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Liebeslieder aus dem 16. und 17. Jahrhundert

Thema: die neueste CD von Marco Beasley, Guido Morini und dem Ensemble Accordone, die unter dem Titel "La Bella Noeva" beim französischen Label 'alpha' erschien.

Von Christiane Lehnigk |
    • Musikbeispiel: Giovanni Stefani/Arr. G.Morini - "Amante felice”

    Zu Beginn ihres Programms mit Texten und Musik aus dem 16. und 17. Jahrhundert stellten Marco Beasley und Guido Morini mit ihrem Ensemble Accordone den Gesang des "Glücklichen Geliebten", "Amante felice" von Giovanni Stefani: "Meine Schöne, mein Herz lebt und stirbt für Euch". Und um Liebe geht es auch in den meisten anderen Stücken, die Marco Beasley mit seiner unverwechselbaren hellen tenoralen Stimme singt.

    Im Mittelpunkt stehen dabei drei Werke von Giulio Caccini, der zu den Ersten gehörte, der den "stile recitativo" definierte und ihn in seinen Kompositionen umsetzte. In seiner Abhandlung "Le Nuove Musiche" und in seinem Vorwort zur Oper "Euridice" zu Beginn des 17. Jahrhunderts, propagierte Caccini unter anderem die "sprezzatura" des Singens, eine neue "Leichtigkeit" oder "Noblesse" im vokalen Vortrag. Der Sänger sollte sich eher an der Natürlichkeit der gesprochenen Sprache orientieren und sein Können nicht vordergründig zur Schau stellen, wie es schon Castiglione in seinem Buch vom Hofmann im Cinquecento forderte:

    es gelte, "so sehr man es vermag, die Künstelei als eine rauhe und gefährliche Klippe zu vermeiden und bei allem, um vielleicht ein neues Wort zu gebrauchen, eine gewisse Art von Lässigkeit anzuwenden, die die Kunst verbirgt und bezeigt, dass das, was man tut oder sagt, anscheinend mühelos und fast ohne Nachdenken zustandegekommen ist."

    Hinsichtlich dieser propagierten Natürlichkeit passt die wendige Stimme von Beasley ideal für diese Stücke und die Instrumental-Arrangements von Guido Morini tun ein Übriges dazu, der Musik eine gewisse Zeitlosigkeit und Modernität zu geben.

    Hier "Udite amanti" von Giulio Caccini, "Hört ihr Liebenden, O Himmel, O Sterne, O Mond, O Sonne, Frauen und Mädchen, meine Worte: Und wenn ich mich mit gutem Grund beklage, beweint mit mir meinen Schmerz, meine schöne "donna" einst so höflich und anmutig, richtet nicht länger ihre süßen Augen auf mich."

    • Musikbeispiel: Giulio Caccini /Arr. G.Morini - "Udite Amante”

    Die Interpretationen von Marco Beasley und Guido Morini sind bei den orthodoxen Verfechtern der historischen Aufführungspraxis nicht unumstritten, doch die beiden Musiker geben sich seit ihrer Arbeit mit Accordone Ende der 80er Jahre betont unkonventionell.

    So sind Konzerte zum Beispiel für sie auch "dramatisch-musikalische Ereignisse", bei welchen die "Improvisation eine entscheidende Rolle" spielt. Und neben Werken der Alten Musik stehen häufig auch folkloristische Beiträge oder solche aus dem Bereich der zeitgenössischen Avantgarde. Ihr erklärtes Ziel dieser Aufnahme ist es, nicht einfach eine bestimmte Form vokaler Interpretation zu rekonstruieren, denn es handelt sich schließlich um Bearbeitungen, wenn auch orientiert an den historischen Quellen. Und diese Bearbeitungen sind, so die Musiker, beeinflusst von zeitgenössischen Praktiken. Das war allerdings auch im 16. und 17. Jahrhundert nicht anders, existierten doch die Quellen in zahlreichen Abschriften und wurden je nach Bedarf und Aufführungsbedingungen immer wieder neu arrangiert. Und so behaupten auch Marco Beasley und Guido Morini nicht für sich, dass ihre Interpretation die einzig plausible ist. Doch für sie ist es die beste Art, die verschiedenen Gefühle, die in dieser Musik und diesen Texten ausgedrückt sind, darzustellen.

    Ihr Anliegen war es, etwas von dem musikalischen Italien des 17. Jahrhunderts wieder aufleben zu lassen, das eine Zeit des Experimentierens, der Forschung, der Mannigfaltigkeit in den ausgedrückten Emotionen, der hohen Kunst der Improvisation und der Vertrautheit mit dem traditionellen Repertoire war. Accordone bezieht sich auf diese Ursprünge, auf die Zeugnisse einer Welt, die nicht mehr existiert, "die aber noch einen Platz tief in unserer Seele hat".

    Besonders überzeugend ist Marco Beasley, Sohn eines englischen Vaters und einer neapolitanischen Mutter, hier vor allem bei süditalienischen Liedern, wie bei der neapolitanischen "Canzone de Guarracino", einer der ersten Tarantelle, die bei uns durch Gruppe "Nuova Compania di Canto Populare" bekannt gemacht wurde. Es ist die verrückte, metaphorische Geschichte eines gefährlichen Seefisches, der sich verheiraten möchte und sich ausgerechnet in eine Sardine verliebte, die mit einem Schellfisch zusammen war. Dieser schwört dem Rivalen Rache und bricht ihm schließlich die Knochen.

    Es entwickelt sich daraufhin ein wahrer Unterwasserkrieg unter den Angehörigen. Und schließlich gibt der Sänger angesichts dieses Getümmels auf, er wird müde, all die verschiedenen Arten von Fischen aufzuzählen und trinkt sich Einen auf "ihre" und "seine" Gesundheit .

    • Musikbeispiel: Anonym/Arr. G.Morini - "La canzone del Guarracino

    Zuletzt hörten Sie die traditionelle "Canzone del Guarracino" gesungen von Marco Beasley und gespielt vom Ensemble Accordone unter der Leitung von Guido Morini. "Accordone" tritt bei den verschiedenen Projekten in wechselnder Besetzung auf, in dieser Aufnahme sind dies neben dem Organisten und Cembalisten Guido Morini, Mauro Lopes Ferreira und Nathalie Fontaine - Violine, Judith-Maria Becker – Violoncello, Franco Pavan – Theorbe sowie Stefano Rocco – Laute und Gitarre.

    "La Bella Noeva"
    Solisten: Marco Beasley und Guido Morini
    Ensemble: Ensemble "Accordone”
    Label: Alpha
    Bestell-Nr.: 508