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Litauische Regierung könnte Macht verlieren

In 22 Jahren Unabhängigkeit wurde noch keine Regierung Litauens im Amt bestätigt. Und auch dieses Mal scheint sich das Muster zu wiederholen: Der bürgerlichen Koalition unter Andrius Kubilius wird eine Abwahl prognostiziert. Vor allem das Sparprogramm macht die Regierung unbeliebt.

Von Sabine Adler |
    Litauische Parlamentswahlen folgen bislang zwei Gesetzmäßigkeiten: In den zurückliegenden 22 Jahren Unabhängigkeit wurde noch keine Regierung im Amt bestätigt, ging das Pendel stets von rechts nach links und zurück. Und es tauchte jedes Mal vor den Wahlen eine neue Partei auf, die auf die Protestwähler abzielte. Diese Neugründungen hatten bislang allerdings nie extremistischen Charakter.

    Vladas Gaidys, Leiter des Vilmorus-Umfrage-Instituts, rechnet auch dieses Mal fest mit einem Wechsel der Mehrheiten im Parlament und damit einer neuen Regierung. Eine Entwicklung, die sich fast so lange abzeichnet, wie die zurückliegende Legislaturperiode dauerte:

    "Unmittelbar nach den Wahlen 2008, einen Monat später, kippte die politische Stimmung ins Gegenteil. Das hatte mit den Sparmaßnahmen zu tun, die die Regierung gleich zu Beginn verabschiedet hat. Die waren alles andere als populär, sind es bis heute nicht. Es gab Ausschreitungen vor dem Parlament, was für Litauen wirklich sehr untypisch ist. Und seitdem hat die Opposition die Zeit genutzt und so wie es aussieht, wird sie wohl gewinnen."

    Litauens Regierung, die von der konservativen Partei Vaterland und Premier Kubilius geführt wird, reagierte auf die Finanzkrise wie ein europäischer Musterschüler, nämlich mit einem radikalen Sparprogramm. Die Ausgaben wurden um zwölf Prozent gekürzt. Was Brüssel freute, sorgte für Empörung in der Bevölkerung, sagt Linas Balsys von den Grünen. Der Oppositionspolitiker findet, dass die Bürger der Regierung zu Recht nicht mehr vertrauen. Balsys:

    "Die Rentenkürzungen waren sehr schmerzhaft, sie haben zu sehr großer Unzufriedenheit geführt. Für die Regierung war es der einfachste Weg. Rentner haben ein sehr stabiles Einkommen. Und wenn du das um einen Bestimmten betrag kürzt, kannst du damit exakt kalkulieren, wie viel du einsparen wirst."

    Die litauischen Durchschnittseinkommen betragen 600 bis 800 Euro. Die Regierung erhöhte die Mehrwertsteuer von 18 auf 21 Prozent und verabschiedete eine Steuerreform, die neue Abgaben vor allem für Kleinunternehmer und Mittelständler brachte. Mit der Folge, dass sie ins Ausland abwanderten oder erneut in die Schattenwirtschaft abtauchten. Dabei hatte sich die Regierung vorgenommen, die Schwarzarbeit einzudämmen. Balsys:

    "Der wichtigste Grund für die Enttäuschung ist der gesunkene Lebensstandart. Die Schaffung von Arbeitsplätzen stagniert. Das hervorragende Programm, die Renovierung von Häusern, hätte solche Jobs geschaffen. Deswegen sind die Leute enttäuscht. Ihr Leben hat sich in den zurückliegenden 4 Jahren nicht verbessert."

    Parteien und Politiker sind in Litauen noch nie beliebt gewesen. Vladas Gaidys vom Umfrage-Institut erklärt das mit der überhöhten Erwartung der Bürger an das Parlament und die Regierung, ihre Enttäuschung, wenn gestritten wird oder nicht sofort Lösungen zur Hand sind. Das drängendste Problem sind die Heizungskosten und Strompreise. Die stiegen nicht mit der Abschaltung des AKW in Ignalina, sondern seitdem Litauen von dem russischen Gasmonopolisten Gazprom fordert, seine Gasleitungen zu verkaufen. Eine EU-Richtlinie, die Litauen versucht umzusetzen besagt, dass ein Unternehmen nicht zugleich Lieferant und Besitzer des Transportsystems sein kann. Russland straft seinen kleinen Nachbarn dafür mit einer schmerzhaften Anhebung des Gaspreises ab. Die konservative Regierung verspricht, mit einem neuen Atomkraftwerk Abhilfe zu schaffen, doch da ihr Ansehen im Keller ist, dringt die Botschaft nicht recht durch. Zumindest ergab das letzte Umfrage des Vilmorus-Instituts. Gaydys:

    "Die Frage lautete so ähnlich wie beim Referendum: 'Sind sie für oder gegen den Bau der AKW auf dem Territorium der Republik Litauen.' Dass sie dafür sind, haben 22 Prozent geantwortet und 62 Prozent sind dagegen. Die Gegner kommen aus allen Bevölkerungsschichten und Altersgruppen, aus allen Landesteilen. Den einzigen Unterschied erkennen wir in der politischen Färbung. Die Mehrheit der Befürworter des AKW-Baus sind meist Anhänger der rechten Parteien, der konservativen Partei, zum Beispiel der Partei Vaterland."

    Da die Chancen der Konservativen für eine Wiederwahl gering sind, könnten auch ihre Atompläne scheitern. Allerdings sind weder das Ergebnis für jede nachfolgende Regierung bindend, noch rechnet jemand damit, dass das erforderliche Quorum von 50 Prozent plus einer Stimme erreicht wird. Die Demoskopen erwarten eine Beteiligung von 45 Prozent.