Was bei genauerem Hinsehen und Hinhören an den "Perlenfischer" zunächst fasziniert, ist der frühe Zeitpunkt der Entstehung.
1863 kam die erste große Bühnenarbeit von Georges Bizet in Paris heraus - eineinhalb Jahre vor Giacomo Meyerbeers "L'Africaine", die das Modell für eine große Serie von Opern mit exotischen Sujets abgab und Klänge, die in der mehr oder minder sich kolonial erschließenden europäischen Kultur Verheißungen der Ferne artikulierten (zur Alters- und Herkunftsbestimmung der "Afrikanerin" muss allerdings erwähnt werden, dass die Arbeit an diesem Modell einer großen exotistischen Oper bereits fast zwanzig Jahre zuvor in Angriff genommen, dann aber wegen Besetzungsproblemen sowie anderen Projekten des vielbeschäftigten und skrupulös langsam komponierenden Meyerbeer immer wieder liegen geblieben war). Aber spätestens Félicien Davids symphonische Ode "Le Désert" hatte die Ohren auf den ferneren Orient und den tieferen Süden orientiert.
Der 25jährige Bizet, der von Léon Carvalho, dem Direktor des Théâtre-Lyrique das Libretto von Cormon und Carré zugespielt bekam, fackelt nicht lange und schrieb eine Musik, die sich - durchaus in loser Anverwandlung von Melodiepartikeln des arabischen Maqam, mehr noch von Elementen der Folklore des Balkans - an das "exotische" musikalische Kolorit herantastet, das dann in "Carmen" so fulminant als eine in Paris vorgenommene Setzung explodierte und rezeptionsgeschichtlich funktionierte.
Bizets "Perlenfischer" kombinieren eine operntypische Dreiecksgeschichte zwischen dem Heldentenor, der in diesem Fall ein verliebter Fischer zu sein hat, dessen Freund und Rivalen (der mit markantem Bariton vertreten ist) und Leila, der Priesterin einer Naturreligion auf Ceylon, dem heutigen Sri Lanka. Den tourismuserfahrenen Operngängern begegnet die Ortsangabe Kandy und kommt dann die Erinnerung an die dort stationierte große Elefantenherde, die einmal im Jahr in einer großen Prozession hinunter nach Colombo paradiert und damit ältere kultische Bräuche wachhält. Zur Delikatesse der frühen Bizet-Oper gehört, dass sie die Genese einer Kultur beleuchtet: den Übergang jener von Leila und dem in ihrem Hintergrund für Ordnung sorgenden Schamanen Norabad repräsentierten religiösen Ordnung der Sammler und Jäger zu einer von Verträgen bestimmten Gesellschaftsordnung - 13 Jahre nach den "Perlenfischern" wurde diesem Thema mit Richard Wagners "Ring des Nibelungen" ja dann ein zentrales Großkunstwerk des 19. Jahrhunderts gewidmet.
In Gent und Antwerpen bestreitet Annick Massis, blond und im schulterfreien roten Kleid jetzt die Bravour-Partie der Leila, die freilich auch mit der für Bizet so typischen Sentimentalität aufgeladen und durchgängig sorgfältig instrumentiert ist. Die Farb-Wirkungen der Partitur werden unter der musikalischen Leitung von Patrick Fournillier höchst transparent geboten.
Der souveräne Bariton Geerts Smits und der mitunter etwas forcierende Tenor Marc Laho sind die beiden sich verfeindenden Freunde, die um Leila Gunst rivalisieren - und Nourabad, dem Kurt Gysen großes Stimmvolumen gewährt, hat als ebenfalls in die schöne Priesterin verliebter Großgeistlicher das Nachsehen; besitzt aber immerhin so viel Sportgeist, dass er das wahre Liebespaar entkommen läßt, statt es verdientermaßen hinrichten zu lassen.
Die "Perlenfischer" müssen heutzutage wohl sehr aufwendig, das heißt unter Berücksichtigung von Exotismus und Kolonialismus, inszeniert werden - oder ganz auf die Musik zentriert geboten werden. Zwischenlösungen, wie sie Robert Wilson für Verdis "Aida" in Brüssel angeboten hat, würden wohl epigonal wirken. De vlaamse opera hat sich für den zweiten Weg entschieden und setzt allein auf die Überredungskraft und Faszination der Musik. Pfiffige junge Regisseure und ehrgeizige Theaterdirektoren aber könnten bei nächster Gelegenheit die Chance ergreifen, und die dramatischen Wirkungen der "Perlenfischer" in Kombination mit den kulturellen Tiefendimensionen nutzen. Lohnen würde sich das gewiß.
1863 kam die erste große Bühnenarbeit von Georges Bizet in Paris heraus - eineinhalb Jahre vor Giacomo Meyerbeers "L'Africaine", die das Modell für eine große Serie von Opern mit exotischen Sujets abgab und Klänge, die in der mehr oder minder sich kolonial erschließenden europäischen Kultur Verheißungen der Ferne artikulierten (zur Alters- und Herkunftsbestimmung der "Afrikanerin" muss allerdings erwähnt werden, dass die Arbeit an diesem Modell einer großen exotistischen Oper bereits fast zwanzig Jahre zuvor in Angriff genommen, dann aber wegen Besetzungsproblemen sowie anderen Projekten des vielbeschäftigten und skrupulös langsam komponierenden Meyerbeer immer wieder liegen geblieben war). Aber spätestens Félicien Davids symphonische Ode "Le Désert" hatte die Ohren auf den ferneren Orient und den tieferen Süden orientiert.
Der 25jährige Bizet, der von Léon Carvalho, dem Direktor des Théâtre-Lyrique das Libretto von Cormon und Carré zugespielt bekam, fackelt nicht lange und schrieb eine Musik, die sich - durchaus in loser Anverwandlung von Melodiepartikeln des arabischen Maqam, mehr noch von Elementen der Folklore des Balkans - an das "exotische" musikalische Kolorit herantastet, das dann in "Carmen" so fulminant als eine in Paris vorgenommene Setzung explodierte und rezeptionsgeschichtlich funktionierte.
Bizets "Perlenfischer" kombinieren eine operntypische Dreiecksgeschichte zwischen dem Heldentenor, der in diesem Fall ein verliebter Fischer zu sein hat, dessen Freund und Rivalen (der mit markantem Bariton vertreten ist) und Leila, der Priesterin einer Naturreligion auf Ceylon, dem heutigen Sri Lanka. Den tourismuserfahrenen Operngängern begegnet die Ortsangabe Kandy und kommt dann die Erinnerung an die dort stationierte große Elefantenherde, die einmal im Jahr in einer großen Prozession hinunter nach Colombo paradiert und damit ältere kultische Bräuche wachhält. Zur Delikatesse der frühen Bizet-Oper gehört, dass sie die Genese einer Kultur beleuchtet: den Übergang jener von Leila und dem in ihrem Hintergrund für Ordnung sorgenden Schamanen Norabad repräsentierten religiösen Ordnung der Sammler und Jäger zu einer von Verträgen bestimmten Gesellschaftsordnung - 13 Jahre nach den "Perlenfischern" wurde diesem Thema mit Richard Wagners "Ring des Nibelungen" ja dann ein zentrales Großkunstwerk des 19. Jahrhunderts gewidmet.
In Gent und Antwerpen bestreitet Annick Massis, blond und im schulterfreien roten Kleid jetzt die Bravour-Partie der Leila, die freilich auch mit der für Bizet so typischen Sentimentalität aufgeladen und durchgängig sorgfältig instrumentiert ist. Die Farb-Wirkungen der Partitur werden unter der musikalischen Leitung von Patrick Fournillier höchst transparent geboten.
Der souveräne Bariton Geerts Smits und der mitunter etwas forcierende Tenor Marc Laho sind die beiden sich verfeindenden Freunde, die um Leila Gunst rivalisieren - und Nourabad, dem Kurt Gysen großes Stimmvolumen gewährt, hat als ebenfalls in die schöne Priesterin verliebter Großgeistlicher das Nachsehen; besitzt aber immerhin so viel Sportgeist, dass er das wahre Liebespaar entkommen läßt, statt es verdientermaßen hinrichten zu lassen.
Die "Perlenfischer" müssen heutzutage wohl sehr aufwendig, das heißt unter Berücksichtigung von Exotismus und Kolonialismus, inszeniert werden - oder ganz auf die Musik zentriert geboten werden. Zwischenlösungen, wie sie Robert Wilson für Verdis "Aida" in Brüssel angeboten hat, würden wohl epigonal wirken. De vlaamse opera hat sich für den zweiten Weg entschieden und setzt allein auf die Überredungskraft und Faszination der Musik. Pfiffige junge Regisseure und ehrgeizige Theaterdirektoren aber könnten bei nächster Gelegenheit die Chance ergreifen, und die dramatischen Wirkungen der "Perlenfischer" in Kombination mit den kulturellen Tiefendimensionen nutzen. Lohnen würde sich das gewiß.