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Lindy-Hop-Tanz ist wieder im Kommen

Die Rassentrennung war zumindest beim Lindy Hop aufgehoben: Schwarze und Weiße tanzten im New York der 30er-Jahre nebeneinander. Heute zieht der Tanz vor allem Leute an, die Hosenträger und Tweedmütze tragen. Dabei wirkt diese Swingvariante eher zeitlos als nostalgisch. Ein Besuch im Kölner Tanzstudio Hopspot.

Von Peter Backof | 27.05.2013
    "Es ist sexy, es ist lustig! – "Es ist viel Improvisation, viele Freiheiten, weit weg von der normalen Tanzschulatmosphäre.""

    Der "Hopspot" kocht. Das Kölner Tanzstudio von Bernd Chrischilles ist voller tanzbegeisterter, schwitzender Menschen. Sie haben den Lindy Hop entdeckt und feiern: Frankie Manning. Der schwarze Swingtänzer, gestorben 2009, hätte gestern 99. Geburtstag gefeiert.

    ""Er hat den Lindy Hop tatsächlich mit erfunden, im Savoy Ballroom in New York."

    Das Savoy in Harlem war schon deshalb legendär, weil sich hier Schwarz und Weiß ganz zwanglos begegnen konnten.

    "Das Tolle am Savoy war eine nicht vorhandene Rassentrennung – die es damals gab in den 30er Jahren in den USA natürlich. Aber bei diesem Tanz, bei dieser Musik war das eben aufgehoben, da wurde nicht nach Hautfarbe getanzt."

    Im Hopspot hat sich inzwischen Christian ans Schlagzeug gesetzt. Mit seiner Band "Joe White and the Hot Seven Dwarfs" spielt er Dixie und Swing im Savoy-Stil. Alles andere als eine Rentner Combo: Die Musiker sind zwischen zwanzig und dreißig, studieren Jazz, und tragen alle:

    "Wie nennt man die? Ja, ne Bätschkappe, Zeitungsmütze."

    Diese nostalgischen Mützen aus Tweed zu tragen, ist auch ohne den Lindy Hop aktueller Trend. Sie kommen mit Hosenträgern, Petticoats oder haben sich den Schnurrbart gezwirbelt. Die schönsten und lustigsten Nostalgie-Mode-Elemente, gleich aus mehreren Jahrzehnten, von den 1910ern bis in die Sixties. Man ahnt, warum eigentlich Lindy Hop zunehmend wieder populär wird: Diese Musik, dieser Tanz, ist ein Retro-Sammelpool, Projektionsfläche für vieles, und wirkt inzwischen eher zeitlos als nostalgisch.

    "Also die Lindy-Hop-Szene versucht das zumindest, sich auszudehnen. Die packen das auch, haben jetzt ziemlich viel Anlauf an Leuten, die das toll finden, weil das halt total Spaß macht. Man muss nicht viele Tanzkurse besuchen, um mit dieser Musik Spaß zu haben."

    Es gibt wenige achttaktige Grundschritte, die lernt man schnell, der Rest ist Improvisation und sieht so aus, als würden "Er" und "Sie" sich ständig umeinander winden, synkopisch verschachtelt gegeneinander verdrehen, eben: Swingen - damals im Savoy und heute im "Hopspot."

    "Das war damals was ganz Revolutionäres, das gab´s nicht, weil es war immer so, im klassischen Tanzverhalten, dass man immer beidhändig gefasst ist und beim Swing hat man zum ersten Mal gelernt, dass man auseinandergehen kann, dass man hüpfen kann."

    Und zum ersten Mal gab es, jenseits des klassischen Balletts, akrobatische Hebefiguren: Bis heute gilt der Film "Hellzapoppin´" – deutscher Titel "In der Hölle ist der Teufel los" – von 1941, als Kultfilm. Mit dem Star Frankie Manning, in den 30er und 40er Jahren weltweit bekanntester Swingtänzer. Manning und der Lindy Hop wurden in den 1970ern, als Swingtanz völlig out war – das klingt skurril: von Schwedischen Tanzfans wiederentdeckt:

    "Es heißt Herräng, das Dorf, hundert Kilometer nördlich von Stockholm, und ist ein Dorf mit 500 Seelen. Und da fallen wochenlang um die 1000 Tänzer jede Woche ein."

    Das weltweit größte Lindy-Hop-Festival, alljährlich im Sommer. Nach Herräng holten die Schweden Manning, der sich nach der Swingära als Briefträger verdingt hatte, und machten ihn zum Spiritus Rector, noch einmal: zur Legende.