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Lieber irische Rezession als polnisches Wachstum

Bei den erfolgsverwöhnten Iren sitzt der Schock des wirtschaftlichen Absturzes tief. Nur die vielen Einwanderer, die seit der EU-Erweiterung 2004 vor allem aus Osteuropa nach Irland gekommen sind, haben ihre ganz eigene Art, mit der Wirtschaftskrise umzugehen.

Von Martin Alioth |
    "I meet them everywhere, almost in every shop, ..."

    Er trifft sie überall, in den Geschäften, in den Kneipen: überall in Dublin hört Jaroslaw Maszkiewicz Polnisch. Daraus folgt, fügt er verschmitzt hinzu:
    Es gibt viele von uns.

    "... it means that there is lots of us."

    "I think the life here, for polish people, is easier than in Poland."

    Das Leben in Irland sei einfacher als in Polen, erklärt der Priester der polnischen Kirche in Dublin. Für Einwanderer aus polnischen Kleinstädten sei Dublin sehr bequem.

    Ein Beispiel: Anna Pas ist die Gründerin und Chefredakteurin des "Polski Express", einer zwei Mal im Monat erscheinenden Zeitschrift für die Polen in Irland. Die 28-jährige studierte Philosophin und Kunsthistorikerin erinnert sich an eine Konversation mit einer irischen Passantin an einer
    Bushaltestelle:

    "And she told me: Is that true that all Poles are going? And I was like, no, I am here, I am still here, and my friends are still here ..."

    Die Dame erkundigte sich, ob es denn stimme, dass alle Polen heimgingen?
    Nein, antwortete Anna Pas, ich bin ja noch da.

    Das Geschäft für die Polen in Irland ist nicht mehr so gut, wie es einmal war. Die irische Krise kostet auch polnische Arbeitsplätze, zum Beispiel im Baugewerbe. Während eines Spazierganges durch die Dubliner Innenstadt unterscheidet die Chefredakteurin zwei Gruppen von Einwanderern: die eigentlichen Wanderarbeiter, die eine Zeit lang hier Geld verdienen wollten, und Jene wie sie, die kamen, um zu bleiben. Die lernten auch Englisch, verliebten sich in irische Partner und bauten ein neues Leben auf. – Stimmt es denn nicht, dass die irischen Polen jetzt das Weite suchen?

    "The idea of moving back, or Poles moving back to Poland is mostly visible in polish and irish media, I have to say ... "

    Die Rückkehr der Polen sei ein Phänomen, das vor allem in den irischen und polnischen Medien stattfinde. Sie kenne nur eine Handvoll Fälle. Denn:

    "Ok, we have a recession in Ireland. But we prefer irish recession rather than polish prosperity, you know. The differences are still huge, like."

    Wir ziehen Irland in der Rezession dem polnischen Wohlstand vor, formuliert sie provokativ, denn die Unterschiede seien immer noch enorm. Die oftmals gut ausgebildeten Polinnen wollen nämlich in Warschau nicht als Serviertöchter arbeiten.

    "We don't want to be waitresses back in Poland, because waitresses in Poland do not earn as much as they do in Ireland."

    Anna Pasch jedenfalls bleibt in Irland. Etwas lustlos wandert sie durch die Regale eines polnischen Delikatessengeschäfts in der Dubliner Innenstadt.
    Sie vermisse eigentlich nichts, die zahlreichen Würste schon gar nicht, denn sie sei Vegetarierin. Nur einmal leuchten ihre Augen auf.

    "Oh, yeah: polish chocolate. Oh my God, yes. It's not as sweet as the Irish one."

    Polnische Schokolade. Die sei nicht so süß wie die irische. "Goschka" sagt sie. Bitter.

    Vor dreieinhalb Jahren erhielten die Polen eine eigene Pfarrkirche in der Dubliner Innenstadt, St. Audeon's. Seither leitet Jaroslaw Maszkiewicz die Pfarrei. Weiß er, wie viele Polen es in Irland wirklich gibt?

    "Really, noone knows. Some people estimate 150.000, some people estimate 200.000, some people estimate 300.000. Really, noone knows."

    Niemand weiß es. Die Schätzungen bewegen sich zwischen 150 und 300.000. - Er stimmt zu, bisher gab es kaum Probleme, aber das könnte sich jetzt ändern:

    "I heard that now in Ireland is bigger unemployment than in Poland."

    Schließlich liege die irische Arbeitslosenquote inzwischen über der polnischen.