Es ist der 19. Oktober 2004. Der achtjährige Mohammad Ammouri ist gerade auf dem Weg zur Schule, als er seinen Mörder trifft. Während dieser mit einem Messer auf den Jungen einsticht, wird die 56-jährige Lehrerin Anna-Lena Svenson zufällig Zeugin des Verbrechens. Der Täter ersticht auch sie. Am Tatort hinterlässt er die Mordwaffe, an der auch seine Blutspuren kleben. Die Tat wird als "Linköping Doppelmord" bekannt.
Erst jetzt, fast 16 Jahre später, hat der schwedische Stammbaumforscher Peter Sjölund den Mörder gefunden. "Für die Suche haben wir öffentlich zugängliche DNA-Stammbaum Analysen genutzt, weil sie viel aussagekräftiger sind, als die normalen DNA-Datenbanken der Polizei", sagt er. "In diesen werden nur 15 genetische Marker getestet. Wir Stammbaumforscher testen hingegen 700.000 Marker."
Ahnensuche im Netz verrät auch Verbrecher
Diese Marker sind kurze DNA-Abschnitte, von denen bekannt ist, an welcher Stelle sie im Genom liegen. Um den Grad der Verwandtschaft zu bestimmen, vergleichen die Ahnenforscher diese Abschnitte miteinander: Je mehr dieser DNA Segmente übereinstimmen, desto näher sind zwei Personen miteinander verwandt. Auf diesem Weg hilft Peter Sjölund Menschen dabei, ihre leiblichen Geschwister oder Eltern zu finden. Doch nachdem in den USA viele sogenannte "kalte" Mordfälle mithilfe von Stammbaum Analysen gelöst werden konnten, hoffte der Ahnenforscher, auf diesem Weg auch den "Linköping-Doppelmord" aufklären zu können.
"Bei dieser Methode schickt man die DNA-Probe vom Tatort zu einem der kommerziellen Anbieter, die Stammbaumanalysen anbieten. Und dort wird die DNA mit dem Profil anderer Personen verglichen, die ihre Erbsubstanz dort eingeschickt haben. Gibt es Übereinstimmungen in den DNA Profilen dieser Menschen, dann sind sie miteinander verwandt." Die Datenbanken, die Peter Sjölund anzapfte, zeigten mehrere Hundert Treffer an. Doch nur bei etwa 30 von ihnen führte der Vergleich der genetischen Marker weiter.
Stammbaum-Puzzle bis ins 16. Jahrhundert
Dann galt es, alte Kirchenbücher zu wälzen und Archive zu durchforsten, erzählt der Stammbaumforscher: "Wir wussten: Diese 30 Personen waren irgendwie mit dem Täter verwandt. Aber vielleicht hatten sich ihre Wege schon vor 250 Jahren gekreuzt. Deshalb haben wir ihre Stammbäume zusammengesetzt und bis ins 16. und 17. Jahrhundert nachverfolgt. Es waren sicher sechs- bis siebentausend Personen, die wir in diesen Stammbäumen erfasst haben."
Nach mehreren Monaten Arbeit hatte Peter Sjölund sein Stammbaum-Puzzle so weit zusammengesetzt, dass nur noch fünf bis zehn Personen als mögliche Täter in Frage kamen. Deren Spur führte nach Östergötland, eine Region, in der auch die Stadt Linköping liegt. Dort geben Freiwillige Speichelproben für ein DNA-Profil ab. Eine diese Proben bringt Peter Sjölund einen großen Schritt weiter: Er kann weitere Personen ausschließen und gerät auf die Spur von zwei Brüdern aus Linköping. Einer von ihnen hat die Tat sofort zugegeben. Seitdem steht Peter Sjölunds Telefon nicht mehr still. "Die beiden letzten Tage waren total verrückt. Ich habe sicher an die 800 Nachrichten und Anrufe und unzählige Anfragen von Presse und Fernsehen bekommen. Viele Menschen aus Linköping haben sich bei mir gemeldet und auch die Angehörigen sind sehr dankbar, dass der Fall nun abgeschlossen ist."
Schweden ist ein Sonderfall
Allerdings wirft der Fall auch Fragen auf. Darf die Polizei DNA-Profile auf kommerziellen Seiten dazu nutzen, Verbrechen aufzuklären? Peter Sjölund meint: "Ich denke, man braucht deutliche Regeln, wann diese Methode genutzt werden darf. Natürlich gibt es Probleme mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte. Deshalb braucht es klare Regeln und ich finde, man sollte diese Methode nur für schwere Verbrechen wie Mord oder Vergewaltigung nutzen. Außerdem ist es wichtig, dass nur Stammbaumforscher eingesetzt werden, die etwas von ihrem Job verstehen. Denn es kann leicht passieren, dass auf jemand Falsches gezeigt wird."
Bevor Peter Sjölund weitere "kalte" Fälle lösen kann, soll der Linköping-Mord deshalb ausgewertet werden. Klar ist aber schon jetzt: In anderen Ländern ist es für Mörder deutlich einfacher, unterzutauchen. Denn in Schweden hat nicht nur jeder Einwohner eine eigene Identifikationsnummer. Von jedem Baby, das seit 1975 dort zur Welt kam, liegt eine Blutprobe in einer Biodatenbank. Und daraus ließe sich problemlos eine DNA-Kartei erstellen.
Golden Gate Killer - Ahnenforscher überführen Täter
In den 1970er- und 1980er-Jahren versetzte der Golden State Killer Kalifornien in Angst und Schrecken: Er ermordete 13 Menschen und wird für mehr als 60 Vergewaltigungen und über Hundert Einbrüche verantwortlich gemacht. Erst 40 Jahre später, 2018, gelingt es Ahnenforschern, ihn anhand seines DNA-Stammbaums zu überführen. Ende Juni 2020 gesteht der inzwischen 74-jährige Mörder (Joseph James DeAngelo) die Taten vor Gericht und entgeht damit der Todesstrafe. Der Täter muss mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen.
In den 1970er- und 1980er-Jahren versetzte der Golden State Killer Kalifornien in Angst und Schrecken: Er ermordete 13 Menschen und wird für mehr als 60 Vergewaltigungen und über Hundert Einbrüche verantwortlich gemacht. Erst 40 Jahre später, 2018, gelingt es Ahnenforschern, ihn anhand seines DNA-Stammbaums zu überführen. Ende Juni 2020 gesteht der inzwischen 74-jährige Mörder (Joseph James DeAngelo) die Taten vor Gericht und entgeht damit der Todesstrafe. Der Täter muss mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen.