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Lippold: Vertrag mit Toll Collect schlampig ausgehandelt

Christine Heuer: Gleich zwei verkehrspolitische Themen machen seit gestern Schlagzeilen. Die Deutsche Bahn will schon wieder ihre Fahrpreise erhöhen und Verkehrsminister Manfred Stolpe schickt sich an, für das Mautdebakel Schadensersatz vom Toll-Collect-Konsortium einzutreiben. Über beides habe ich vor zwei Stunden mit Klaus Lippold gesprochen, er ist CDU-Umweltexperte und stellvertretender Unionsfraktionschef im Bundestag. Zuerst habe ich Klaus Lippold gefragt, ob er es in Ordnung findet, dass die Bahn ihre Tickets um 3,5 Prozent verteuern möchte?

Moderation: Christine Heuer |
    Lippold: Das ist jetzt die zweite Erhöhung innerhalb eines Jahres, und ich glaube, dass dies unter dem Vorwand geschieht, Energiepreissteigerungen nutzen zu können, um dann unter dem Deckmantel der Energiepreissteigerung auch gleich noch mal die Preise für die Bahn anzuheben. Ich weiß nicht, ob das das richtige Signal ist, oder ich kann auch besser sagen, das ist das falsche Signal, wenn ich Kunden gewinnen will.

    Heuer: Nun haben aber in den vergangenen Wochen, Herr Lippold auch die Fluglinien ihre Ticketpreise erhöht und Sie haben dies ebenfalls wegen der steigenden Ölpreise getan. Da gab es keinen Sturm der Entrüstung, wo war da Ihr lauter Protest?

    Lippold: Bei den Flugpreisen muss man sehen, dass in der letzten Zeit, eine ganze Reihe zusätzlicher Kosten, Sicherungskosten, Landegebühren etc. gekommen sind, eine etwas andere Situation. Und darüber hinaus habe ich in diesem Markt, weil dort Wettbewerb ist, den ich bei der Bahn in diesem Sinne nicht habe, natürlich eine ganze Menge von Preissenkungen vorab gehabt und auch ein, ich sage es mal so, Herabsenken des Preisniveaus durch die Billigflieger.

    Heuer: In einer etwas anderen Situation sind die Fluglinien aber auch deshalb, weil sie keine Kerosinsteuer bezahlen. Die Verbraucherzentrale sagt deshalb nicht die Bahn sei schuld sondern die Politik, denn die Mineralölsteuer belaste die Bahn einseitig. Da ist doch was dran.

    Lippold: Es ist so, dass wir uns immer dafür ausgesprochen haben, die Ökosteuerbelastung der Bahn wegzunehmen, aber darauf ist die Regierungsmehrheit nicht eingeschwenkt. Auf der anderen Seite muss ich natürlich sagen, dieser Vergleich zieht nicht, denn im internationalen Vergleich zahlt überhaupt kein Flieger etwas. Andererseits ist es aber auch so, dass die Fluggesellschaften natürlich über die Flughäfen einen Großteil der Kosten tragen, wo die Bahn Zuschüsse für die Infrastruktur und das Netz bekommt und die Fliegerei überhaupt nicht.

    Heuer: Wenn Sie jetzt, Herr Lippold, die Ökosteuer erwähnen, dann ist es so, dass die Allianz Pro Schiene vorschlägt, die Mehrwertsteuer auf die Bahntickets im Fernverkehr zu halbieren, die Allianz rechnet vor, das würde die Ticketpreise auf einen Schlag um zehn Prozent billiger machen. Schließen Sie sich dieser Forderung an?

    Lippold: Das ist eine Position, die diskussionsfähig ist. Allerdings über die Auswirkung: Das müsste man noch mal sauber rechnen.

    Heuer: Heute lesen wir in der Financial Times Deutschland, die Bahn erwäge auch Preisaufschläge im Regionalverkehr. Gilt da auch Ihre heftige Kritik?

    Lippold: Ja, und ich hoffe, dass die Dinge sich hier anders gestalten werden. Im Fernverkehr ist die Bahn in der Gestaltung ihrer Preise frei, im Regionalverkehr hat sie Verträge mit den Ländern abgeschlossen, also muss sie auch hier mit den Ländern über die Preiserhöhungen sprechen. Ich glaube, dass man hier dann auf einen Korrekturfaktor trifft.

    Heuer: Die 3,5 Prozent sind Ihnen zuviel, wären Sie denn mit einer moderaten Preisanhebung angesichts der Entwicklung auf den Energiemärkten einverstanden?

    Lippold: Mir geht es in erster Linie darum, dass die Preispolitik der Bahn in der letzten Zeit die Kunden ohnehin verunsichert hat. Sie wissen, die gesamte Umstellung des Preissystems, die erst nach heftigen Protesten zurückgenommen wurde, auf der einen Seite, dann die Frage, dass die Bahn ja bereits im Frühjahr schon einmal die Preise erhöht hat und jetzt noch einmal ansetzt. Hier müsste man eine saubere Kalkulation vornehmen, um zu sehen, was ernsthaft an dieser Kostensituation ist und was nicht. Ich befürchte, dass das ganze dem Börsengang der Bahn untergeordnet wird und dass man jetzt die Diskussion im Energiepreisbereich nutzt, um selbst noch einmal die Dinge glatt zu stellen.

    Heuer: Wir haben gestern - das war auch eine neue Zahl - gehört, dass die Verbraucherpreise im August im Vergleich zum Vorjahr um zwei Prozent gestiegen sind. Wären diese zwei Prozent eine mögliche Marge auch für die Bahn aus Ihrer Sicht?

    Lippold: Ich würde nicht generell jetzt Durchschnittspreisanhebungen zum Kriterium machen, was man bei der Bahn machen kann und was nicht. Sondern es geht wirklich darum: Ist die Begründung, wie die Bahn sie für diese Preiserhöhung liefert, nämlich die Energiepreiserhöhung, wirklich zutreffend? Und bislang sind die Energiepreise nicht so durchgeschlagen, dass diese zweimalige Erhöhung aus meiner Sicht angemessen ist.

    Heuer: Kommen wir zum zweiten Thema, Herr Lippold, die Bundesregierung fordert jetzt wegen des Mautdebakels von Toll Collect Schadenersatz und Vertragsstrafe insgesamt mehr als 4,5 Milliarden Euro. Wie groß ist die Chance, dass der Bund das Geld nicht nur fordert, sondern auch bekommt?

    Lippold: Ich glaube, dass Herr Mehdorn schlechte Karten hat. Es ist zwar richtig, dass er jetzt versucht, einen Schadensausgleich herbeizuführen, aber man muss natürlich sehen, dass der Vertrag damals ganz anderes ausgehandelt war. Im Vertrag hieß es, dass neben der Vertragsstrafe weitere Vertragsstrafen oder eine verschuldensabhängige Haftung des Auftragnehmers ausgeschlossen ist. Das ist zwei Tage vor der Bundestagswahl vom Verkehrsministerium unterschrieben worden. Und darüber hinaus ist es natürlich so, das Verkehrsministerium wusste damals ganz klar, dass sie selbst die Auftragsnehmer unter einen ganz erheblichen Druck gesetzt hat. Sonst wäre die Vertragsstrafe auch nicht so niedrig angesetzt worden. Damals wollte Bodewig unbedingt noch einen Erfolg vor der Bundestagswahl einfahren, koste es, was es wolle, und deshalb ist der Vertrag damals so schlampig abgeschlossen worden.

    Heuer: Herr Lippold, bekommt der Bund das Geld oder eher nicht?

    Lippold: Ich glaube, dass da sehr viel Wunschdenken im Spiel ist. Für die Investitionen bräuchten wir natürlich diese Leistungen aus dem Schaden heraus, der entstanden ist. Aber auf der anderen Seite ist der Vertrag so schlecht ausgehandelt, dass ich fürchte, dass die Stolpe'sche Rechnung nicht aufgeht.

    Heuer: Halten Sie einen Vergleich im Schiedsverfahren wahrscheinlich, so dass der Bund wenigstens überhaupt etwas Geld bekommt von Toll Collect?

    Lippold: Das wird man aus dem Ablauf des Schiedsverfahrens heraussehen müssen. Auf der einen Seite schlägt die Regierung einen Teilnehmer vor, auf der anderen Seite der Auftragnehmer, also Toll Collect. Beide müssen sich auf einen Dritten einigen, der weitere Rechtsweg wird dadurch ausgeschlossen. Im normalen Rechtsweg würde ich ganz einfach sagen, hätte das Ministerium keinerlei Chance. Hier könnte es sein, dass es auf eine Vergleich hinausläuft, der dann immerhin noch etwas bringen könnte.