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Lieber Plastik als Glas

Physik. - Mitunter forcieren erst neue Materialien den Durchbruch in technisch-wissenschaftlichen Disziplinen: Computerchips etwa wurden erst mit der Verwendung von Silizium leistungsfähiger und günstiger als mit ihrem ursprünglichem Baumaterial Germanium. Eine vergleichbare Entwicklung zeichnet sich jetzt bei Lichtwellenleitern für die Datenübertragung ab. Dort könnte Plastik das bislang eingesetzte Glas ablösen und damit einen neuen Entwicklungsschub einleiten.

    Polymer-Kunststoffe brächten große Vorteile in der Kommunikationsübertragung via Lichtleiter, gelänge es nur, sie so gefügig zu machen wie das derzeit noch verwendete Glas. Doch die technischen Hürden auf diesem Weg sind ebenfalls groß, denn die synthetischen Materialien besitzen beispielsweise eine sehr hohe Dämpfung und bereiten dem durchreisenden Licht einen größeren Widerstand als Glas. So beträgt die Dämpfung in Polymeren etwa 66 Dezibel, während Glas auf nur ein Dezibel kommt. Ein Grund dafür, dass transparente Kunststoffe nur auf Kurzstrecken eingesetzt werden, beispielsweise in Steuerungen von Automobilen sowie in der Informationstechnologie. Dagegen liegen die Vorteile von Plastik-Lichtleitern zunächst in ihrer technischen Natur: "Der große Unterschied liegt in der großen Differenz der Prozesstemperaturen bei der Herstellung. Bei der Fertigung von Glasfasern benötigen wir rund 2000 Grad Celsius, während Polymere bei bereits 200 Grad Celsius produziert werden können", erklärt Maryan Large vom Australian Photonics Institut in Sydney. Dadurch könnten organische Stoffe in Kunststoff-Lichtleiter eingebracht werden, die bei höheren Temperaturen zerstört wurden. Überdies spare dies Energie und senke die Herstellungskosten.

    Weitere Argumente für Plastik sind geringeres Gewicht, die galvanische Trennung von Sender und Empfänger, seine elektromagnetische Verträglichkeit sowie größere mögliche Leiterdurchmesser, mit denen Steckverbindungen einfacher realisiert werden können. Außerdem müssen die Endflächen von Glasfasern aufwändig aufgearbeitet werden, was bei Polymerwerkstoffen entfällt. Doch auch in der Anwendung bieten Kunststoff-Lichtleiter Vorteile, darunter besonders die so genannten "holey fibres", die Licht über winzige Kanäle führen, berichtet die australische Forscherin: "Diese speziellen Lichtleiter bieten gegenüber herkömmlichen Polymermaterialien zusätzliche Funktionen. Abhängig von der Geometrie der Kanäle können wir simultan verschiedene Wellenlängen transportieren. Außerdem können wir damit erstmals Kunststoffe herstellen, die ihre Polarisation ändern."

    Die kanaldurchzogenen Polymerfasern sind es auch, die den Optimismus der Wissenschaftler stärken, denn sie vereinen relativ anspruchslose Produktionsverfahren und eine hohe Belastbarkeit mit der hohen Funktionalität von Glasfasern. Wären die leichten Plastikleiter dann auch noch so klar wie Glas, wären sie das ideale Material für die Lichtkommunikation. "Zwar werden wir kurzfristig keine Übertragung über lange Distanzen realisieren können, doch im Wohnungsbereich, in der Bürokommunikation oder in der Fahrzeugtechnik könnten Polymerfasern zu der bestimmenden Technologie werden", meint Maryan Large.

    [Quelle: Mirko Smiljanic]