Scharping zu seinen Stammgästen. In deren Gefolge kamen auch Wirtschaftsmagnaten wie Bill Gates. Die Zeiten sind vorbei. Inzwischen stabilisiert sich der Umsatz zwar wieder, aber direkt nach dem Bonn-Berlin-Umzug ging es im Sassella eher ruhig zu.
Unsere Stammkunden oder unsere Kunden waren meistens Politiker oder Leute der Presse: Fernsehen, Zeitungen -, die in der Woche über hier gelebt haben und am Wochenende wieder weggefahren sind. Am Abend gab es Pressekonferenzen, was es heute nicht mehr gibt.
In den noch existierenden Restaurants und Gaststätten normalisieren sich die Geschäfte wieder. Viele Konkurrenten mussten aber aufgeben. Der Markt ist enger geworden, die Konkurrenz aber kleiner. Auch die Hotels mussten Krisenzeiten durchleben, wurden aber bei weitem nicht so hart getroffen wie die Gastronomie-Szene, sagt Ute Baden vom Hotel- und Gaststättenverband:
Unsere Gaststätten haben es da schon schwieriger, gerade durch die Botschaftsangehörigen, die auch in Godesberg gewohnt haben und Essen gegangen sind - das fehlt schon. Das, denke ich, ist im Einzelhandel auch so. Für Gaststätten und Restaurants ist es schon zurückgegangen.
Die Bundestagsabgeordneten dürfen Besuchergruppen aus ihrem Wahlkreis in die Hauptstadt einladen. Das belebte den Umsatz der Bonner Gastronomie gewaltig. Diese Besucher fehlen in Bonn jetzt am meisten. Im Brauhaus Salvator in der Bonner Innenstadt wurden zahllose Besuchergruppen verköstigt, erinnert sich Wirt Radwan Sadee:
Der Umsatz ist viel weniger geworden. Es ist sogar noch viel schlimmer geworden. Wir haben jede Menge Verluste durch das Bundespresseamt, die Botschafter. Die waren häufiger hier. Und es ist klar, die fehlen uns. Genau gerechnet sind das mindestens im Jahr um die 80.000, 90.000 Euro, die uns seit dem Umzug jedes Jahr fehlen.
Nicht viel besser ergeht es beispielsweise den Bonner Taxifahrern, die vor dem Umzug der Regierung in geradezu paradiesischen Verhältnissen für die Branche lebten.
Die Abgeordneten brauchten für die Fahrten nämlich selber nichts zu bezahlen, das übernahm der Bundestag. So wurde gerne mal ein Wagen bestellt, erinnert sich Jörg Hasper, der seit vielen Jahren in Bonn Taxi fährt.
Wir haben jetzt nicht mehr die Spitzenzeiten wie früher, wenn Bundestag war. Wir hatten ja über 600 Bundestagsabgeordnete, die auf einmal zum Dienstbeginn kommen. Und die hatten ihre Freifahrtscheine. Und wer frei fährt, der nimmt das Taxi. Das war natürlich schon enorm.
Nun stehen sich die Taxis die Räder viereckig. Gäbe es Alternativen, Fahrer wie Gerard Kukulski hätten schon lange umgesattelt.
Die Umsätze sind gesunken. Die sind drastisch nach unten gegangen. Es sind viel weniger Fahrten. Manchmal muss man zwei Stunden auf eine Fahrt warten. Früher war das ganz anders. Man hat jede halbe Stunde, sagen wir mal, eine Fahrt bekommen. Heute muss man auf manchen Halteplätzen im Regierungsviertel bis zu zwei Stunden stehen, manchmal sogar länger. Hier am Bahnhof ist es auch viel schlechter geworden. Man steht eine halbe Stunde. Man bekommt manchmal eine ganz kurze Fahrt.
In einzelnen Bereichen mag es zwar – wie bundesweit - nicht so rosig ausschauen, generell aber erscheinen die Zahlen zum Bonner Strukturwandel sehr gut: In Bonn leben heute etwa 4.000 Menschen mehr als vor dem Bonn-Berlin-Beschluss. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer ist in der Bundesstadt seitdem auch beachtlich gestiegen, um fast 12.000 Personen. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass in Bonn viele Unternehmen angesiedelt sind, die zu den wachstumsstarken Wirtschaftsbereichen gehören.
Beispiel: Wachstumsstarke Wirtschaftsunternehmen
Neben der Deutschen Post gehört dazu auch die Telekom, die ihren Firmensitz in Bonn eingerichtet haben. Eines ihrer Tochterunternehmen, T-Mobile, zählt besonders zu diesen wachstumsstarken Wirtschaftsunternehmen. Und das sollte doch die Stadtkassen durch kräftige Gewerbesteuer-Einnahmen entlasten können. Im Jahr 2002 freute sich der Stadtkämmerer noch über eine Gewerbesteuer-Vorauszahlung in Höhe von 153 Millionen Euro. Der Pressesprecher der Stadt Bonn, Friedel Frechen:
Es gibt ja das Steuergeheimnis, deswegen kann ich das Unternehmen nicht benennen. Aber es ist ein sehr bedeutendes Unternehmen.
Derer gibt es aber nun mal nicht all zu viele in Bonn, und die Spatzen pfeifen es mittlerweile schon von den Dächern, dass es dabei um T-Mobile geht. T-Mobile wollte diese hohe Vorauszahlung so nicht akzeptieren und konnte sich mit dieser Auffassung vor den Finanzgerichten erst einmal durchsetzen, was für die Stadt Bonn bedeutet:
Wir haben 135 Millionen Gewerbesteuervorauszahlung zurückzahlen müssen, und in diesem Jahr haben wir einen ungedeckten Betrag, also ein Haushaltsloch, von 200 Millionen Euro.
Doch davon wollen sich die Bonner erst einmal nicht entmutigen lassen. Das ist noch nicht ausgestanden, sagt Friedel Frechen:
Als vor zwei Jahren die, damals allerdings überraschende, Nachzahlung in Höhe von 153 Millionen Euro gekommen ist im Herbst 2002, haben wir immer gesagt, wir können nicht sicher sein, ob uns dieser Betrag erhalten bleibt, weil die Frage der rechtlichen Würdigung der Steuerpflicht dieses Unternehmens nicht abschließend beantwortet ist. Und sie ist auch heute noch nicht abschließend beantwortet. Es kann durchaus sein, dass wir in einigen Jahren, falls sich diese rechtliche Auseinandersetzung hinzieht, noch einmal zu einer neuen Bewertung kommen.
Wesentlicher Teil des Bonn-Berlin-Gesetzes ist die Erkenntnis, dass es einen Strukturwandel in der einstigen Beamtenstadt geben müsse. Selbst Kritiker räumen ein, dass die Stadt Bonn diesen Strukturwandel sehr gut eingeleitet hat. Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten.
Beispiel: Strukturförderungsgesellschaft
Ein besonders schwarzes Kapitel ist die Strukturförderungsgesellschaft, kurz SFG. Bonn, der Rhein-Sieg-Kreis und der Ahr-Kreis bekamen vom Bund 15 Millionen Euro zur gemeinsamen Wirtschaftsförderung. Wegen Dauerstreits musste die SFG schließlich aufgelöst werden, ohne dass ein einziger zählbarer Erfolg zu Stande kam. Doch es kam noch viel schlimmer. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bis heute gegen die ehemaligen Geschäftsführer und einige Mitarbeiter wegen des Verdachts der Untreue.
Die SFG investierte hohe Summen in den Aufbau von Geschäften mit China, siedelte angeblich 30 Unternehmen in Bonn an. Nur ein einziges davon kam tatsächlich. Stattdessen stellte sich heraus, dass die SFG-Manager vermutlich unwissentlich mit einem chinesischen Menschschmuggler zusammenarbeiteten. Der wurde später zu einer Haftstrafe verurteilt.
Nachher staunte die Öffentlichkeit nur noch über die Animositäten, die da offenbar wurden - verschiedene Landkreise mit Eigeninteressen und unterschiedliche politische Parteien mit Proporzabsichten. Darüber vergisst man leicht, welche Chancen die üppig mit Steuergeldern ausgestattete SFG eigentlich gehabt haben müsste.
Beispiel: Wissenschaftsstandort Bonn
Eines der wichtigsten Elemente beim Strukturwandel soll der Ausbau Bonns zu einem Wissenschaftsstandort sein. Der Löwenanteil der Ausgleichsmittel ist in dieses Vorhaben geflossen. Das Vorzeigeprojekt schlechthin ist Caesar – das größte wissenschaftliche Einzelprojekt des Bonn-Berlin-Ausgleichs. Caesar ist eine Stiftung aus Bundes- und Landesmitteln. Auf umgerechnet etwa 375 Millionen Euro beläuft sich das Stiftungskapital. Caesar ist die Institution, wo mit flexiblen Experten und Teams aus aller Welt innovative, naturwissenschaftliche Forschung betrieben werden kann, so die Ankündigung auf der eigenen Homepage. In wissenschaftlicher Hinsicht sind die Erwartungen wohl
hochgesteckt, doch die Forscher könnten diesen Anspruch durchaus erfüllen. Immerhin haben sie seit dem Projektstart 1999 schon 33 Patente angemeldet. Wenngleich auch hier nicht nur eitel Sonnenschein herrscht.
Denn kürzlich wurde ein Gutachten des Wissenschaftsrates veröffentlicht. In dem ist die Arbeit von Caesar unter die Lupe genommen worden: Während die Forschungsprojekte gelobt wurden, sind die Mitglieder des Wissenschaftsrates kritisch, was eine andere Aufgabe Caesars angeht: Forschungsprojekte sollen sich nämlich daran orientieren, inwieweit sie praxisorientiert und sich damit direkt aus dem Projekt heraus Unternehmen gründen können. Das Urteil des Wissenschaftsrates dazu fällt eindeutig aus: Man solle sich doch lieber auf die reine Forschung konzentrieren, eine neue zu gründende Strukturkommission könne dabei behilflich sein.
Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD):
Der Wissenschaftsrat hat Caesar bewertet mit einem insgesamt 'Sehr gut’ bis 'Gut’. Es sind eine ganze Reihe von Arbeitsgruppen 'Sehr gut’ bewertet worden. An Teilen sind Verbesserungsvorschläge gemacht worden. Und ich muss sagen, ich finde das absolut normal. Jede Wissenschaftseinrichtung muss sich nach einer gewissen Zeit evaluieren lassen. Caesar ist in den Anfängen. Es arbeitet erst fünf Jahre. In der Zeit ist der neue Bau entstanden. Das Gutachten des Wissenschaftsrates ist so, dass man darauf sehr gut weiterarbeiten kann und aufbauen kann.
Was bleibt, fünf Jahre nachdem der Bundestag das letzte Mail am Rhein getagt hat und nach zehn Jahren, in denen rund 1,4 Milliarden Euro an Ausgleichsmitteln in die Region geflossen sind? Bonn ist auf einem guten Weg, die Arbeitslosigkeit liegt unter dem Bundesdurchschnitt, die Kaufkraft liegt dagegen über dem Bundesdurchschnitt. Alles in allem also eine gute Bilanz, meint auch Ministerialdirigent Klaus Westkamp vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und zuständig für die Ausgleichsmittel vom Bund:
Wir haben mit den Ausgleichsgeldern über 70 Projekte gemacht für Bonn und die Bonner Region. Wir haben über 20.000 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert. Wir haben über 4.000 Studenten in vier Fachhochschulen und vieles mehr. Also, insgesamt, würde ich sagen, ist die Situation befriedigend. Und es kommt nicht von ungefähr, dass die Bundesstadt Bonn heute an Arbeitsplätzen und an Bewohnern genauso viel oder mehr hat als zum Zeitpunkt des Umzugsbeschlusses 1991. Und der Bund ist sehr froh darüber, dass er seinen Anteil hierzu liefern konnte.
Soweit also alles in Ordnung. - Wäre da nicht die immer wieder aufkeimende Diskussion, ob es nicht besser wäre, auch die Bonner Ministerien nach Berlin umziehen zu lassen. Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann wischt das mit einer Handbewegung weg: Bundeskanzler Gerhard Schröder habe ihr zugesagt, dass sich an das Bonn-Berlin-Gesetz gehalten wird. Punkt.
Im übrigen habe doch ein Gutachten des Bundesrechnungshofes eindeutig gezeigt, dass sowohl aus strukturellen als auch aus Kostengründen ein Umzug der Bonner Ministerien nach Berlin nicht nötig und möglich sei. Immerhin würde ein Komplettumzug fünf Milliarden Euro zusätzlich kosten. Doch ob das auch die Berlin-Befürworter so sehen? Die nächste Diskussion über einen kompletten Umzug kommt bestimmt.
Nach dem anfänglichen Katzenjammer krempelten die Bonner in typisch rheinischer Manier die Ärmel hoch und beobachteten genau, wie an einem Bonn-Berlin-Gesetz gearbeitet wurde. Das regelt seit 1994, welche Bundesbehörden in Bonn blieben oder als Ausgleich für den Umzug der Regierung an den Rhein ziehen sollten. So kamen z.B. das Bundeskartellamt und die Bundesanstalt für das Versicherungswesen nach Bonn. Erst in der vergangenen Woche wurde bekannt, dass im Jahr 2005 die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung nach Bonn ziehen soll. Die stolze Summe von umgerechnet 1,4 Milliarden Euro wurde als Ausgleichsmittel für Bonn und die Region festgeschrieben. Über einen Zeitraum von zehn Jahren floss das Geld - und so ist dieses Jahr das letzte, in dem Bonn auf finanzielle Hilfe vom Bund bauen kann
Beispiel: UN-Stadt Bonn
Eines der Ziele: Bonn solle eine Stadt werden, in der sich möglichst viele Organisationen der Vereinten Nationen ansiedeln. Das wurde im Jahr 2002 noch einmal vertraglich festgehalten. Und das wird weiterhin parteiübergreifend von allen Politikern unterstützt. Alt-Bundespräsident Johannes Rau:
Ein UNO-Campus am Rhein im ehemaligen Plenarbereich des Deutschen Bundestages, das ist eine faszinierende Vorstellung.
Eine Vorstellung, die aus Sicht der Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) für den Strukturwandel der Stadt Bonn einem "Quantensprung" gleichkomme. Bisher sind zwölf UN-Organisationen an den Rhein gezogen: Vom kleinen UN-Fledermaussekretariat bis hin zum großen Klimasekretariat. Untergebracht sind die Mitarbeiter in den ehemaligen Büros der Bundestagesabgeordneten. Auf den ersten Blick mag die Zahl von nur zwölf UN-Einrichtungen bescheiden wirken, aber sie haben weitreichenden Einfluss. So wurde erst im Juni eine internationale Konferenz für erneuerbare Energien mit mehreren Tausend Teilnehmern in Bonn durchgeführt. Und Bundesumweltminister Jürgen Trittin meinte:
Dass wir in Bonn diese Konferenz machen, ist auch eines der Signale für die UN-Stadt Bonn, die wir ausbauen und fördern wollen. Aktuell führen wir ja auch eine Auseinandersetzung über die Ansiedlung weiterer Sekretariate, etwa im Chemiebereich, im Bereich der sogenannten besonders gefährlichen Gifte. Hier bemühen wir uns weiterhin, den Standort Bonn als Standort der Vereinten Nationen, und hier insbesondere der internationalen Umweltpolitik, zu stärken.
Die Niederländerin Joke Waller Hunter leitet das Klimaschutzsekretariat der Vereinten Nationen. Das hat – wie gesagt - auch seinen Sitz in Bonn. Die Stadt hat sich doch gut entwickelt, meint Joke Waller Hunter:
Jetzt war es vor zehn Jahren, dass die Entscheidung gefallen ist, dass Bonn eine internationale Stadt werden wird, und es ist auch zehn Jahre her, dass die Klimaschutzkonvention in Kraft getreten ist. So haben beide ihren zehnten Geburtstag in diesem Jahr. Ich glaube, dass Bonn sich wirklich entwickelt hat zu einer internationalen Stadt, in der die Vereinten Nationen sehr zufrieden sind.
Und, so fügt sie hinzu, eines dürfe nicht vergessen werden: Die Vereinten Nationen zögen Jahr für Jahr Tausende Besucher in die Stadt:
Wir haben normalerweise vier- bis fünftausend Leute, die zu unseren Konferenz kommen, und es ist ganz wichtig, dass es ein wirklich gutes Konferenzzentrum gibt.
Die Stadt Bonn plant denn auch das bestehende Internationale Kongresszentrum zu erweitern: Bisher dient nur der ehemalige Plenarsaal als Kongresszentrum. Ein weiterer Saal soll folgen, zu dem ein eigenes Hotel gehören soll. Ohnehin müsse sich noch einiges tun, damit die Stadt tatsächlich auch touristisch davon profitieren könne, meint Harald Gans, ehemaliger Botschafter und Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die UN-Institutionen:
Dass dort das neue Kongresszentrum arbeitet mit großen Vertragsstaatenkonferenzen, etwa des Klimasekretariates, dass das auch ein touristischer Anziehungspunkt ist für solche, die dort noch einmal die deutsche Demokratie besichtigen wollen im alten Plenarsaal, aber auch die Arbeit der UNO zur Kenntnis nehmen möchten und dort durchgeführt werden von einem Besucherdienst - dann muss es natürlich Läden geben, da muss es Cafeterias geben, da muss es Andenkenshops geben mit den üblichen Devotionalien der Vereinten Nationen: Krawatten, Anstecknadeln usw. -, also, ich kann mir vorstellen, dass dort in einigen Jahren eine ganz besonders lebendige, multi-kulturelle Landschaft entsteht, die auch für Nicht-Bonner von äußersten großem Interesse ist und ein Anziehungspunkt auch für den Tourismus.
Bonn als Zentrum des Nord-Süd-Dialogs
Im Bonn-Berlin-Gesetz ist auch niedergeschrieben, dass Bonn zu einem Zentrum des Nord-Süd-Dialogs werden soll, also ein Zentrum für Entwicklungspolitik. Das bietet sich förmlich an, da der erste Dienstsitz des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Bonn ist. Doch ganz so, wie das Gesetz es vorsieht, entwickelt sich dieses Nord-Süd-Zentrum nicht. Das läge zum einen daran - monieren die Kritiker -, dass die zuständige Bundesministerin, Heidemarie Wieczorek-Zeul, nicht oft in Bonn sei, sondern beispielsweise alle wesentlichen Pressekonferenzen in Berlin abhalte. Zum anderen komme hinzu, ergänzt der ehemalige Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Entwicklungspolitik, Uwe Holz (SPD):
Jedes Jahr eine internationale große Konferenz, das ist gut. Aber wenn Bonn als Zentrum für internationale Zusammenarbeit in der Welt ein unverwechselbares Profil, ein Leuchtfeuer sein will, dann ist es zum Beispiel nötig, jedes Jahr einen Entwicklungsgipfel in Bonn und auf dem Petersberg zu veranstalten, so wie es das Weltwirtschaftsforum in Davos gibt oder das Weltsozialforum in Porto Alegre, Brasilien. Das wäre dann ein Leuchtfeuer.
Die Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn, Bärbel Dieckmann, sieht das freilich nicht so schwarz. Im großen und ganzen sei sie zufrieden, was die Einrichtung von UN-Institutionen und das Nord-Süd-Zentrum in Bonn angehe:
Im Prinzip sind wir zufrieden. Es sind eine Reihe von UN-Einrichtungen nach Bonn gekommen. Es sind mittlerweile rund 600 Arbeitsplätze geschaffen worden von Organisationen der Vereinten Nationen. Das wiederum hat bewirkt, dass es Nicht-Regierungsorganisationen gibt, für die Bonn interessant ist. Die deutschen Entwicklungseinrichtungen sind in Bonn. Das internationale Kongresszentrum wird betrieben, da finden wichtige internationale Konferenzen statt. Deshalb ist die Bilanz sehr positiv.
Doch das internationale Kongresszentrum Bonn kann im Dienstleistungsbereich noch nicht die Lücken schließen, die durch den Bonn-Berlin-Umzug entstanden sind.
Beispiel: Hotel- und Gaststättengewerbe
Francesco Tartero kannte sie alle. Der Besitzer des italienischen Nobelrestaurants Sassella in Bonn-Kessenich zählte Helmut Kohl ebenso wie Joschka Fischer oder Rudolf Scharping zu seinen Stammgästen. In deren Gefolge kamen auch Wirtschaftsmagnaten wie Bill Gates. Die Zeiten sind vorbei. Inzwischen stabilisiert sich der Umsatz zwar wieder, aber direkt nach dem Bonn-Berlin-Umzug ging es im Sassella eher ruhig zu.
Unsere Stammkunden oder unsere Kunden waren meistens Politiker oder Leute der Presse: Fernsehen, Zeitungen -, die in der Woche über hier gelebt haben und am Wochenende wieder weggefahren sind. Am Abend gab es Pressekonferenzen, was es heute nicht mehr gibt.
In den noch existierenden Restaurants und Gaststätten normalisieren sich die Geschäfte wieder. Viele Konkurrenten mussten aber aufgeben. Der Markt ist enger geworden, die Konkurrenz aber kleiner. Auch die Hotels mussten Krisenzeiten durchleben, wurden aber bei weitem nicht so hart getroffen wie die Gastronomie-Szene, sagt Ute Baden vom Hotel- und Gaststättenverband:
Unsere Gaststätten haben es da schon schwieriger, gerade durch die Botschaftsangehörigen, die auch in Godesberg gewohnt haben und Essen gegangen sind - das fehlt schon. Das, denke ich, ist im Einzelhandel auch so. Für Gaststätten und Restaurants ist es schon zurückgegangen.
Die Bundestagsabgeordneten dürfen Besuchergruppen aus ihrem Wahlkreis in die Hauptstadt einladen. Das belebte den Umsatz der Bonner Gastronomie gewaltig. Diese Besucher fehlen in Bonn jetzt am meisten. Im Brauhaus Salvator in der Bonner Innenstadt wurden zahllose Besuchergruppen verköstigt, erinnert sich Wirt Radwan Sadee:
Der Umsatz ist viel weniger geworden. Es ist sogar noch viel schlimmer geworden. Wir haben jede Menge Verluste durch das Bundespresseamt, die Botschafter. Die waren häufiger hier. Und es ist klar, die fehlen uns. Genau gerechnet sind das mindestens im Jahr um die 80.000, 90.000 Euro, die uns seit dem Umzug jedes Jahr fehlen.
Nicht viel besser ergeht es beispielsweise den Bonner Taxifahrern, die vor dem Umzug der Regierung in geradezu paradiesischen Verhältnissen für die Branche lebten.
Die Abgeordneten brauchten für die Fahrten nämlich selber nichts zu bezahlen, das übernahm der Bundestag. So wurde gerne mal ein Wagen bestellt, erinnert sich Jörg Hasper, der seit vielen Jahren in Bonn Taxi fährt.
Wir haben jetzt nicht mehr die Spitzenzeiten wie früher, wenn Bundestag war. Wir hatten ja über 600 Bundestagsabgeordnete, die auf einmal zum Dienstbeginn kommen. Und die hatten ihre Freifahrtscheine. Und wer frei fährt, der nimmt das Taxi. Das war natürlich schon enorm.
Nun stehen sich die Taxis die Räder viereckig. Gäbe es Alternativen, Fahrer wie Gerard Kukulski hätten schon lange umgesattelt.
Die Umsätze sind gesunken. Die sind drastisch nach unten gegangen. Es sind viel weniger Fahrten. Manchmal muss man zwei Stunden auf eine Fahrt warten. Früher war das ganz anders. Man hat jede halbe Stunde, sagen wir mal, eine Fahrt bekommen. Heute muss man auf manchen Halteplätzen im Regierungsviertel bis zu zwei Stunden stehen, manchmal sogar länger. Hier am Bahnhof ist es auch viel schlechter geworden. Man steht eine halbe Stunde. Man bekommt manchmal eine ganz kurze Fahrt.
In einzelnen Bereichen mag es zwar – wie bundesweit - nicht so rosig ausschauen, generell aber erscheinen die Zahlen zum Bonner Strukturwandel sehr gut: In Bonn leben heute etwa 4.000 Menschen mehr als vor dem Bonn-Berlin-Beschluss. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer ist in der Bundesstadt seitdem auch beachtlich gestiegen, um fast 12.000 Personen. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass in Bonn viele Unternehmen angesiedelt sind, die zu den wachstumsstarken Wirtschaftsbereichen gehören.
Beispiel: Wachstumsstarke Wirtschaftsunternehmen
Neben der Deutschen Post gehört dazu auch die Telekom, die ihren Firmensitz in Bonn eingerichtet haben. Eines ihrer Tochterunternehmen, T-Mobile, zählt besonders zu diesen wachstumsstarken Wirtschaftsunternehmen. Und das sollte doch die Stadtkassen durch kräftige Gewerbesteuer-Einnahmen entlasten können. Im Jahr 2002 freute sich der Stadtkämmerer noch über eine Gewerbesteuer-Vorauszahlung in Höhe von 153 Millionen Euro. Der Pressesprecher der Stadt Bonn, Friedel Frechen:
Es gibt ja das Steuergeheimnis, deswegen kann ich das Unternehmen nicht benennen. Aber es ist ein sehr bedeutendes Unternehmen.
Derer gibt es aber nun mal nicht all zu viele in Bonn, und die Spatzen pfeifen es mittlerweile schon von den Dächern, dass es dabei um T-Mobile geht. T-Mobile wollte diese hohe Vorauszahlung so nicht akzeptieren und konnte sich mit dieser Auffassung vor den Finanzgerichten erst einmal durchsetzen, was für die Stadt Bonn bedeutet:
Wir haben 135 Millionen Gewerbesteuervorauszahlung zurückzahlen müssen, und in diesem Jahr haben wir einen ungedeckten Betrag, also ein Haushaltsloch, von 200 Millionen Euro.
Doch davon wollen sich die Bonner erst einmal nicht entmutigen lassen. Das ist noch nicht ausgestanden, sagt Friedel Frechen:
Als vor zwei Jahren die, damals allerdings überraschende, Nachzahlung in Höhe von 153 Millionen Euro gekommen ist im Herbst 2002, haben wir immer gesagt, wir können nicht sicher sein, ob uns dieser Betrag erhalten bleibt, weil die Frage der rechtlichen Würdigung der Steuerpflicht dieses Unternehmens nicht abschließend beantwortet ist. Und sie ist auch heute noch nicht abschließend beantwortet. Es kann durchaus sein, dass wir in einigen Jahren, falls sich diese rechtliche Auseinandersetzung hinzieht, noch einmal zu einer neuen Bewertung kommen.
Wesentlicher Teil des Bonn-Berlin-Gesetzes ist die Erkenntnis, dass es einen Strukturwandel in der einstigen Beamtenstadt geben müsse. Selbst Kritiker räumen ein, dass die Stadt Bonn diesen Strukturwandel sehr gut eingeleitet hat. Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten.
Beispiel: Strukturförderungsgesellschaft
Ein besonders schwarzes Kapitel ist die Strukturförderungsgesellschaft, kurz SFG. Bonn, der Rhein-Sieg-Kreis und der Ahr-Kreis bekamen vom Bund 15 Millionen Euro zur gemeinsamen Wirtschaftsförderung. Wegen Dauerstreits musste die SFG schließlich aufgelöst werden, ohne dass ein einziger zählbarer Erfolg zu Stande kam. Doch es kam noch viel schlimmer. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bis heute gegen die ehemaligen Geschäftsführer und einige Mitarbeiter wegen des Verdachts der Untreue.
Die SFG investierte hohe Summen in den Aufbau von Geschäften mit China, siedelte angeblich 30 Unternehmen in Bonn an. Nur ein einziges davon kam tatsächlich. Stattdessen stellte sich heraus, dass die SFG-Manager vermutlich unwissentlich mit einem chinesischen Menschschmuggler zusammenarbeiteten. Der wurde später zu einer Haftstrafe verurteilt.
Nachher staunte die Öffentlichkeit nur noch über die Animositäten, die da offenbar wurden - verschiedene Landkreise mit Eigeninteressen und unterschiedliche politische Parteien mit Proporzabsichten. Darüber vergisst man leicht, welche Chancen die üppig mit Steuergeldern ausgestattete SFG eigentlich gehabt haben müsste.
Beispiel: Wissenschaftsstandort Bonn
Eines der wichtigsten Elemente beim Strukturwandel soll der Ausbau Bonns zu einem Wissenschaftsstandort sein. Der Löwenanteil der Ausgleichsmittel ist in dieses Vorhaben geflossen. Das Vorzeigeprojekt schlechthin ist Caesar – das größte wissenschaftliche Einzelprojekt des Bonn-Berlin-Ausgleichs. Caesar ist eine Stiftung aus Bundes- und Landesmitteln. Auf umgerechnet etwa 375 Millionen Euro beläuft sich das Stiftungskapital. Caesar ist die Institution, wo mit flexiblen Experten und Teams aus aller Welt innovative, naturwissenschaftliche Forschung betrieben werden kann, so die Ankündigung auf der eigenen Homepage. In wissenschaftlicher Hinsicht sind die Erwartungen wohl
hochgesteckt, doch die Forscher könnten diesen Anspruch durchaus erfüllen. Immerhin haben sie seit dem Projektstart 1999 schon 33 Patente angemeldet. Wenngleich auch hier nicht nur eitel Sonnenschein herrscht.
Denn kürzlich wurde ein Gutachten des Wissenschaftsrates veröffentlicht. In dem ist die Arbeit von Caesar unter die Lupe genommen worden: Während die Forschungsprojekte gelobt wurden, sind die Mitglieder des Wissenschaftsrates kritisch, was eine andere Aufgabe Caesars angeht: Forschungsprojekte sollen sich nämlich daran orientieren, inwieweit sie praxisorientiert und sich damit direkt aus dem Projekt heraus Unternehmen gründen können. Das Urteil des Wissenschaftsrates dazu fällt eindeutig aus: Man solle sich doch lieber auf die reine Forschung konzentrieren, eine neue zu gründende Strukturkommission könne dabei behilflich sein.
Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD):
Der Wissenschaftsrat hat Caesar bewertet mit einem insgesamt 'Sehr gut’ bis 'Gut’. Es sind eine ganze Reihe von Arbeitsgruppen 'Sehr gut’ bewertet worden. An Teilen sind Verbesserungsvorschläge gemacht worden. Und ich muss sagen, ich finde das absolut normal. Jede Wissenschaftseinrichtung muss sich nach einer gewissen Zeit evaluieren lassen. Caesar ist in den Anfängen. Es arbeitet erst fünf Jahre. In der Zeit ist der neue Bau entstanden. Das Gutachten des Wissenschaftsrates ist so, dass man darauf sehr gut weiterarbeiten kann und aufbauen kann.
Was bleibt, fünf Jahre nachdem der Bundestag das letzte Mail am Rhein getagt hat und nach zehn Jahren, in denen rund 1,4 Milliarden Euro an Ausgleichsmitteln in die Region geflossen sind? Bonn ist auf einem guten Weg, die Arbeitslosigkeit liegt unter dem Bundesdurchschnitt, die Kaufkraft liegt dagegen über dem Bundesdurchschnitt. Alles in allem also eine gute Bilanz, meint auch Ministerialdirigent Klaus Westkamp vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und zuständig für die Ausgleichsmittel vom Bund:
Wir haben mit den Ausgleichsgeldern über 70 Projekte gemacht für Bonn und die Bonner Region. Wir haben über 20.000 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert. Wir haben über 4.000 Studenten in vier Fachhochschulen und vieles mehr. Also, insgesamt, würde ich sagen, ist die Situation befriedigend. Und es kommt nicht von ungefähr, dass die Bundesstadt Bonn heute an Arbeitsplätzen und an Bewohnern genauso viel oder mehr hat als zum Zeitpunkt des Umzugsbeschlusses 1991. Und der Bund ist sehr froh darüber, dass er seinen Anteil hierzu liefern konnte.
Soweit also alles in Ordnung. - Wäre da nicht die immer wieder aufkeimende Diskussion, ob es nicht besser wäre, auch die Bonner Ministerien nach Berlin umziehen zu lassen. Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann wischt das mit einer Handbewegung weg: Bundeskanzler Gerhard Schröder habe ihr zugesagt, dass sich an das Bonn-Berlin-Gesetz gehalten wird. Punkt.
Im übrigen habe doch ein Gutachten des Bundesrechnungshofes eindeutig gezeigt, dass sowohl aus strukturellen als auch aus Kostengründen ein Umzug der Bonner Ministerien nach Berlin nicht nötig und möglich sei. Immerhin würde ein Komplettumzug fünf Milliarden Euro zusätzlich kosten. Doch ob das auch die Berlin-Befürworter so sehen? Die nächste Diskussion über einen kompletten Umzug kommt bestimmt.