Freitag, 03. Mai 2024

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Liedbegleiter Helmut Deutsch
"Musikalisch hat der Pianist oft mehr zu sagen als der Sänger"

Früher habe sich der Pianist dem Sänger oft untergeordnet, sagte der Liedbegleiter Helmut Deutsch im Dlf. Heute gebe es eine akustische Gleichberechtigung. Diese Woche erscheint die Autobiografie des Musikers.

Helmut Deutsch im Gespräch mit Raoul Mörchen | 11.03.2019
    Der Pianist Helmut Deutsch in weißem Hemd, im Hintergrund ein Gemälde
    Prägte Generationen berühmter Sängerinnen und Sänger: Der Liedpianist Helmut Deutsch (Shirley Suarez)
    Er habe vor seiner Karriere als Liedbegleiter viel Kammermusik gespielt und mit Sängern zu tun gehabt, "aber so richtig geklappt hat es mit dem Wunschtraum, nur Sängerbegleiter zu sein, erst eigentlich mit Herrmann Prey", sagte Helmut Deutsch im Deutschlandfunk. 1980 hatte er einen Auftritt mit dem Opernsänger Prey in Seoul, der seine Karriere in Gang brachte. "Das war ein großer Glücksfall." Er sei gefragt worden, ob er das Konzert machen würde, weil er gerade in Japan gewesen sei. "Und wie sich dann herausgestellt hat, war das eine Art Test, den ich offensichtlich bestanden habe - wir waren dann zwölf Jahre zusammen."
    Prey habe immer Angst gehabt, dass Deutsch zu laut spiele, so der Pianist weiter. "Da war er in diesem Sinne noch ein bisschen alte Schule." Das Klavier sollte eher im Hintergrund spielen. "Diese quasi Gleichberechtigung, die wir heute zumindest akustisch errungen haben als Liedbegleiter, die hat es damals absolut noch nicht gegeben." Deswegen sei der Flügel auch nicht offen gewesen. "Es war die permanente Angst, man hört ihn nicht." Diese Sänger-Angst sei ihm in den letzten 20 Jahren allerdings nicht mehr begegnet.
    Akustische Gleichberechtigung von Gesang und Klavier
    "Natürlich ist der Sänger in vieler Hinsicht wichtiger, weil er den Text auch transportieren muss zu einem Publikum, noch dazu mit einer Sprache, die nicht mehr die allgemeine heute ist. Es ist schon wichtig, dass man an gewissen Stellen dem Sänger unbedingt akustisch Vortritt lässt. Aber musikalisch hat der Pianist in sehr vielen Fällen - also ab Schubert und dann immer mehr in der späten Romantik - mehr zu sagen als der Sänger."
    Daher sei eine akustische Gleichberechtigung richtig. Heute sei es nicht mehr gängig, dass sich der Pianist dem Sänger unterordne. Die Sänger seien sich heute bewusst, "was das Klavier zu sagen hat und musikalisch zu bestimmen hat."
    "Das Lied stirbt nicht"
    Sein ganzes Berufsleben lang habe er Sprüche gehört, dass der "Liedgesang am Ende" sei. "Es geht immer ein bisschen rauf und ein bisschen runter." Liederabende seien nie ein Massenspektakel gewesen. "Aber dieses Totsagen vom Lied als Kunstform gab es schon am Ende des 19. Jahrhunderts. Über 140 Jahre redet man davon, dass das Lied stirbt, aber es stirbt, glaube ich, nicht."
    Helmut Deutsch: Gesang auf Händen tragen. Mein Leben als Liedbegleiter.
    Henschel Verlag, Kassel 2019. 240 Seiten, 26 Euro.