Kann es eine so große Liebe wie die von Tristan und Isolde überhaupt geben? Das Künstlerduo Peter Sellars und Bill Viola wollten es nicht glauben und verwandelten Wagners Komposition in ihrer Pariser Inszenierung in ein esoterisches Ritual. Und Christoph Marthaler verlegte die Handlung seiner Bayreuther Deutung gleich in die Schrecken der Psychiatrie. Anders Patrice Chéreau in Mailand. Der Franzose glaubt an die große Liebe. Tristans und Isoldes überirdisches Glück, Sehnen und Leiden ist menschenmöglich, frei von pathologischer Deformation oder symbolischem Ersatz.
Daniel Barenboim führt das Orchester der Scala sehr langsam ins Geschehen. Fast pastos trägt er das Klangmaterial auf. Es geht ihm weniger um Transparenz, als um Dichte. Fern jeglicher Hysterie sucht er die Tiefe der Gefühle zu ergründen. Selbst der größte Schmerz soll dabei die Aura von Schönheit und Erhabenheit nicht verlieren. Die Musiker folgen ihm willig, mit bewundernswürdiger Hingabe und unübertrefflicher Perfektion.
Auf den ersten Blick scheint das nicht zur Nüchternheit von Inszenierung und Bühnenbild zu passen. Denn fast neorealistisch mutet der erste Aufzug an. Die Besatzung und Passagiere des Schiffs, mit dem Tristan seinem Freund König Marke Isolde als Braut zuführen möchte, sieht aus wie ein Haufen ärmlicher Auswanderer in die Neue Welt um 1900. Es ist als erzähle Chéreau mit dem Mailänder "Tristan" seinen Bayreuther "Ring" fort. Das geschundene Proletariat sucht seine Zukunft jenseits des Atlantiks, verfällt dabei aber nicht dem Laster des Kapitals, sondern der grenzenlosen Leidenschaft.
Der Regisseur führt die beiden Titelfiguren in ihren Bewegungen so unprätentiös zusammen und psychologisch so zwingend, dass es des verzaubernden Liebestrunkes gar nicht bedarf, um die Hemmungen der beiden zu überwinden. Ihre Liebe ist real und wirkt aus sich. Tristan bereut seine Verkupplungsintrige, er wirft sich zu Boden und küsst Isoldes Mantel. Dann die Umarmung. Dann das "Heil König Marke" der Matrosen zur Ankunft im Hafen, ein Ruf, der in seiner Heftigkeit szenisch vor allem als Schock der Anwesenden gedeutet wird, als Erschrecken über die vor ihren Augen alle Konventionen schleifende Liebe zwischen Tristan und Isolde. Das wird hier genialisch erzählt, wie in vielen späteren Szenen auch. Und weil die Psychologie stimmt, finden auch Inszenierung und musikalische Deutung schnell zusammen.
So deutlich der Bühnenbildner Richard Peduzzi die Auswandererbilder um 1900 zeichnet, so deutlich versucht er aber auch den Realismus zu transzendieren. Eine Backsteinwand erinnert an den Torso eines romanischen Sakralbaus. Zypressen im zweiten Aufzug erzeugen eine mediterrane Atmosphäre. Betonstelen lassen nicht nur industrielle Gegenwart, sondern auch die abstrahierte Bühnengeometrie von Wieland Wagners Neubayreuth oder die pittura metafisica eines Giorgio De Chirico assoziieren. So wirkt Patrice Chéreau dabei mit, Wagner aus eindimensionalen historischen und politischen Verortungen zu befreien.
Waltraut Meier singt und spielt die Isolde hinreißend, mit jugendlicher, reifer Kraft und Anmut. Ian Storeys Rollendebüt als Tristan ist ordentlich, wenn auch zu vibratoreich, jedenfalls ist es schwer, an der Seite Meiers mithalten zu können. Die Nebenrollen sind stark besetzt, vor allem Kurwenal mit Gerd Grochowski und Brangäne mit Michelle De Young. Von unglaublicher Stimmgewalt ist nach wie vor Matti Salminen, der den Marke singt. Erschütternd seine Verzweiflung über den Tod der Freunde.
Daniel Barenboim führt das Orchester der Scala sehr langsam ins Geschehen. Fast pastos trägt er das Klangmaterial auf. Es geht ihm weniger um Transparenz, als um Dichte. Fern jeglicher Hysterie sucht er die Tiefe der Gefühle zu ergründen. Selbst der größte Schmerz soll dabei die Aura von Schönheit und Erhabenheit nicht verlieren. Die Musiker folgen ihm willig, mit bewundernswürdiger Hingabe und unübertrefflicher Perfektion.
Auf den ersten Blick scheint das nicht zur Nüchternheit von Inszenierung und Bühnenbild zu passen. Denn fast neorealistisch mutet der erste Aufzug an. Die Besatzung und Passagiere des Schiffs, mit dem Tristan seinem Freund König Marke Isolde als Braut zuführen möchte, sieht aus wie ein Haufen ärmlicher Auswanderer in die Neue Welt um 1900. Es ist als erzähle Chéreau mit dem Mailänder "Tristan" seinen Bayreuther "Ring" fort. Das geschundene Proletariat sucht seine Zukunft jenseits des Atlantiks, verfällt dabei aber nicht dem Laster des Kapitals, sondern der grenzenlosen Leidenschaft.
Der Regisseur führt die beiden Titelfiguren in ihren Bewegungen so unprätentiös zusammen und psychologisch so zwingend, dass es des verzaubernden Liebestrunkes gar nicht bedarf, um die Hemmungen der beiden zu überwinden. Ihre Liebe ist real und wirkt aus sich. Tristan bereut seine Verkupplungsintrige, er wirft sich zu Boden und küsst Isoldes Mantel. Dann die Umarmung. Dann das "Heil König Marke" der Matrosen zur Ankunft im Hafen, ein Ruf, der in seiner Heftigkeit szenisch vor allem als Schock der Anwesenden gedeutet wird, als Erschrecken über die vor ihren Augen alle Konventionen schleifende Liebe zwischen Tristan und Isolde. Das wird hier genialisch erzählt, wie in vielen späteren Szenen auch. Und weil die Psychologie stimmt, finden auch Inszenierung und musikalische Deutung schnell zusammen.
So deutlich der Bühnenbildner Richard Peduzzi die Auswandererbilder um 1900 zeichnet, so deutlich versucht er aber auch den Realismus zu transzendieren. Eine Backsteinwand erinnert an den Torso eines romanischen Sakralbaus. Zypressen im zweiten Aufzug erzeugen eine mediterrane Atmosphäre. Betonstelen lassen nicht nur industrielle Gegenwart, sondern auch die abstrahierte Bühnengeometrie von Wieland Wagners Neubayreuth oder die pittura metafisica eines Giorgio De Chirico assoziieren. So wirkt Patrice Chéreau dabei mit, Wagner aus eindimensionalen historischen und politischen Verortungen zu befreien.
Waltraut Meier singt und spielt die Isolde hinreißend, mit jugendlicher, reifer Kraft und Anmut. Ian Storeys Rollendebüt als Tristan ist ordentlich, wenn auch zu vibratoreich, jedenfalls ist es schwer, an der Seite Meiers mithalten zu können. Die Nebenrollen sind stark besetzt, vor allem Kurwenal mit Gerd Grochowski und Brangäne mit Michelle De Young. Von unglaublicher Stimmgewalt ist nach wie vor Matti Salminen, der den Marke singt. Erschütternd seine Verzweiflung über den Tod der Freunde.