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Litauen und der CIA-Folterbericht
Fragen stellen, Freunde bleiben

Als mehr oder weniger gesichert gilt, dass die CIA in Litauen, Polen und Rumänien Geheimgefängnisse und damit potenzielle Folterstätten betrieben hat. Was genau in Litauen passierte, ist noch nicht ganz klar - allerdings gibt es auch einen gewissen Widerwillen, sich der Vergangenheit zu stellen.

Von Carsten Schmiester | 16.12.2014
    CIA-Zentrale in an Langley/Virginia
    CIA-Zentrale in an Langley/Virginia (dpa / picture-alliance / Dennis Brack / Blackstar / Pool)
    Der Winter ist da, die Energiekosten sind hoch und das große Dauerthema, dann die Aufregung über den Euro, der am 1. Januar kommt – es gibt für viele Litauer schlicht Wichtigeres als den Bericht des US-Senates zu Folter und Entführungen durch die CIA und ihre Freunde, die es wohl auch an der Ostsee gab. Lange her, das Ganze, und dann auch nichts, worüber man gerne redet: Über die mutmaßlichen Geheimgefängnisse mit dem verharmlosenden Codenamen "purple hole", das "lila Loch" ganz in der Nähe der Hauptstadt Vilnius angeblich in einem Reitstall und über das, was die litauische Regierung damals wusste, oder nicht wusste, oder gar nicht wissen wollte. Arvydas Anusauskas sitzt im Ausschuss für Nationale Sicherheit und Verteidigung des litauischen Parlaments und hat eine offizielle Untersuchungskommission geleitet, die zwar zu dem Ergebnis gekommen war, dass es diese Gefängnisse durchaus gegeben haben könnte. Viel mehr aber auch nicht:
    "Vor fünf Jahren haben wir während der parlamentarischen Untersuchungen festgestellt, dass kein einziger bedeutender litauischer Politiker gewusst hatte, was hochrangige Sicherheitsbeamte unseres Landes mit ihren Kollegen aus einem anderen Staat abgemacht hatten und was auf litauischem Boden passierte. Das haben wir festgestellt aber nicht etwa, dass Häftlinge ins Land gebracht worden sind. Weil wir nun einmal nicht über solche Informationen verfügten."
    Inzwischen weiss er mehr, aber eben immer noch nicht alles. Offiziell hat Litauens Regierung Washington um "vollständige Informationen" gebeten. Präsidentin Dalia Grybauskaite kündigte an, man werde die Verantwortung übernehmen, sollte sich herausstellen, dass es das "lila Loch" tatsächlich gegeben habe und dass Menschen dort gefoltert worden seien. Inoffiziell hört sich das alles schon nicht mehr ganz so entschlossen an:
    "Die Staatsanwaltschaft hat ja schon angekündigt, dass sie in dem Fall erneut ermitteln wird. Und das wird bestimmt auch so kommen, denn Litauen hat sich schon früher verpflichtet, nachzuhaken, wenn es neue Informationen gibt. Was eine erneute parlamentarische Untersuchung angeht – da bin ich mir nicht so sicher. Denn ich glaube nicht wirklich, dass die jetzige Mehrheit ein solches Verfahren will."
    Litauen ist noch näher an die USA gerückt
    Was die allgemeine Unlust in Litauen spiegeln würde, sich erneut mit dem ungeliebten Thema zu beschäftigen. Auch wenn die Mächtigen von heute nicht die – möglicherweise – Verantwortlichen von damals sind. Eine neue Regierung und eine neue Präsidentin sind im Amt, aber es sind eben auch andere Zeiten. Die Ukraine-Krise hat alle drei baltischen Republiken noch näher an die USA gerückt. Washington gilt mehr denn je als Schutzmacht und der klopft man nicht auf die Finger, das hatte man Anusauskas damals schon übel genommen:
    "Vor fünf Jahren gab es viel Skepsis. Warum ermitteln, wenn doch nichts war? Nun, jetzt hat der US-Senat den Bericht veröffentlicht – und da war offenbar doch etwas. Aber als wir damals ermittelt haben, hat man uns vorgeworfen, die guten Beziehungen zu den USA zu verschlechtern. Nur, politische Kontrolle ist nun einmal sehr wichtig. Denn einmal läuft so eine Geheimoperation mit Amerika und beim nächsten Mal bietet jemand, und das muss ja nicht unbedingt ein Alliierter sein, noch mehr Geld. Da dürfen wir nichts riskieren."
    Also, wachsam bleiben, aber nicht überreagieren, so sieht er es und so sehen es viele Litauer. Fragen stellen? Ja, aber bitte dabei Freunde bleiben! Denn Feinde gibt es genug und auf jeden Fall kann das, was da vor zehn Jahren – möglicherweise – oder wohl eher höchstwahrscheinlich passiert ist, so nicht noch einmal passieren. Wir haben doch längst gelernt, beteuert Anusauskas:
    "Die USA haben doch selbst über das, was war, informiert. Die Rolle Litauens in dieser Sache ist demnach nicht nur minimal, es gibt sie gar nicht! Also sage ich, dass die Beziehungen zu den USA bestimmt nicht schlechter werden. Zumal unsere Partnerschaft in anderen Bereichen viel tiefer ist als sie es hier je war. Außerdem: Nach der damaligen Untersuchung haben wie die eher informelle Zusammenarbeit der Geheimdienste durch eine offizielle ersetzt. Die Lage ist unter Kontrolle und so arbeiten wir inzwischen wesentlich enger zusammen als noch vor zehn Jahren!"