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Lieblingsorte: Gezi Park Fiction in Hamburg
Grünflächen als politisches Projekt

Der Eigeninitiative der protesterprobten Nachbarschaft ist es zu verdanken, dass der Park Fiction Mitte der 90er-Jahre in Altona entstand. Statt neuer Betonbauten sollten kulturelle Projekte Raum erhalten, die politische Idee des Parks ist allerdings in den vergangenen Jahren ins Hintertreffen geraten.

Von Axel Schröder | 14.08.2018
    Man sieht Grasflächen mit Palmen, dahinter den Hafen
    Der Gezi Park Fiction in Hamburg-Altona - Grasflächen mit Palmen, dahinter der Hafen (Deutschlandradio / Axel Schröder)
    Schon vormittags werfen die ersten Besucher in der prallen Sonne ihre Körbe auf dem Basketballfeld. Weiter vorne ragen die Markenzeichen des Parks in die Höhe: grün lackierte Stahlpalmen auf einer kreisrunden Rasenfläche. Dass es den Park Fiction, der 2013 aus Solidarität in "Gezi-Park-Hamburg" umbenannt wurde, überhaupt gibt, ist dem Engagement der protesterprobten Nachbarschaft zu verdanken:
    "Das war der 'Hafenrandverein für selbstbestimmtes Leben und Wohnen auf St. Pauli'. Der Verein mit dem längsten Namen, in dem ich je drin war. Und das war letztlich ein Überbleibsel, eine Gründung aus den Kämpfen der Hafenstraße heraus."
    Und der Künstler und Stadtplaner Christoph Schäfer war mit dabei, als Mitte der Neunzigerjahre der Verein die Stadt überzeugen wollte, dass auf der Fläche mit dem herrlichen Ausblick auf die Elbe und den Hafen, auf die Docks der "Blohm & Voss-Werft" besser keine Bürotürme, sondern ein Park für alle entstehen soll.
    Ein Park als politisches Projekt
    "In sämtlichen Schaufenstern rings um diesen noch nicht existierenden Park hatten wir Ausstellungen mit einem Bezug zum Park. Das hatten wir über Wochen vorbereitet. Jeder war so richtig im Thema. Und in dem Moment ist es dann zufällig gelungen, dass der Senator für Stadtentwicklung, damals Dr. Thomas Mirow und beide Bezirksamtsleiter gleichzeitig - die Grenze von Mitte und Hamburg-Altona läuft direkt hier durch - hierher kamen, um mit uns zu reden."
    Und am Ende, beeindruckt von der Eigeninitiative der Anwohner, stimmten alle drei den Plänen für einen Park zu, die mit öffentlichen Geldern umgesetzt wurden. Ein Park als politisches Projekt einer aktiven Stadtgesellschaft, auf Ideen fußend, wie sie Gilles Deleuze oder Henri Lefèbvre formuliert haben.
    Anwohner genervt vom Ansturm
    Unterstützt wurde und wird das Projekt vom Golden Pudel Club, der gleich neben dem Park liegt, aber auch von der St. Pauli-Kirche. Der Kirchgarten gehört - viele wissen das nicht - mit zum Park Fiction und bildet den Kontrapunkt zum zumindest bei gutem Wetter oft überlaufenen vorderen Stahlpalmen-Bereich. Hier spenden die alten Linden Schatten, hier spielen Kinder zwischen den sogenannten Nachbarschaftsbeeten. Hier wachsen Tomaten und Kohlrabi, Schnittlauch und Bohnen - mitten auf St. Pauli.
    Und hier sitzt an einem kleinen Tisch Guido, ein Anwohner, dem der vordere Teil des Parks schon länger auf die Nerven geht:
    "Es nervt. Es ist wirklich mit der Ruhe vorbei. Was schön ist, ist, dass seit vorletztem Jahr das Basketballfeld genutzt wird. Das ist total gut. Aber mittlerweile kommt hier wirklich ein Gesocks aus anderen Stadtteilen. Und das ist halt einfach kein Park oder keine Aufenthaltsfläche mehr für Anwohner. Die bleiben einfach alle weg."

    Vor ein paar Jahren noch hat er sich um die Beete im vorderen Parkteil gekümmert, hat Unkraut gejätet, die Pflanzen gegossen.
    "Ich habe es unglaublich häufig gehabt, dass Leute in die Beete gepisst haben, reingekotet haben in die Beete. Und es klappt einfach nicht."
    Abgetrennter Bereich bietet noch Ruhe
    Und umso mehr freut sich Guido, dass mit dem Kirchgarten ein Teil des "Park Fiction" da ist, der, abgetrennt vom eisernen Zaun, noch die Ruhe und Erholung bietet, die sich viele Quartiersbewohner wünschen. Und immerhin gebe es mittlerweile auch eine öffentliche Toilette im vorderen Teil des Parks. Dass der immer mehr von jungen und oft lauten Leuten besucht wird, dass die politisch-kulturelle Idee des Parks in den Hintergrund rückt und es eher ums Saufen und Kiffen geht, will auch Christoph Schäfer gerne ändern:
    "Was uns auch fehlt: Eine Zeitlang gab es hier dreimal oder viermal im Jahr Open-Air-Konzerte vom Pudel. Ich finde, das fehlt! Das muss hier unbedingt wieder sein, damit, sagen wir mal, eine Dominanz von Sachen hergestellt wird, die nicht nur so eine vor sich hin schlurfende Normalität sind, sondern, wo sich jemand was künstlerisch ausdenkt, ein Konzept hat, sich was traut, experimentiert. Aus dem Geist ist das alles entstanden. Und das muss man da immer wieder reinspielen."
    Einige Feierwütige konnten zur Einsicht gebracht werden
    In den letzten Jahren, erzählt Christoph Schäfer, ist es immer wieder gelungen, allzu trinkwütige oder aggressive Cliquen zur Einsicht zu bringen. Am Ende bleibt diese Aufgabe aber an den Anwohnern hängen.
    Wer in aller Ruhe den Ausblick auf den Hafen genießen will und nichts übrig hat für Musik aus Ghettoblastern und trinkende, feiernde Jugendliche, der besucht den Park am besten bei Hamburger Schmuddelwetter oder wochentags in aller Frühe. Den passenden Coffee-to-Go gibt es hundert Meter entfernt am Hein-Köllisch-Platz. Und außer den Eingeborenen trifft man dann kaum jemanden im Gezi-Park-Fiction.