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Lieber dicke Luft statt Bus

Nicht überall in Europa erntet der Klimawandel so viel öffentliche Aufmerksamkeit wie in Deutschland. In Italien, dem Land Europas mit den meisten Autos im Verhältnis zur Einwohnerzahl, gibt es zwar autofreie Sonntage, an denen die historischen Stadtzentren für den Verkehr gesperrt werden, aber kein grundsätzliches Umdenken. Kirstin Hausen berichtet aus Turin.

06.03.2007
    Turin, Piazzale San Gabriele: Ein Linienbus kämpft sich durch den morgendlichen Berufsverkehr. Er befördert nur einige ältere Frauen und ein paar Jugendliche, Menschen, die wahrscheinlich kein Auto besitzen. Hätten sie eines, würden sie hinter dem Bus im Stau stehen. Kaum etwas ist den Italienern so heilig wie ihr Auto.

    "Ich fahre viel Auto, wirklich sehr viel. Ich wohne außerhalb von Turin, da ist das unvermeidlich."

    Ein schlechtes Gewissen hat dieser junge Mann auf dem Weg ins Büro nicht. Wer wie er zwischen Arbeitsplatz und Wohnort pendelt, fühlt sich moralisch entschuldigt. Pendeln mit Bus und Bahn halten die meisten für unzumutbar.

    "Der öffentliche Nahverkehr funktioniert eben nicht. Ich warte doch keine zwei Stunden auf den Bus. Deshalb macht das keiner."

    Pasquale Morini hat aber noch einen anderen Grund, Auto zu fahren. Er arbeitet bei Fiat, Italiens größtem Autobauer. In der Fabrik Mirafiori im Süden sind 15.000 Menschen unter Vertrag, einige hundert sitzen allerdings zu Hause, weil es für sie im Moment nichts zu tun gibt. Sie erhalten ein reduziertes Gehalt und warten darauf, wieder in die Fabrik gerufen zu werden. Eddi Lazzi, der Fiat-Delegierte der Gewerkschaft FIOM-CGIL, sieht in der europäischen Diskussion um die CO2-Emissionen eine Chance für den Turiner Standort:

    "Wir drängen Fiat dazu, einen umweltfreundlichen Motor zu entwickeln, der dann hier bei uns in Turin Mirafiori gebaut wird. Ob dieser Motor mit Methangas betrieben wird oder mit Wasserstoff, das ist uns egal. Wichtig ist, dass es sich um einen neuen Motor handelt, der der Umwelt gerecht wird."

    Mitte Februar organisierte der junge Gewerkschaftsfunktionär eine Konferenz zum Thema CO2-Ausstoß:

    "Das Thema wird von den meisten noch nicht besonders wichtig genommen. Unsere Umweltschutzverbände sind es, die das Thema immer wieder aufgreifen. Wir sind aber noch am Anfang."

    Das bestätigt ein Besuch bei Turins Umweltdezernent Domenico Mangone. Im Hof steht der Dienstwagen, nicht etwa ein Fahrrad. Der Umweltdezernent schaut verlegen, dann lacht er leise.

    "Die Italiener lieben ihr Auto, und die Turiner ganz besonders. Ich selbst bin auch nicht gegen den Privatverkehr, es ist nur recht und billig, dass die Bürger Auto fahren."

    Aber nicht nur die Bürger haben wenig Lust, zugunsten des Klimaschutzes auf das Autofahren zu verzichten, auch die italienische Industrie tut sich schwer, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren.

    "Es ist nicht einfach, verständlich zu machen, dass Investitionen in Sachen Umweltschutz nun einmal notwendig sind. Anderes ist da immer wichtiger, um die Umwelt kann man sich ja später noch kümmern."

    Diese Mentalität hält sich in Italien besonders hartnäckig. Eine öffentliche Diskussion um die Notwendigkeit von Ferien-Flugreisen, wie sie in Deutschland geführt wird, gibt es beispielsweise nicht. Und auch die CO2-Emissionen durch den Autoverkehr sind kein öffentlicher Streitpunkt, was den Turiner Autobauer Fiat freuen dürfte. Der Konzern erklärte sich im EU-Streit um die Emissionsbeschränkungen zwar solidarisch mit den erbosten deutschen Autoherstellern, plädierte aber für eine gemeinsamen Grenzwert, unabhängig von der Wagengröße. Umweltdezernent Domenico Mangone:

    "Fiat produziert vor allem Autos mit kleinem Hubraum, Autos also, die weniger verschmutzen. Natürlich hat Fiat so wie alle anderen Autohäuser auch, viel zu spät begonnen, über Alternativen zum herkömmlichen Verbrennungsmotor nachzudenken. Aber jetzt gibt es Anzeichen, die uns hoffen lassen."