Es könnte eine unendliche Geschichte werden: Die tschechische Regierung arbeitet in diesen Tagen fieberhaft daran, im Parlament eine Mehrheit für den Lissabon-Vertrag zu schmieden. Doch ihre Gegner wollen das Reformwerk endgültig begraben.
"Der Lissabon-Vertrag hat große Nachteile für uns, denn dadurch würde sich unser Stimmengewicht in der EU halbieren, während große Länder mächtiger werden – insbesondere Deutschland. "
Der junge Ökonom Petr Mach spricht für die neue "Partei Freier Bürger". Sie wurde im Januar gegründet – aus Protest gegen den inzwischen eher europafreundlichen Kurs der Regierungspartei ODS. Und damit begann das Verwirrspiel: Eigentlich sollte die neue Partei der tschechische Ableger von Libertas werden – der Anti-Lissabon-Bewegung des irischen Millionärs Declan Ganley. So kam es aber nicht – zur Verblüffung der Prager Parteigründer. Denn schon bald tauchte die nächste neue Partei auf. Sie nennt sich tatsächlich "Libertas" – was wiederum die Iren überrumpelte, die von nichts wussten. Dann gründeten sich auch noch die tschechischen Liberalen neu. Sie fordern – unisono mit den Kommunisten - eine Volksabstimmung über den Lissabon-Vertrag. – So viele Parteien und nur ein Thema – da ist es kein Wunder, dass mit allen Mitteln um Wähler geworben wird. Einige setzen offen auf anti-deutsche Ressentiments. Das Schlagwort "Benes-Dekrete" macht die Runde. Ein Reizwort im deutsch-tschechischen Verhältnis. Auf der Grundlage dieser Dekrete wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Millionen Sudetendeutsche aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben und enteignet.
"Der Lissabon-Vertrag würde die Benes-Dekrete faktisch aufheben. Was auch immer man über diese Erlasse denkt – Fakt ist, dass dann plötzlich drei Millionen Deutsche kommen und Wiedergutmachung von Tschechien fordern könnten. Dann wäre Tschechien bankrott. "
So der Schriftsteller und Journalist Benjamin Kuras, ein Mitbegründer der "Partei freier Bürger". Mit solchen Horrorszenarien lässt sich in Tschechien nicht nur am rechten Rand auf Stimmenfang gehen, meint der Prager Politologe Robert Schuster:
"Die ganze Argumentation gegen die EU, so wie sie Vaclav Klaus Mitte der 90er-Jahre formuliert hat, ging eigentlich immer einher mit relativ starken antideutschen Ressentiments. Da ging’s nicht nur um die Vertriebenen und ihre Forderungen im Zuge des EU-Beitritts, sondern auch glasklar um Positionen gegen Deutschland. Das heißt: Deutschland ist zu groß. Deutschland ist zu mächtig, bedroht uns in einer gewissen Weise. Und ich denke, diese Europakritik und diese Deutschlandkritik, das sind zwei Seiten einer Münze."
Eine erste Probe wird für die neuen Parteien die Europawahl im Juni sein. Ihr Potenzial schätzt Robert Schuster vom Prager Institut für internationale Beziehungen auf 15-20 Prozent. Wenn sie mittelfristig überleben wollten, so Schuster, müssten sie allerdings mehr anbieten als sie es derzeit tun:
"Diese Parteien haben nur dann Erfolg, wenn sie es schaffen, keine One-Issue-Parteien zu sein. Das heißt, wenn die Parteien nur antreten mit dem Ziel, Lissabon zu Fall zu bringen, dann kann ihnen das gelingen. Sie können auf Anhieb vielleicht 20 Prozent der Stimmen erhalten. Aber wenn es nicht gelingen sollte, in Tschechien Fuß zu fassen, auch innenpolitisch, dann sind die bei den nächsten Wahlen vergessen."
Zunächst einmal haben sich die Lissabon-Gegner jedoch ein Ziel gesetzt: den EU-Reformvertrag zu stoppen. Notfalls mit einer zweiten Klage vor dem tschechischen Verfassungsgericht - eine Initiative aus den Reihen der Regierungspartei von Premier Topolanek.
"Beim ersten Mal ging es nur Teile des Vertrages, wir können also noch einmal vors Verfassungsgericht ziehen. Im Übrigen möchte ich daran erinnern, dass die Ratifizierung des Lissabon-Vertrages in zwei weiteren EU-Ländern noch nicht abgeschlossen ist, in Deutschland und Polen. Es gibt also keinen Grund zur Eile."
Wer der geistige Vater solcher Äußerungen ist, daran besteht für den Politologen Robert Schuster kein Zweifel. Vaclav Klaus, der tschechische Präsident. Zwar haben sich in der jüngsten Umfrage zum Thema zwei Drittel der Tschechen für den Vertrag von Lissabon ausgesprochen. Doch, so Schuster, man dürfe den Einfluss des tschechischen Präsidenten auf die öffentliche Meinung nicht unterschätzen:
"Vaclav Klaus war Gründer der ODS, er war lange Zeit ihr wichtigster Ideengeber und Ideologe. Und er hat die Partei seinerzeit auf diesen relativ kritischen Europakurs festgelegt. Vaclav Klaus ist ein Meister des politischen Populismus, der Demagogie. Er weiß natürlich ganz genau: Wenn es darum geht, wir, die kleinen Tschechen gegen den Rest der Welt, dann weiß er, dass er tendenziell die Mehrheit immer auf seiner Seite hat."
"Der Lissabon-Vertrag hat große Nachteile für uns, denn dadurch würde sich unser Stimmengewicht in der EU halbieren, während große Länder mächtiger werden – insbesondere Deutschland. "
Der junge Ökonom Petr Mach spricht für die neue "Partei Freier Bürger". Sie wurde im Januar gegründet – aus Protest gegen den inzwischen eher europafreundlichen Kurs der Regierungspartei ODS. Und damit begann das Verwirrspiel: Eigentlich sollte die neue Partei der tschechische Ableger von Libertas werden – der Anti-Lissabon-Bewegung des irischen Millionärs Declan Ganley. So kam es aber nicht – zur Verblüffung der Prager Parteigründer. Denn schon bald tauchte die nächste neue Partei auf. Sie nennt sich tatsächlich "Libertas" – was wiederum die Iren überrumpelte, die von nichts wussten. Dann gründeten sich auch noch die tschechischen Liberalen neu. Sie fordern – unisono mit den Kommunisten - eine Volksabstimmung über den Lissabon-Vertrag. – So viele Parteien und nur ein Thema – da ist es kein Wunder, dass mit allen Mitteln um Wähler geworben wird. Einige setzen offen auf anti-deutsche Ressentiments. Das Schlagwort "Benes-Dekrete" macht die Runde. Ein Reizwort im deutsch-tschechischen Verhältnis. Auf der Grundlage dieser Dekrete wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Millionen Sudetendeutsche aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben und enteignet.
"Der Lissabon-Vertrag würde die Benes-Dekrete faktisch aufheben. Was auch immer man über diese Erlasse denkt – Fakt ist, dass dann plötzlich drei Millionen Deutsche kommen und Wiedergutmachung von Tschechien fordern könnten. Dann wäre Tschechien bankrott. "
So der Schriftsteller und Journalist Benjamin Kuras, ein Mitbegründer der "Partei freier Bürger". Mit solchen Horrorszenarien lässt sich in Tschechien nicht nur am rechten Rand auf Stimmenfang gehen, meint der Prager Politologe Robert Schuster:
"Die ganze Argumentation gegen die EU, so wie sie Vaclav Klaus Mitte der 90er-Jahre formuliert hat, ging eigentlich immer einher mit relativ starken antideutschen Ressentiments. Da ging’s nicht nur um die Vertriebenen und ihre Forderungen im Zuge des EU-Beitritts, sondern auch glasklar um Positionen gegen Deutschland. Das heißt: Deutschland ist zu groß. Deutschland ist zu mächtig, bedroht uns in einer gewissen Weise. Und ich denke, diese Europakritik und diese Deutschlandkritik, das sind zwei Seiten einer Münze."
Eine erste Probe wird für die neuen Parteien die Europawahl im Juni sein. Ihr Potenzial schätzt Robert Schuster vom Prager Institut für internationale Beziehungen auf 15-20 Prozent. Wenn sie mittelfristig überleben wollten, so Schuster, müssten sie allerdings mehr anbieten als sie es derzeit tun:
"Diese Parteien haben nur dann Erfolg, wenn sie es schaffen, keine One-Issue-Parteien zu sein. Das heißt, wenn die Parteien nur antreten mit dem Ziel, Lissabon zu Fall zu bringen, dann kann ihnen das gelingen. Sie können auf Anhieb vielleicht 20 Prozent der Stimmen erhalten. Aber wenn es nicht gelingen sollte, in Tschechien Fuß zu fassen, auch innenpolitisch, dann sind die bei den nächsten Wahlen vergessen."
Zunächst einmal haben sich die Lissabon-Gegner jedoch ein Ziel gesetzt: den EU-Reformvertrag zu stoppen. Notfalls mit einer zweiten Klage vor dem tschechischen Verfassungsgericht - eine Initiative aus den Reihen der Regierungspartei von Premier Topolanek.
"Beim ersten Mal ging es nur Teile des Vertrages, wir können also noch einmal vors Verfassungsgericht ziehen. Im Übrigen möchte ich daran erinnern, dass die Ratifizierung des Lissabon-Vertrages in zwei weiteren EU-Ländern noch nicht abgeschlossen ist, in Deutschland und Polen. Es gibt also keinen Grund zur Eile."
Wer der geistige Vater solcher Äußerungen ist, daran besteht für den Politologen Robert Schuster kein Zweifel. Vaclav Klaus, der tschechische Präsident. Zwar haben sich in der jüngsten Umfrage zum Thema zwei Drittel der Tschechen für den Vertrag von Lissabon ausgesprochen. Doch, so Schuster, man dürfe den Einfluss des tschechischen Präsidenten auf die öffentliche Meinung nicht unterschätzen:
"Vaclav Klaus war Gründer der ODS, er war lange Zeit ihr wichtigster Ideengeber und Ideologe. Und er hat die Partei seinerzeit auf diesen relativ kritischen Europakurs festgelegt. Vaclav Klaus ist ein Meister des politischen Populismus, der Demagogie. Er weiß natürlich ganz genau: Wenn es darum geht, wir, die kleinen Tschechen gegen den Rest der Welt, dann weiß er, dass er tendenziell die Mehrheit immer auf seiner Seite hat."