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Lichtblick Laser

Medizin. - Je größer ein Tumorherd ist, desto geringer sind die Heilungschancen. Doch mit heutigen Methoden findet man einen Krebsherd oft erst dann, wenn er bereits Metastasen gebildet hat. Hochauflösende Röntgenbilder könnten Ärzten bald viel mehr verraten als bisher.

Von Hellmuth Nordwig |
    Nein, der glänzende Edelstahltank ist kein Pizzaofen, auch wenn er auf den ersten Blick so aussieht. Was hier gebacken wird, ist viel, viel dünner als das italienische Teiggericht, sagt der Kernphysiker Dietrich Habs von der Uni München.

    "Wir stehen hier vor der Apparatur, wo wir wenige Atomlagen dicke Diamantfolien herstellen."

    Ein Hauch von Diamant entsteht hier, mit dem bloßen Auge kaum zu sehen: nur wenige Atomlagen dünn, dunkelgrau und gerade einmal fingernagelgroß.

    Die dünnen Diamantfolien brauchen die Physiker für eine ganz neue Röntgenquelle. Beschießt man sie aus zwei unterschiedlichen Richtungen mit Laserlicht, dann senden sie brillante Röntgenstrahlen aus. Brillant, das heißt in der Physik: Die Strahlen haben alle die gleiche Energie, und sie weisen in dieselbe Richtung – genau wie das Licht beim Laserpointer. Wie diese Röntgenquelle letztlich verpackt wird, das wissen die Forscher noch nicht, aber klar ist: Größer als ein Spielwürfel beim "Mensch ärgere dich nicht" wird sie nicht werden. Und das ist ein entscheidender Fortschritt. Denn bisher kann man solche Strahlen nur mit einem sogenannten Synchrotron erzeugen, einem Teilchenbeschleuniger, wie er zum Beispiel im französischen Grenoble steht.

    "Diese Quelle hat aber 500 Meter Durchmesser und würde nie in ein Krankenhaus passen. Wir hoffen aber, dieses riesige Monster von Lichtquelle, an der wir schon erste Studien machen, durch ein sehr viel kleineres, billigeres, kompaktes System, das in jedem Krankenhaus stehen kann, zu ersetzen."

    Dietrich Habs konnte einige Kollegen aus dem Klinikum der Uni München überreden, sich in Grenoble von Brustkrebs-Gewebeproben Bilder anzuschauen, die mit der Synchrotron-Röntgenstrahlung gemacht wurden. Die Ärzte waren begeistert: Gestochen scharfe Aufnahmen offenbarten in höchster Auflösung Details, die bisher auch mit den besten bildgebenden Verfahren verborgen bleiben. Im Prinzip lässt sich sogar jede einzelne Zelle sichtbar machen.

    "Dann tritt für den Mediziner das Problem auf, dass er eine so riesige Datenflut hat, dass er den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Deshalb ist es jetzt so – auch da fangen wir mit der Bearbeitung an – dass sich Mathematiker diese Datenflut anschauen und sagen: Hier an der Stelle haben wir den Verdacht, dass Krebs da ist, weil da Blutgefäße besonders gehäuft sind, dass da ein Knötchen von Blutgefäßen ist, das den frisch sich entwickelnden Krebs besonders gut versorgt."

    So lassen sich Tumorherde identifizieren, die nur einen halben Millimeter groß sind. In diesem Stadium hat Brustkrebs normalerweise noch nicht gestreut – und das bedeutet gegenüber heute viel bessere Heilungschancen. Die Strahlendosis der neuen Mini-Röntgenquelle ist zudem viel geringer als bei den Röntgenapparaten, die heute für die Mammographie eingesetzt werden. Denn die Diamantfolie strahlt ja nur, wenn sie von den Laserstrahlen beleuchtet wird. Das ermöglicht eine völlig neue Art von Röntgengerät, sagt Dietrich Habs.

    "Momentan macht man es bei den Röntgenaufnahmen an Großgeräten so, dass die Röntgenquelle sehr schnell um den Patienten herumfährt und man unter sehr vielen Richtungen diese Röntgenaufnahmen macht. Wir könnten uns vorstellen, dass wir viele – sagen wir 100 oder 1000 – von diesen kleinen Röntgenquellen anordnen, und dass der Laserstrahl durch einen Spiegel von einer dieser Positionen zur nächsten im Kreis reflektiert wird. So dass wir nicht mehr die Röntgenquelle ganz schnell um den Patienten herumrasen lassen müssen, sondern bei uns sind die Röntgenquellen so klein und billig, dass wir die alle im Kreis außenrum anordnen können und damit sehr gute räumliche Bilder bekommen."

    Soweit das Konzept – ein Untersuchungsgerät für die Klinik ist daraus aber noch nicht entstanden. Genau daran arbeiten die Münchner Physiker derzeit gemeinsam mit einer Medizintechnik-Firma.